13. Januar 2010

Zum Tod des bedeutenden Entwicklungsökonomen Prof. Dr. Bruno Knall

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bruno Knall, „Gründer einer eigenen entwicklungsökonomischen Schule“ (Rhein-Neckar-Zeitung), ist bereits am 15. November 2009 im Alter von 85 Jahren verstorben. Die Trauerfeier für den gebürtigen Hermannstädter fand am 26. November in der Friedhofskapelle in Nußloch, einer Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis, statt. Ein Vierteljahrhundert lang, von 1968 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1992, hat Bruno Knall am Südasien-Institut der Universität Heidelberg als ordentlicher Professor für Wirtschaftswissenschaften Entwicklungsökonomie gelehrt. Mit außerordentlichem Erfolg. In seiner in Nußloch gehaltenen Gedenkrede bekundete Dr. Hans Christoph Rieger „im Namen der vielen Schüler, Mitarbeiter und Kollegen“ des Verstorbenen große Dankbarkeit. Bewegende Worte fand auch Dr. med. Roland Phleps, der sich in seinem Nachruf auf gemeinsame Schuljahre am Brukenthal-Gymnasium zurückbesinnt. Lesen Sie im Folgenden zunächst die leicht gekürzte Gedenkrede und im Anschluss den Nachruf.
Dies soll keine Rede der Trauer sein, denn über die Erlösung von seiner schweren Krankheit und der künstlichen Ernährung kann man nur erleichtert sein. Vielmehr nutze ich die Gelegenheit, an Bruno Knall zu erinnern und unsere Dankbarkeit auszusprechen - Dankbarkeit dafür, dass wir ihn zu Lebzeiten als Chef, als Kollege und als Freund kennen und miterleben durften. Ich bin Herrn Professor Knall zum ersten Mal vor über 40 Jahren in Nepal persönlich begegnet, obwohl er mir damals schon aus seinen Schriften bekannt war. Als er 1968 nach Heidelberg kam und sogleich eine Reise nach Nepal antrat, war ich gerade in Indien tätig und flog zu ihm nach Kathmandu. Schließlich war er über Nacht mein Chef geworden. Obwohl ich Nepal von einem früheren Einsatz schon leidlich kannte, lernte ich bei diesem Besuch sehr viel von Professor Knall. Er zeigte mir zum ersten Mal Pashupathinath am Bagmatifluss, eine heilige Stätte der Hindus. Ich ahnte damals nicht, welche Rolle dieser Ort in seinem späteren Leben – und auch jetzt noch nach seinem Tod –spielen würde. Die Asche seiner viel zu früh verstorbenen Frau wurde 1992 von ihm im Bagnati verstreut, und, wie ich höre, soll Bruno Knalls Asche nun auch am gleichen Ort in seinem Nepal den Fluten des gleichen Flusses übergeben werden.

Professor Knall hatte 1968 die Abteilung für Wirtschaftswissenschaft am Südasien-Institut übernommen, nachdem ihn die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften berufen hatte. Er leitete diese Abteilung bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1992. Knall erkannte, dass das wirtschaftliche Zurückbleiben der Länder Südasiens nicht allein auf mangelnde Effizienz und Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf kulturelle Faktoren wie Kastenordnungen und Religionen zurückgeführt werden muss. Besonders betonte er dabei immer wieder die wichtige Rolle der Bildung und Ausbildung, die in Ländern ohne großen Kapitalstock die Nutzung und Ausnutzung der wichtigsten Ressource darstellt. Diese Erweiterung der Aspekte der harten Wirtschaftstheorie begründete die Umwandlung seiner Abteilung in eine Abteilung Entwicklungsökonomie. Durch seine Reise-, Forschungs- und Beratungstätigkeit in Asien und in anderen Erdteilen hat Bruno Knall natürlich viele Erfahrungen sammeln können, die er – wie er oft sagte –„aus dem Nähkästchen plaudernd“ an seine Schüler weitergab. Denn Bruno Knall konnte uns verraten „wie der Hase läuft“.
Verstorben: Der Wirtschaftswissenschaftler ...
Verstorben: Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Bruno Knall, im Bild bei einem Vortrag im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 1996 in München. Foto: Hans-Werner Schuster
Ein Außenstehender dieser Abteilung schrieb mir gerade aus Bangkok: „Unter den Ordinarien war Bruno Knall ein Pionier. Er optierte für die flache Hierarchie und förderte Teamgeist und Teamarbeit. Er ist mir in Erinnerung als konstruktiver, heiterer und ausgleichender Senior-Kollege, jeglichen Intrigen abhold“. Andere Antworten auf meine kryptische Mittelung des Todes von Bruno Knall betonen das Fehlen sogenannter „professoraler Allüren“. Zitat: „Ich verdanke ihm das Leitbild eines uneitlen, ehrlichen, offenen, loyalen Chefs. Ganz nebenbei agierte er auch als väterlicher Freund. Dass ich ihn kennen lernen und in der Folge mit ihm arbeiten, reisen, lachen (und ganz selten mal streiten) durfte, zähle ich zu den positiven Zufällen meines Lebens. Ich hätte ihm das gerne noch einmal persönlich gesagt. Aber vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, dass wir anderen davon berichten“. (…) Inzwischen sind die ehemaligen Schüler und Mitarbeiter von Bruno Knall an vielen wichtigen Schaltstellen der internationalen Entwicklungspolitik vertreten: im Kanzleramt in Berlin, im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit und in der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Sie sind in der Lehre und Forschung der Entwicklungsökonomie tätig und arbeiten in politischen Stiftungen und verschiedenen internationalen Organisationen wie im Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Es erreichen mich Schreiben u. a. aus Washington, Istanbul, der Ukraine, Südindien, Thailand Bangladesh und China.

Bruno Knall wird für seine Menschlichkeit in Erinnerung bleiben. Einer schrieb: „Wenn man die betroffenen Reaktionen in den diversen Mails nun so mitliest, ist es doch bemerkenswert, welche tiefen und anhaltenden Spuren vor allem seine Menschlichkeit bei uns allen hinterlassen hat. Dies steht fast überall im Vordergrund der Erinnerung – und genau diese Eigenschaft zeichnet ihn wohl auch vor vielen anderen besonders aus. Ich weiß nicht, ob man Vergleichbares noch oft findet in dieser Zeit, die – auch in seinem Fachbereich- vor allem durch immer höhere Umdrehungszahlen gekennzeichnet ist, ohne dass dies auch notwendigerweise zu einem Mehr an Substanz und Qualität führte.“ - Nun hat er seine leibliche Hülle abgestreift. Seine Asche hat nur symbolischen Charakter als Fokus der Erinnerung. Sein Geist lebt aber weiter, gerade auch in der Tätigkeit der Menschen, die ihn kannten und von ihm geleitet wurden und die von ihm gelernt haben.

Dr. Hans Christoph Rieger


Freund mit unbestrittener Autorität

Wir alle sind, könnte man sagen, zum Abschied von Bruno Knall, unserem Wuzo, hier zusammengekommen. Dieser Abschied reicht aber schon lange zurück, denn wir haben erleben müssen, wie dieser liebe Mensch über Jahre hin sich immer weiter von uns fort und aus der bewusst wahrgenommenen Welt hinaus bewegt hat in Siechtum, Verfall und Verlöschen. - Ihm gilt nicht nur heute unser Gedenken, Denken an seinen Lebensweg, an Fakten und Leistungen, mit dem Bild in unserem Gedächtnis, MEMORIA. Mir ist hier und heute das Erinnern wichtig, bei dem es um Bilder in unserem Innern, in unserem Herzen geht – RECORDATIO. Wir sind als Fünfzehnjährige zusammen in die Quinta der Brukenthalschule gekommen, ein Haufen oft ungebärdeter Pubertierender, eher bemüht, stramme Kerle zu sein, als Wissen zu erwerben. Wuzo war anerkannt, ohne Geltungsstreben, ein prima Sportler, vor allem aber ein verlässlicher, uneigennütziger Kamerad. Er hatte die richtige Art, mit Jüngeren, den „Pimpfen“, umzugehen, er war deren Freund und hatte zugleich unbestrittene Autorität. Seine Schulklasse war für ihn wie eine Familie, in der er sich wohl fühlte und für die er sich einsetzte; er war der Initiator und Spiritus rector des „Septima-Codex“ (Protokollbuch der Klasse). Er war frei, sich für das einzusetzen, was ihm wichtig war, und in Fächern wie Französisch bei Haba nur das Allernötigste zu tun. Später sagte er, dass er Haba um Verzeihung bitten und ihm dankbar sein müsste, denn mit seinem Basisfranzösisch sei er nach dem Krieg besser zurechtgekommen, als andere Kriegsgefangene in Frankreich.

Was an Potential und eisernem Willen in ihm steckte, hat er auch nach dem Krieg bewiesen. Er hat, um als „Displaced Person“ in Frankreich bleiben zu können, und um nicht nach Rumänien abgeschoben zu werden, ein Jahr lang Schwerstarbeit am Hochofen in Nordfrankreich geleistet Er hat dann an der Universität während eines Jurastudiums so hervorragende Leistungen erbracht, dass er an der berühmten „Science Po“ (Science Politique) in Paris weiter studieren durfte, und seine akademische Laufbahn allein durch Zähigkeit und Tüchtigkeit bis zur Professur und zu Lehrstühlen in Kiel und Heidelberg durchmessen, als anerkannter Wissenschaftler, geschätzter Experte und begeisternder Lehrer. Und er blieb in all den Jahren unser Freund, fröhlich, herzlich zugewandt, unprätentiös. Die Flasche Champagner, die er uns als Student 1948 nach Tübingen mitbrachte, explodierte über dem Steinenberg, als er sie öffnete - und Wuzo lachte.

Wir Schulfreunde erinnern uns an ihn bei unseren vielen Klassentreffen, davon eines bei ihm in Wiesloch, erinnern uns an die ersten Zeichen seines Nachlassens, dann den schrecklichen Schlaganfall und an sein jahrelanges Siechtum und an das letzte Aufflackern seiner herzlichen Zuwendung. Was bleibt? Solange wir noch leben, die ihn gekannt und geliebt haben, ihn zum Freund hatten, wird sein Bild in unserem Herzen lebendig sein. Diese Spur bleibt. Und das ist genug.

Dr.med. Roland Phleps

Schlagwörter: Wissenschaft, Wirtschaft

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