20. Juni 2019

Preisverleihungen 2019 in Dinkelsbühl: Versöhner – Vermittler – Vorkämpfer

Stehende Ovationen für Altbischof D. Dr. Christoph Klein. Die gemeinschaftliche Geste der Anerkennung für eine herausragende Lebensleistung war gleichzeitig der emotionale Höhepunkt der diesjährigen Preisverleihungen am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Ganz ohne Frauenquote belief sich der Frauenanteil der Ausgezeichneten auf 50 Prozent. Den Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen erhielt Dr. Bernd Fabritius. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis wurden D. Dr. Christoph Klein und Dr. Irmgard Sedler ausgezeichnet. Nadia Codreanu nahm den Ernst-Habermann-Preis entgegen.
Der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Georg Aescht, begrüßt die Festgemeinde in der nahezu vollbesetzten Sankt-Pauls-Kirche, die Vertreter der verleihenden Verbände und Organisationen, die Preisträger und ihre Laudatoren, unter den Gästen namentlich den rumänischen Präsidialberater Dr. Sergiu Nistor, Christine Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Kulturministerium, den CSU-Bundestagsabgeordneten Artur Auernhammer und Dr. Johann Schneider, Regionalbischof von Halle-Wittenberg. Link zum Video Preisverleihungen in der St.-Pauls-Kirche während des Heimattages der Siebenbürger Sachsen 2019 in Dinkelsbühl. Video: Günther Melzer Die musikalische Umrahmung gestaltete ein instrumental begleitetes Vokalensemble unter der Leitung von Andrea Kulin (Mezzosopran), bestehend aus Dagmar Baatz (Mezzosopran), Fabian Lutsch (Tenor, Geige, Akkordeon), Philipp Lutsch (Sopran, Geige) und Bettina Wallbrecht (Sopran) mit Mundartliedern aus dem von Angelika Meltzer und Rosemarie Chrestels herausgegebenen Liederbuch „E Liedchen hälft ängden“.
Die besonders feierliche Atmosphäre der ...
Die besonders feierliche Atmosphäre der diesjährigen Preisverleihungen war in hohem Maße auch das Verdienst der berührenden Liedvorträge. Foto: Christian Schoger

Ehrenstern für herausragende juristische und politische Verdienste

Den Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen verleihen deren Mitgliedsverbände in Deutschland, Österreich, Siebenbürgen, den USA und Kanada seit 2009 an Persönlichkeiten, die sich um die Belange der Siebenbürger Sachsen in besonderer Weise und über das Wirkungsgebiet eines Mitgliedsverbandes hinaus Verdienste erworben haben. 2017 wurde diese Auszeichnung der Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm zuteil, 2019 nun dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, ehemaliger Bundesvorsitzender (2007-2015) und Verbandspräsident (2015-2018) des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.

Die Laudatio hielt kein Geringerer als Christoph Klein, dem diese Auszeichnung zehn Jahre zuvor überreicht wurde. Der Altbischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien würdigte die „Fülle der Verdienste“ von Bernd Fabritius „für die Siebenbürger Sachsen weltweit, für deren Gemeinschaft und ihre Kirche, und ebenso für seine angestammte Heimat Rumänien wie auch für die Bundesrepublik Deutschland“. Kein anderer Siebenbürger Sachse sei bisher in eine politisch so hoch angesiedelte Regierungsaufgabe der Bundesrepublik Deutschland berufen worden. Den Laudator beschäftigte in seiner feingeistigen Rede die Frage nach den Wurzeln der menschlichen und politischen Prägung des Geehrten. Klein nannte in dieser gleichsam biografischen Topographie zwei prägende „Erinnerungsorte“: Agnetheln, wo Fabritius 1965 geboren wurde, mit seiner Kirchenburg, dazu die gotische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt.

Der Laudator rekapitulierte die wichtigsten Etappen von Fabritius‘ beruflichem Werdegang, beginnend mit dem nach der Ausreise der Familie in die Bundesrepublik 1984 erfolgten Studium der Rechtswissenschaft einschließlich des Erwerbs des Titels eines Doktors der Jurisprudenz. In seiner juristischen Laufbahn habe sich Dr. Fabritius unermüdlich - und man darf hinzufügen, nicht selten in (vor-)kämpferischer Weise - eingesetzt für den Erhalt der Rechte seiner Landsleute in der Bundesrepublik Deutschland. Klein betonte dessen enge Zusammenarbeit mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien und der Heimatkirche, besonders im Amt als Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen. Hervorzuheben seien seine „energischen Bemühungen um die Durchsetzung der Entschädigungsdekrete“ wie „jene zugunsten der in die Sowjetunion Deportierten oder der evakuierten Landsleute“, und ebenso die vielfältige Unterstützung der sozialen und diakonischen Projekte durch die dafür ins Leben gerufene „Bavaria-Romania-Stiftung“, in bewährter Zusammenarbeit mit der zuständigen Staatsministerin Barbara Stamm.

Seine Berufung zum Präsidenten des Bundes der Vertriebenen 2014, wo er sich mit Aussiedler- und Spätaussiedlerfragen intensiv beschäftigte, sei eine „wertvolle Vorbereitung“ für sein gegenwärtiges hohes Amt als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Aufgrund seines Einsatzes „für das Rechte und das Recht als Gerechtigkeit in allen seinen Dimensionen“, so Klein, verwundere es nicht, „dass man ihn schon früh als Europäer und als Vermittler verstanden hat, dessen Vision der ‚Heimat ohne Grenzen‘ für seine Landsleute bei ihrer Identitätssuche wegweisend war“, ob in Deutschland, Österreich, den USA, in Kanada oder eben in Rumänien. Sein „echtes Anliegen“ sei stets gewesen, „teilende Tendenzen“, die diese Zugehörigkeit der anderen abstreiten, zu überwinden. Das sei „mehr als nur ein politisches Konzept eines überzeugten ‚Brückenschlägers über Grenzen hinweg‘, denn es beruht auf einer entscheidenden biblischen Botschaft der Christenheit“. Zu den zahlreichen, dringenden Aufgaben des Geehrten wünschte der Laudator ihm „Gottes reichen Segen, Gesundheit und Schaffenskraft, und das zusammen mit seiner ganzen Familie“.
„Mit Dank und Demut“ nimmt Dr. Bernd Fabritius ...
„Mit Dank und Demut“ nimmt Dr. Bernd Fabritius den Ehrenstern der Föderation von der Bundesvorsitzenden Herta Daniel entgegen im Beisein (von links) des Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, und des Bundesobmanns des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Manfred Schuller. Foto: Christian Schoger
Dr. Bernd Fabritius erklärte in seiner Danksagung, der Ehrenstern der Föderation erfülle ihn mit „Dank und Demut“, dies ob des Preises, des Laudators, des Gesagten und des Ortes. Er nehme die Auszeichnung „auch ein Stück weit für Erhard Graeff an“. Der langjährige Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland stehe für die Summe der Mitarbeiter und Mitstreiter, die ihn, als „Rebe im Weinstock“, unterstützt hätten.

Der Versöhnung verpflichteter Seelsorger, Lehrer und Bischof


Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen. Die bisher 80 Persönlichkeiten zuerkannte, höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen wird 2019 dem Theologen und Altbischof D. Dr. Christoph Klein sowie der Volkskundlerin und Museologin Dr. Irmgard Sedler zuteil.

Dr. Konrad Gündisch, selbst Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreisträger (2014), erinnerte eingangs seiner Laudatio an seine erste persönliche Begegnung als junger Gymnasiast mit Christoph Klein, damals Pfarrer, in den 1960er Jahren im Elternhaus. Seither habe er dessen Lebensweg mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgt. Die eingeräumte Redezeit reiche bei weitem nicht, eine so komplexe Persönlichkeit zu würdigen, beklagte der Historiker und bilanzierte das Wirken des Geehrten: mehr als fünf Jahrzehnte lang siebenbürgisch-sächsischer Pfarrer, über zwei Jahrzehnte lang Oberhaupt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Universitätsprofessor für Systematische Theologie am Hermannstädter Theologischen Institut und Gastprofessor der Universität Wien, Geschichtswissenschaftler, Produzent von wertvollsten Quellen zur siebenbürgisch-sächsischen Zeit- und Kirchengeschichte, etwa der „Gesamtkirchenvisitation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (1990-2010)“.

Die Familie, in die Christoph Klein 1937 in Hermannstadt hineingeboren wurde, ist reich an Persönlichkeiten, wie Gustav Adolf Klein, Karl Kurt Klein, Hermine Pildner-Klein, Fritz Klein. Dies kurz erwähnend, sah der Laudator aus zeitlichen Gründen davon ab, Kleins weitere biographischen Daten zu referieren. Vielmehr skizzierte er die Herausforderungen, denen sich Christoph Klein pflichtbewusst gemäß der Devise „Beruf als Berufung“ stellte, in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext. In der „Diktatur des Proletariats“ der atheistischen Kommunisten änderte sich die traditionelle Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen tiefgreifend. Der Massenexodus zwang die vormalige Volkskirche zum Rollenwechsel zur Diasporakirche oder, in Kleins Terminologie, zur „Minoritätenvolkskirche“.

Fortwährend stand Christoph Klein in Verantwortung „für eine in schwere Nöte geratene Gemeinschaft“: seit 1959 als Pfarrer in Katzendorf und Stadtpfarrer in Hermannstadt, seit 1968 als Lehrender (1969 theologische Promotion) und Dekan (1979-1986) am Theologischen Institut, seit 1982 als Bischofsvikar. Kurz nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur wurde Dr. Christoph Klein im Juni 1990 zum 35. Bischof der Evangelischen Kirche A.B. gewählt, einer Kirche, die, wie der Historiker Gündisch hervorhob, binnen weniger Monate sechs Siebentel ihrer Mitglieder durch Aussiedlung verloren hatte. Klein erkannte die nun vordringlichen Aufgaben und handelte konsequent: Es galt den Menschen Halt zu bieten, sie geistlich und diakonisch zu begleiten; daher die Gründung des „Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien“, die Einrichtung von Altenheimen, die Organisation der Betreuung von Pflegebedürftigen, Alleingebliebenen und Kindern.

Zudem musste die Kirche umstrukturiert werden. Die neue, 1997 beschlossene Kirchenordnung wurde 2006/07 überarbeitet und staatlich anerkannt. Ausgehend von Kleins „Konzept der versöhnten Verschiedenheit und der ökumenischen Vielfalt“ habe sich seine Kirche intern und international, aber auch auf lokaler Ebene für gelebte Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften des Landes eingesetzt. Dafür habe sie hohe Anerkennung im Land, in Europa, in der Welt erhalten, unterstrich Gündisch und führte weiter aus: Als weitere „zentrale Aufgabe erkannt wurde die Rückgabe, Rettung und Sicherung von kirchlichem Kulturgut […]. Wenn man nur an die Kirchenburgen, Altäre, Vasa sacra, Archivalien, an das Brukenthal-Museum und Ähnliches denkt, erkennt man, wie wichtig dieser Aspekt des Wirkens von Christoph Klein und seinen Mitarbeitern für die Bewahrung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes gewesen ist.“ Beispielhaft verwies der Laudator auf das zu Bischof Kleins Amtszeit gegründete Kultur- und Begegnungszentrum „Friedrich Teutsch“ mit Museum, Archiv und Bibliothek.
Mit stehenden Ovationen gefeiert: der ...
Mit stehenden Ovationen gefeiert: der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträger Altbischof D. Dr. Christoph Klein, ihn umgebend (von links) Laudator Dr. Konrad Gündisch sowie die Vorsitzenden der den Kulturpreis verleihenden Verbände der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Manfred Schuller, und Deutschland, Herta Daniel. Foto: Christian Schoger
Dieses „außerordentliche und vielfältige Engagement“ von Christoph Klein gründe zweifellos auf seinem Glauben und auf seinem theologischen Werk, dessen großes Thema die Versöhnung sei: Versöhnung innerhalb der Gemeinde, innerhalb der evangelischen Kirche, Versöhnung zwischen der kirchlichen und der politischen Führung der Sachsen, Versöhnung mit anderen Glaubensgemeinschaften, Versöhnung zwischen den Ausgesiedelten und den Daheimgebliebenen. Gündisch schlussfolgerte, auf den Geehrten bezogen: „Ein Versöhner ist ein Brückenbauer, ein Pontifex.“ Demzufolge habe es Christoph Klein wohl als einen Höhepunkt seines Wirkens in diesem Bereich empfunden, dass er im September 2007 in Hermannstadt die Dritte Ökumenische Versammlung im Beisein von rund 2500 Delegierten aus 125 christlichen Kirchen Europas zusammen mit dem orthodoxen Metropoliten Laurentiu Streza eröffnen konnte.

Altbischof D. Dr. Christoph Klein dankte Konrad Gündisch für „seine zu Herzen gehende, berührende Laudatio“, zudem seiner Familie für ihren unverzichtbaren Beistand. Zu diesem Ereignis der Kulturpreisverleihung habe er einen besonderen „personalen, ja emotionalen Bezug“, da vor genau 50 Jahren sein Onkel Karl Kurt Klein die gleiche Auszeichnung erhalten habe. Klein bestätigte die Aussagen des Laudators, „Versöhnung“ sei zu seinem Lebensthema geworden, von dem her sein gesamtes Wirken für Kirche und Gemeinschaft zu verstehen sei. Die „dreifache Motivation“ für sein Handeln finde sich in dem Kirchenlied „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen“. Mit dem „Werk der Hände“ verknüpfte der Theologe insbesondere auch die Übernahme der „Verantwortung für unser reiches Kulturgut“. Klein beschloss seine Danksagung mit der Aufforderung zum Lob Gottes: „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen“ – die Festgemeinde erhob sich und klatschte Beifall.

Leidenschaftliche Museologin mit immensem fachwissenschaftlichen Spektrum

Dr. Irmgard Sedler, heißt es in der Preis-Urkunde, „hat durch ihren grundlegenden wissenschaftlichen Beitrag auf dem Gebiet der Kulturgeschichte, der Volkskunde und Kunst, durch ihr maßgebendes Wirken als Museumswissenschaftlerin sowie ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement als Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim und in wissenschaftlichen Kommissionen die kulturelle Leistung und die Werte in diesen Bereichen unserer siebenbürgischen Gemeinschaft bleibend, grenzüberschreitend, im europäischen Kontext verankert“.

Die Würdigung der Preisträgerin übernahm der Kulturhistoriker und Volkskundler Dr. Matthias Henkel in einer erfrischend persönlich gehaltenen Laudatio, die Wesen und Tun der Geehrten zu fassen suchte. Henkel begann seine Annäherung beim Begriff Heimat, nahm dabei sowohl Sedlers wissenschaftliche Beheimatung im „donau-monarchisch“ Südöstlichen, als auch ihre biografische Herkunft in den geschickt entfalteten „poly-perspektivischen Blick“. Die 1951 in Alzen geborene Preisträgerin entstammt einer Familie mit Generationen von Baumeistern, Malerinnen und Malern, Grafikern und Druckern; daher vielleicht auch, so mutmaßt der Laudator, ihr „treffender Blick „für’s Wesentliche“ und „für’s Proportionale“. Ihr „erforschender Blick“ gelte vor allem dem „Alltag der sog. ‚Kleinen Leute‘“.

Im Jahr 1991 reist Irmgard Sedler nach Deutschland aus. Halt gibt ihr ihre Familie, ihr Gatte Werner ist „nicht nur Partner ihres Lebens, sondern eben auch konzeptioneller Beiträger in ihrer Arbeit“, konstatiert Dr. Henkel. Daneben nannte der Laudator weitere „wichtige“ Menschen in Sedlers wissenschaftlicher Karriere: Oskar Moser und Franz Lipp, die ihr bei der Einrichtung des Landler-Museums in Bad Goisern zur Seite standen, der Historiker Thomas Nägler, ihr akademischer Doktorvater, Prof. Dr. Franz Grieshofer, Volkskundler der Universität Wien.

Zudem von entscheidendem Einfluss auf das Leben und Wirken Sedlers seien Institutionen gewesen, in erster Linie das Brukenthalmuseum in Hermannstadt, dann freilich auch das Siebenbürgische Museum Gundelsheim und der Kleihues Bau in Kornwestheim, der sich „erst durch ihr Herz, durch ihre Hand und durch ihren Verstand zu einem echten Museum entwickeln konnte, mit einer veritablen Sammlung und einem ambitionierten und international ausgerichteten Ausstellungsprogramm“.
Die Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträgerin ...
Die Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträgerin Dr. Irmgard Sedler zeigt ihre Auszeichnung, flankiert von (von links) ihrem Laudator Dr. Matthias Henkel, Manfred Schuller und Herta Daniel. Foto: Christian Schoger
In einer neuerlichen Blick-Erweiterung würdigte der Laudator Sedlers breites fachwissenschaftliches Spektrum: Volkskunde, „immer mit einem Seitenblick auf die Kunstgeschichte“; die Beschäftigung mit Kleidung und allgemein mit Textilien; die bildende Kunst der vergangenen 100 Jahre. Ihre Publikationsliste umfasse über zehn eng beschriebene Seiten. Dies alles zu schaffen brauche „Hartnäckigkeit und Ausdauer und vor allem Leidenschaft […] und Liebe zum Detail“. Daher könnten „wir alle hier Versammelten nur sehr herzlich gratulieren“ zur höchsten Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen, befand Dr. Matthias Henkel.

Die Preisträgerin zeigte sich sichtlich bewegt und berührt von der vorangegangenen Würdigung (fühlte sich wie in einem „Spiegelbild“ erkannt). Sedler schloss in ihrer trotz angeschlagener Stimme frei gesprochenen Danksagung neben dem Preisgericht und dem Laudator ihre Familie und die „ganze Gemeinschaft“ ein. Sedler erinnerte sich an berufliche Sternstunden und bekannte, sie sei, geprägt von ihren heimatlichen Wurzeln, zeitlebens auf der „Suche nach Schönheit“ gewesen. „Was uns Siebenbürger ausmacht?“, fragte Sedler und antwortete: „in die Tiefe gehen, das Leben im Heute“.

Bildungsvermittler in multiethnischem Umfeld

Der Ernst-Habermann-Preis wurde 1989 von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung ins Leben gerufen, um junge Wissenschaftler und Künstler zu fördern. Er ist mit 3000 Euro dotiert und wird verliehen für überdurchschnittliche Arbeiten, die Siebenbürgen, die Siebenbürger Sachsen oder deren Belange behandeln. In diesem Jahr wird für das siebenbürgische Pfadfinderzentrum Leschkirch / Scout Center Nocrich dessen Leiterin Nadia Codreanu ausgezeichnet. Die 1990 in Chișinău (Moldau) geborene Preisträgerin hat in Klausenburg und Bukarest internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa studiert. Seit 2017 leitet sie das 2010 gegründete Pfadfinderzentrum Leschkirch, mit dem sie dazu beiträgt, dass siebenbürgisch-sächsische materielle Kultur und Tradition bewahrt und an die junge Generation – nicht nur die siebenbürgisch-sächsische und nicht nur an jene in Rumänien – weitergegeben wird.

Helmuth Hensel hob in seiner Laudatio die wichtige Aufgabe des Pfadfinderzentrums als „Bildungszentrum in der Dorfgemeinschaft Leschkirch im Bereich Allgemeinbildung und Handwerk, insbesondere der Töpferei“ hervor. Dies sei umso bedeutungsvoller angesichts des nach dem Exodus der Siebenbürger Sachsen Ende des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Vakuums in der Dorflandschaft, des „massiven Verfalls der siebenbürgisch-sächsischen Kulturgüter vor Ort, speziell an den jahrhundertealten privaten und Gemeinschaftsimmobilien“. Gerade in diesem Kontext träten die Pfadfinder in Leschkirch „als Bildungseinheit inmitten der sich rasch ausbreitenden Roma- und Sinti-Gesellschaft sehr positiv auf“, stellte der Laudator fest. Deren Arbeitsleistung beruhe hauptsächlich auf dem Volontariat der weltweiten Pfadfinder auch unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Schwerpunkt ihrer Bildungsarbeit sei das Unterrichten der Ortsgeschichte, Siebenbürgen erschließend. In Planung seien das holzverarbeitende und das Maurer-Handwerk. Durch ihre „unermüdliche Arbeit“ hätten sich die Pfadfinder bei Schulung und Aufklärung verdient gemacht, unterstrich Hensel. Die Leiterin Nadia Codreanu nahm den Preis mit einem „Danke“ strahlend entgegen.

Verleihung des Ernst-Habermann-Preises 2019: ...
Verleihung des Ernst-Habermann-Preises 2019: Nadia Codreanu präsentiert mit dem Laudator Helmuth Hensel die Preis-Urkunde. Foto: Christian Schoger
Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Af deser Iërd“ klangen die diesjährigen Preisverleihungen in feierlicher Harmonie aus. Die Festgemeinde spendete allen Akteuren kräftigen Applaus.

Christian Schoger

Schlagwörter: Heimattag 2019, Dinkelsbühl, Preisverleihungen, Ehrenstern, Föderation, Bernd Fabritius, Kulturpreis, Klein, Bischof, EKR, Kirche, Gündisch, Sedler, Volkskunde, Siebenbürgisches Museum, Henkel, Ernst-Habermann-Preis, Leschkirch, Herta Daniel, Hermannstadt

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