31. August 2009

Wie kam die Honklich nach Kanada?

In der deutschen Sprache der Hutterer existiert „Hanklich“ wohl als Relikt aus der Siedlungszeit der „Habaner“ in Winz. Sprachliche und geschichtliche Betrachtungen von Dr. Hans Hager.
Bei der Lektüre des bereits vor 27 Jahren erschienenen Buches „Das vergessene Volk. Ein Jahr bei den deutschen Hutterern in Kanada“ gilt meine Bewunderung zunächst dem leider früh verstorbenen Autor Michael Holzach, der es fertig brachte, ein ganzes Jahr voll integriert in zwei hutterischen Brüdergemeinden in der kanadischen Provinz Alberta zu verbringen, nahezu völlig abgeschnitten von unserer modernen Welt. Er brachte seine ganze Arbeitskraft ein, um allen dort erforderlichen Arbeiten gerecht zu werden, bei vollständigem Verzicht auf Privateigentum. Er trug die Einheitstracht der frommen „Auserwählten“ und betätigte sich genau so an allen ihren Bräuchen, Gebeten und frommen Gesängen.

Danach interessierte mich besonders die Sprache der Hutterer, die ein Gemisch verschiedener oberdeutscher Mundarten darstellt (Kärntnerisch, Tirolerisch, Bayrisch), ergänzt durch hessische und schlesische Spuren – so wie sie in Deutschland am Beginn ihres tragischen Flucht- und Wanderweges vor 450 Jahren gesprochen und in ihrer engen Gemeinschaft bewahrt wurde. An ihren langen Leidensweg erinnern dazu wenige Sprachelemente, die unseren siebenbürgischen Ohren nicht fremd klingen. So heißt der Mais „Gugurutz“, die Gurken heißen wie in Russland „Kratsawitz“ - und dann taucht als Bezeichnung für ein süßes Gebäck ein zusammengesetztes Wort auf, dessen zweite Hälfte allen Siebenbürger Sachsen vertraut ist, die „Schutenhonkelich“. Honklich findet sich nicht im „Deutschen Wörterbuch“ der Brüder Grimm, d. h. es ist ein siebenbürgisches Spezifikum und muss von den Hutterern als Wandergepäck nach Kanada mitgenommen worden sein, auch wenn jener Kontakt einige hundert Jahre zurückliegt.

Für die Bedeutung und Herkunft des Wortes Schuten erfuhr ich nach langem Suchen schließlich die richtige Erklärung durch Frau Dr. H. Lorenz-Andreasch, Sprachforscherin an der Universität Klagenfurt, die wissenschaftlich über die Sprache der Hutterer gearbeitet hat. Schuten ist also ein Wort der Kärntner Mundart, hergeleitet vom slowenischen Wort Skuta, und bedeutet Quark, in Österreich und Siebenbürgen Topfen.

Die Schutenhonklich hieße also korrekt Topfenhanklich. Möglicherweise wurde das Wort Schuten von den Hutterern während ihres nur elfjährigen Zusammenseins in Winz von den dort angesiedelten Transmigranten aus Kärnten übernommen. Wie verlief die Wanderung der Hutterer? Die Wiedertäuferbewegung wurde 1525 in Zürich gegründet. Bald kam es zu massiven Glaubensverfolgungen; Kaiser Karl V. führte die Todesstrafe für die Erwachsenentaufe ein. Viele Glaubensbrüder flüchteten nach Mähren und fanden als „Mährische Brüder“ Schutz beim hussitischen Kleinadel. Ihr Anführer Hutter starb 1536 in Innsbruck auf dem Scheiterhaufen. Auch in Mähren kam es bald zu schweren Verfolgungen, bis Kaiser Ferdinand II. 1621 die Mährischen Brüder auswies. 186 Gemeinschafter flohen nach Siebenbürgen, wo sie von dem verständigen und kultivierten Fürsten Gabriel Bethlen (1613-29) im Städtchen Winz angesiedelt wurden. Der siebenbürgische Landtag sicherte ihnen eigene Rechte zu, hatte er doch bereits 1557 auf dem Landtag in Thorenburg die Religionsfreiheit gesetzlich festgelegt, lange vor anderen europäischen Ländern. Daran erinnert die 6. Strophe unserer Hymne „Siebenbürgen, Land der Duldung ...“ Es sei hier noch daran erinnert, dass Gabriel Bethlen als überzeugter Protestant und Verbündeter der böhmischen Protestanten in der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges drei Feldzüge gegen die Habsburger führte, eindrucksvoll geschildert in Golo Manns „Wallenstein“.

Wer heute den Bahnknotenpunkt Winz (rumänisch Vințu de jos, lateinisch Sanctus Vincentius) in Siebenbürgen passiert, ahnt meistens nicht, dass Winz einmal eine deutsche Stadt war, die durch Schiffbau und Salztransport auf dem Mieresch florierte und bis 1526 der Sächsischen Nationsuniversität angehörte. Danach verloren die Deutschen rasch an Zahl und Einfluss. Durch die Ansiedlung der Hutterer, die in Siebenbürgen als „Habaner“ bekannt wurden, entwickelte sich Winz zu einer bedeutenden Ortschaft, die um die Mitte des 17. Jahrhunderts schon 900 bis 1 000 Einwohner zählte. Vor allem die siebenbürgische Keramikerzeugung erfuhr durch das Wirken der Habaner Töpfer einen bedeutenden technischen und künstlerischen Aufschwung. Besonders die Habaner Fayencen mit verschiedenfarbigen Glasuren waren wegen ihrer Schönheit berühmt. Sie waren auch bei Adligen und an Fürstenhöfen gefragt, ebenso bei den türkischen Eroberern. Eine Übersicht über die große Vielfalt der Habaner Keramik bietet Horst Klusch in seinem bekannten Werk „Siebenbürgische Töpferkunst“. Für die Bezeichnung „Habaner“ findet sich im „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ folgende Deutung: Durch das Leben auf „Brüderhöfen“ (auch „Haushaben“) sei es zum Namen „Habaner“ gekommen.

Nach vorübergehendem Verfall der Gemeinschaft wurde 1756 diese europaweit letzte Hutterersiedlung noch einmal durch Kärntner Transmigranten wiederbelebt. Neue Verfolgungen durch die Jesuiten – Siebenbürgen war ja inzwischen österreichisches Kronland und Winz außerhalb des Königsbodens – zwangen die Gruppe jedoch 1767 zur Flucht in die Walachei, woher sie 1770 einem Ruf der Zarin Katharina II, nach Russland folgte. Wegen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht flohen die kompromisslosen Pazifisten 1874 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Während des Ersten Weltkriegs kam es dort zu üblen Ausschreitungen gegen die Hutterer, so dass 1918 die meisten Gemeinschafter nach Kanada weiterwanderten. Dort führen nun diese seltsamen Glaubensbrüder endlich ein friedliches Leben nach ihren strengen mittelalterlichen Regeln und sprechen ihre altertümliche deutsche Sprache, in der es das Wort Hanklich gibt.

Dr. Hans Hager

Schlagwörter: Volkskunde, Gastronomie

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