1. Oktober 2024
Heimattag in Wels erinnert an Flucht und Evakuierung 1944 - ein Bekenntnis zur Gemeinschaft, ein Fest der Begegnung
Landsleute aus allen Teilen der Alpenrepublik, auch aus Deutschland, Siebenbürgen, der Schweiz, versammelten sich vom 20. bis 22. September im oberösterreichischen Wels, um gemeinsam den 14. Heimattag des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich zu begehen. Der vorangegangene 13. Heimattag lag immerhin bereits zwölf Jahre zurück. Das dreitägige Fest der Begegnung stand unter dem Motto „80 Jahre Siebenbürger Sachsen in Österreich“ im Zeichen des Erinnerns an Flucht und Evakuierung 1944. Wie wohltuend wirkte sich das konstant vorherrschende Kaiserwetter auf das kollektive Stimmungsbarometer aus, umso mehr als das Großereignis in Wels in bewegter Zeit stattfand: zwischen einem verheerenden Hochwasser, das Mitte September vor allem Niederösterreich schwer getroffen hatte, und der Nationalratswahl in Österreich am 29. September.
Den Auftakt machte am Freitagabend die Gedenkveranstaltung „Vor 80 Jahren – den Wurzeln entrissen“ im Minoritenkloster Wels, ein dem Anlass entsprechend würdiger, ob seiner sakralen Geschichte ehrwürdiger Veranstaltungsort. Hier konnte Konsulent Manfred Schuller, Bundesobmann des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und Obmann des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich, zahlreiche Gäste begrüßen. Nicht nur aus einem einzigen Grund habe der Verband dieses Gedenkjahr ausgerufen, erklärte Schuller in seiner Begrüßungsansprache, nicht nur aufgrund der 80 Jahre, seit Eltern und Großeltern sich aus dem fernen Siebenbürgen ins Ungewisse aufgemacht hatten. Auch sei die Erlebnisgeneration in Österreich „schon so klein geworden“ und der letzte Heimattag in Österreich liege zwölf Jahre zurück. Ein weiteres Motiv sei die Erinnerungskultur: „um nicht zu vergessen, um nicht aus der Geschichte vertrieben zu werden und schlichtweg, um nicht unsere Kultur zu vergessen“. In diesen „so umtriebigen, unsicheren Zeiten, in der sich Völker oder Länder nicht mehr verstehen und es zu Unruhen, ja sogar zu Kriegen kommt, in denen Politiker auch nicht mehr wissen, wie sie es recht machen sollen und um das Vertrauen der Menschen ringen, ja, in diesen Zeiten ist es nicht leicht, das Leben zu bestreiten und zu meistern. Haben wir vergessen, wie es in den letzten Hunderten von Jahren unseren Vorfahren ergangen ist? Haben wir gelernt daraus? In den vergangenen 110 Jahren mit zwei Weltkriegen und Millionen Flüchtlingen! Immer und immer wieder erinnern wir uns an das, was mal war – aber wie geht es uns morgen?“ Eindringliche Worte aus besorgtem Gegenwartsbewusstsein. Der Bundesobmann hieß die rund 250 Saalgäste herzlich willkommen, darunter Vertreter aus Politik und Kirche, Vereinen und Verbänden, und eröffnete den 14. Heimattag und zugleich den 12. Siebenbürgischen Kulturherbst in Oberösterreich.
Renate Bauinger, eine Expertin in den Bereichen der Landlergeschichte und der Kirchengeschichte, strich das Bemühen heraus, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Siebenbürger Sachsen, an ihre Ankunft in Österreich wach zu halten, ebenso an die von ihnen in den 1960er und 1970er Jahren gebauten evangelischen Kirchen. Das geschehe etwa in dem von ihr geleiteten Evangelischen Museum Oberösterreich in Rutzenmoos. Gerade am nächsten Wochenende werde 60 Jahre Evangelische Kirche Haid gefeiert. Bauinger monierte, dass heute diese Geschichte in den Schulen „viel zu wenig weitergegeben wird in den Religionsbüchern“.
Anders sei die Situation in Deutschland, wo die evangelische Kirche keine Minderheitenkirche sei wie in Österreich, strich Ingrid Schiel heraus. In der evangelischen Kirche engagierten sich seit Langem Pfarrer aus Siebenbürgen, gut integriert wie generell die Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Die Wahrnehmung der Moderatorin, wie nüchtern und gefühlsarm der Zeitzeuge Ohlers doch berichtet habe, bestätigte Schiel: „Die Berichte, die wir im Archiv haben, sind genau so abgefasst, nüchtern, ohne Emotion. Es habe an Psychologen gemangelt, „um diesen traumatisierten Menschen zu helfen“. Für das Siebenbürgen-Institut sei es sehr wichtig, diese Erinnerungen innerhalb der siebenbürgisch-sächsischen Kultur zu integrieren.“
Ausdrücklich als Pfarrer und Seelsorger angesprochen, zeigte sich Volker Petri mit der Thematik Erinnerung persönlich konfrontiert, besonders anlässlich von Beerdigungen und den Lebensgeschichten der Verstorbenen. Das Phänomen der schriftlich dokumentierten Emotionslosigkeit („männliche Nüchternheit“) erklärte der Theologe damit, dass in der patriarchalischen siebenbürgischen Gesellschaft „die Frauen und die anima, die Seele, kaum zu Wort gekommen“ seien. Schiel ergänzte, dass die im Siebenbügen-Institut aufbewahrten Berichte von Frauen durchaus ähnlich verfasst seien. Porr hob zudem das wachsende Interesse am Schicksal der Erlebnisgeneration hervor, das sich in der der zweiten Generation registrieren lasse. Es ist ein ganz natürlicher Zyklus, dass dieses Interesse erst in der zweiten Lebenshälfte wachse, und man versuche, „seine Eltern und Großeltern besser zu verstehen“.
Norbert Kapeller setzt sich für die Gründung eines Lehrstuhls für die Geschichte der Altösterreicher ein, „eingebettet in das Haus der Heimat in Wien in der Steingasse, in einem Lernort Österreich“. Ganz im Sinne der Aufgaben des VLÖ, des Dachverbandes, der am 14. Oktober im Parlament sein 70-jähriges Jubiläum feiert. Gerade in Österreich gebe es im Geschichtsunterricht in den Schulen, an den Universitäten kaum vermittelten Wissensstoff hierzu. Eine vor zwei Jahren in Auftrag gegebene Studie habe die weitestgehende Absenz des Themas Flucht und Vertreibung in den Schulbüchern festgestellt. Grundsätzlich fehle es an der „wissenschaftlichen Erforschung unserer Geschichte“. Am Lernort Österreich „wollen wir unsere Geschichte darstellen“.
Als Vizebürgermeisterin von Wels und als Patenschaft aller Heimatvertriebenen betonte Christa Raggl-Mühlberger das „starke Band“, das ihre Stadt seit 1963 mit Bistritz verbinde. Sie erinnerte daran, dass noch unter Bürgermeister Dr. Peter Koits, der anwesend war, am 27. September 2014 eine Städtepartnerschaft mit Bistritz unterzeichnet wurde und so habe man in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen dieser Partnerschaft gefeiert. Sie erinnere sich noch gut an ihre mit dem Motorrad unternommene Siebenbürgenreise. Die Menschen in Bistritz habe sie als „tanz- und feierfreudig“, aber auch „sehr ihren Traditionen und Bräuchen verbunden“ erlebt. Hinsichtlich der Prägung der Stadt sagte die FPÖ-Politikerin: „Die Siebenbürger Sachsen bereichern unsere Kulturlandschaft schon seit Jahrzehnten“ durch ihre Kulturveranstaltungen, nicht zuletzt auch kulinarisch, speziell das Krautwickleressen. Die Siebenbürger Sachsen hätten sich sehr gut integriert, „sie haben auch unsere Kultur und Bräuche angenommen“.
Die Auftaktveranstaltung des Heimattages fand nach zweistündigem Programm ihren Abschluss. Die Moderatorin bat überraschend noch Bundeskulturreferentin Ingrid Schuller auf die Bühne als Geste der Anerkennung für ihr großes, organisatorisches Engagement – entsprechend stark war der Applaus des Festpublikums. Ein Buffet bot anschließend die Gelegenheit zum Austausch über die ergreifende Lesung und inhaltsreiche, anregende Diskussion.
Die Siebenbürger Sachsen hätten in Österreich eine neue Heimat gefunden, in einer Zeit der Not „mit viel Mut, Vertrauen, einem gesunden Gottvertrauen“. Sie hätten angepackt und viel geleistet „für sich, ihre Familie, aber auch das gesamte Land“, sagte Stelzer und würdigte insbesondere die Aufbauleistung in Oberösterreich: „Davor haben wir großen Respekt und dafür möchten wir auch heute in aller Form ein großes ‚Danke‘ sagen.“ Von dem „Pioniergeist der Siebenbürger Sachsen“ könne man heute nur lernen und sich inspirieren lassen. In ihrer neuen Heimat seien die Siebenbürger Sachsen „ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft“, sie trügen zur Gemeinschaft und zum Zusammenhalt bei, gerade auch indem sie ihre Traditionen, ihre Geschichte nicht kappten, sondern vielmehr engagiert weiter lebten in den Vereinen und Nachbarschaften als „ein bereichernder Teil unserer Volkskultur“. Dies geschehe in einer Zeit in Europa, da „ein Leben in Frieden und Freiheit beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr ist“. Daraus erwachse uns die besondere Verantwortung, „dass wir dieses friedliche Zusammenleben weiter festigen und gestalten“. Landeshauptmann Stelzer beschloss seine Festrede mit guten Wünschen für die weitere Zukunft der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich.
Unterstaatssekretär Thomas Şindilariu äußerte sich mit Blick auf das Gedenken an Flucht und Evakuierung optimistisch für die Zukunft. Das liege auch daran, dass Rumänien „seine Rolle bei der Aufarbeitung der Grauen des 20. Jahrhunderts zunehmend besser spielt“, und erwähnte die Entschädigung der Russlanddeportierten und ihrer Kinder, Immobilienrückgaben bzw. Entschädigungen etc.
Dr. Paul Jürgen Porr übermittelte Grüße im Namen des gesamten Vorstandes des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und äußerte sich mit anerkennenden Worten zum Jubiläum: „80 Jahre sind ein Menschenalter. In diesen 80 Jahren haben Sie, Ihre Kinder und inzwischen auch Enkel hier viel geleistet und dazu möchte auch ich Ihnen ganz herzlich gratulieren.“
Der Präsident der Föderation und Bundesvorsitzende Rainer Lehni überbrachte die herzlichsten Grüße seitens der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen, in der die Verbände in Österreich, Deutschland, Siebenbürgen, Kanada und den USA vereint sind, wie auch der Landsleute in Deutschland. Das Heimattags-Mitwirken zahlreicher Siebenbürger Sachsen aus dem Verband in Deutschland, u.a. aus München, Ingolstadt, Nürnberg, Wiehl und Drabenderhöhe, sei. „ein für uns wichtiges Zeichen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“. Lehni hob „das Gemeinschafts- und Traditionsbewusstsein der Siebenbürger Sachsen in Österreich“ lobend hervor. Es sei zudem bemerkenswert, dass in diesem Jahr „wir Siebenbürger Sachsen gleich vier große Heimattage feiern durften“: in Dinkelsbühl in Deutschland, in Kitchener in Kanada, das Große Sachsentreffen in Hermannstadt und nun der Heimattag in Wels in Österreich. Den Blick in die Zukunft gerichtet, appellierte Lehni an die Landsleute in Österreich: „Geben Sie unsere Traditionen weiter. Vor allem in unseren Familien ist dieser Aspekt ganz wichtig. Nur wenn der Nachwuchs in der eigenen Familie mit unserer Gemeinschaft und Kultur aufwächst oder zumindest in Berührung kommt, ist es uns als Verband später möglich, diese in unserer Arbeit einzubinden. Sie alle können zu einer blühenden Zukunft der Siebenbürger Sachsen mit beitragen.“
Als Vertreter der Heimatkirche übermittelte Hauptanwalt Friedrich Gunesch stellvertretend für die Kirchenleitung und den Bischof Grüße auch aus Nordsiebenbürgen „im Namen und für die Menschen, die in dieser Kirche leben und von denen heute viele in Gedanken dabei sind“. Es sei ein „wunderbares Gefühl“, hier in Wels „drei Tage und vielleicht auch bis in die Nacht hinein unter dem Sternenhimmel Gottes vereint zu sein“. Gunesch bat in Anlehnung an den ehemaligen Pfarrer und Wortkünstler Walter Gottfried Seiler alias „Voltaire“: „Zählen Sie weiter auf uns und bleiben Sie uns weiterhin gewogen.“
Die Welser Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger erinnerte in ihrem Grußwort an die Flucht der Siebenbürger Sachsen vor 80 Jahren, an Heimatverlust, Enteignung und Entwurzelung. Gleichwohl hätten sie ihr schweres Schicksal gemeistert und sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut. Diesen Gedenktag wolle sie zum Anlass nehmen, „um Ihnen meine tiefe Wertschätzung und Dankbarkeit auszudrücken, denn Sie haben dieses Land aufgebaut und bereichern es mit Ihrem Engagement und Ihrer Kultur“. Zum Abschluss der Feier sang die Festgemeinschaft das Siebenbürgenlied und die Landeshymne von Oberösterreich „Hoamatgsang“.
Auf den Text- und Bild-Tafeln der Ausstellung wird der Weg der Siebenbürger Sachsen von der Evakuierung der Sachsen aus Nordsiebenbürgen im Herbst 1944, über die mehrjährige Zwischenstation in Oberösterreich und die Ansiedlung in den Bergbaugebieten des Rheinlandes und Westfalens 1953 dokumentiert. In Wels führte Rainer Lehni in die Ausstellung ein mit einem geschichtlichen Abriss des Evakuierungsverlaufes einschließlich der Siedlungsgründungen in Nordrhein-Westfalen. Für ihr Mitwirken an dieser Ausstellung dankte der Bundesvorsitzende allen Beteiligten aus NRW, vor allem der Landeskulturreferentin Heike Mai-Lehni, zudem Horst Göbbel für das Thema Evakuierung und Flucht sowie der Bundeskulturreferentin in Österreich, Ingrid Schuller, für den Bereich Österreich. Es sei „eine richtige grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ gewesen, so Lehni, der in seinen Dank auch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW einschloss, das die Erstellung dieser Ausstellung maßgeblich gefördert habe.
Äußerst stimmungsvoll verliefen nachmittags die publikumsträchtigen Darbietungen der verschiedenen Kultur- und Tanzgruppen vor der Stadthalle und in der Altstadt sowie das Gemeinschaftskonzert der Blaskapellen. Ein besonderes Gemeinschaftserlebnis mit Unterhaltung und Tanz bot der abendliche Herbstball in der Stadthalle mit der Musikband „Melody & Friends“ aus Würzburg.
Tag drei des Heimattages. Sonntagmorgen um 8.45 Uhr traf sich eine zahlreiche siebenbürgische Gemeinschaft zum Totengedenken mit Kranzniederlegung bei der Sigmarkapelle in Wels, das Pfarrer Johann Zey aus Sächsisch Regen geistlich gestaltete. In seiner Rede erinnerte Bundesobmann Manfred Schuller „an unsere auf den Kriegsschauplätzen gefallenen Angehörigen“, „aber auch an die auf der Flucht und in den Vernichtungslagern Umgekommenen und ebenso an unsere Angehörigen, die diese schwere Zeit mitgemacht und überlebt haben, bis sie auf den Friedhöfen einer neuen Heimat die ewige Ruhe fanden“. Es sei egal, welcher Herkunft die Gefallenen waren, „es bleiben blutende Wunden, gebrochene Herzen, verletzte Seelen, die verlorene Heimat und die Gräber der gefallenen Soldaten zurück, Mütter, die ihre Söhne verloren haben, Kinder ihre Väter, Frauen ihre Männer, unschuldige Zivilisten.“ Wir müssten „erkennen – und anerkennen –, dass unser Leben bis über sein Ende hinaus in einer höheren Ordnung eingebettet ist, in welcher der Tod nicht das Ende bedeutet, sondern, wie es alle großen Religionen verkünden, der Beginn einer anderen Form des Seins.“ Unter den anschließend niedergelegten Kränzen war auch einer des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.
Der 14. Heimattag in Wels fand seinen Abschluss mit einem Fest- und Gedenkgottesdienst in der voll besetzten evangelischen Christuskirche. Viele der Gottesdienstteilnehmer erschienen in Tracht. Die Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis hielt der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Michael Chalupka. Die Liturgie gestaltete Pfarrer Roland Werneck. Die Kollekte wurde aufgeteilt zugunsten der Kirchenrenovierung und des Projektes „Österreich hilft Österreich“. In seinem Schlusswort zum Heimattag dankte Bundesobmann Konsulent Manfred Schuller für die so zahlreiche Teilnahme und unterstrich die Botschaft, dass diese Gemeinschaft nur dank des Engagements jeder und jedes Einzelnen fortexistieren könne. Schließlich erging die Einladung zur Agape auf der Pfarrwiese. Und damit endete ein außerordentlich gelungener, vielfältiger und harmonischer Heimattag 2024 in Wels.
Musikalisch gestaltete Lesung ging unter die Haut
Vor der herannahenden Ostfront fliehend, verließen etwa 40 000 Nordsiebenbürger ab dem 9. September 1944 in Wagentrecks und Bahntransporten ihre Heimat; ihre Mehrzahl zog bis Oberösterreich, einige Trecks wurden nach Bayern weitergeleitet. 30 000 Flüchtlinge wurden in über 20 Landgemeinden der Bezirke Braunau, Ried, Eferding, Vöcklabruck, Gmunden, Linz-Land, Steyr-Land und Wels untergebracht. Durch Übersiedlungen nach Deutschland, Kanada und USA verringerte sich die Zahl der in Oberösterreich auf Dauer ansässig gewordenen Siebenbürger Sachsen bis 1950 auf ca. 20 000. Traumatische Flucht- und Evakuierungserfahrungen des ehemaligen Bürgermeisters von Tschippendorf, Simon Ohler, in seinem Erlebnisbericht über den Treck der Gemeinde Tschippendorf nach Vorchdorf in Oberösterreich dokumentiert, vermittelte Denis Riffels Lesung in eindrucksvoller, bedrückender Weise. Der 28-jährige deutsche Schauspieler mit beachtlichen Erfolgen auf Musical-Bühnen, verstand es, ausgewählte Textpassagen aus dem Zeitzeugenbericht packend vorzutragen und das Publikum in seinen Bann zu schlagen. Denis Riffel sang auch ein selbst komponiertes Lied zur eigenen Gitarrenbegleitung. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung von Christiane Oberleitner an der Harfe. Wort und Klang, menschliche und instrumentale Stimme, dazu auf die Bühnenwand projizierte, historische Fotografien und Informationstexte entwickelten im Raum ein symbiotisches Zusammenspiel. Hochverdient der kräftige Applaus für die beiden Künstler.Erinnern - auch eine Aufgabe von morgen
Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte die österreichische Journalistin Dr. Christine Haiden äußerst souverän. Als Podiumsteilnehmer stellte sie vor: Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Dr. Ingrid Schiel, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts und Leiterin der Siebenbürgischen Bibliothek mit Archiv, Renate Bauinger, Superintendentialkuratorin der Evangelischen Kirche A.B. in Oberösterreich, den Ehrenbundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Pfarrer HR Volker Petri, Ing. Norbert Kapeller, Präsident des Verbandes der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich (VLÖ), sowie Christa Raggl-Mühlberger (FPÖ), Vizebürgermeisterin von Wels, Patenstadt der Heimatvertriebenen. Dr. Christine Haiden führte in das Gesprächsthema „Erinnerungskultur „Gestern – Heute – Morgen‘“ ein und befragte dazu die Podiumsteilnehmer reihum. Paul Jürgen Porr fasste das Gestern in drei Worten zusammen: „Zwangsevakuierung, Heimatverlust, Not“. Kürzlich erst sei bei einer Gedenkfeier in Bistritz daran erinnert worden. Dabei hätten die in Südsiebenbürgen lebenden deutschen Landsleute durch die Russlanddeportation und schwerste Zwangsarbeit im Donezbecken ein noch härteres Schicksal gehabt. Angesprochen auf den Aspekt der Versöhnung, antwortete Porr: „Bis 1989 war dieses Kapitel tabu.“ Erst seit den 1990er-Jahren werde dieses dunkle Kapitel auch von rumänischen Historikern objektiv aufgearbeitet.Renate Bauinger, eine Expertin in den Bereichen der Landlergeschichte und der Kirchengeschichte, strich das Bemühen heraus, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Siebenbürger Sachsen, an ihre Ankunft in Österreich wach zu halten, ebenso an die von ihnen in den 1960er und 1970er Jahren gebauten evangelischen Kirchen. Das geschehe etwa in dem von ihr geleiteten Evangelischen Museum Oberösterreich in Rutzenmoos. Gerade am nächsten Wochenende werde 60 Jahre Evangelische Kirche Haid gefeiert. Bauinger monierte, dass heute diese Geschichte in den Schulen „viel zu wenig weitergegeben wird in den Religionsbüchern“.
Anders sei die Situation in Deutschland, wo die evangelische Kirche keine Minderheitenkirche sei wie in Österreich, strich Ingrid Schiel heraus. In der evangelischen Kirche engagierten sich seit Langem Pfarrer aus Siebenbürgen, gut integriert wie generell die Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Die Wahrnehmung der Moderatorin, wie nüchtern und gefühlsarm der Zeitzeuge Ohlers doch berichtet habe, bestätigte Schiel: „Die Berichte, die wir im Archiv haben, sind genau so abgefasst, nüchtern, ohne Emotion. Es habe an Psychologen gemangelt, „um diesen traumatisierten Menschen zu helfen“. Für das Siebenbürgen-Institut sei es sehr wichtig, diese Erinnerungen innerhalb der siebenbürgisch-sächsischen Kultur zu integrieren.“
Ausdrücklich als Pfarrer und Seelsorger angesprochen, zeigte sich Volker Petri mit der Thematik Erinnerung persönlich konfrontiert, besonders anlässlich von Beerdigungen und den Lebensgeschichten der Verstorbenen. Das Phänomen der schriftlich dokumentierten Emotionslosigkeit („männliche Nüchternheit“) erklärte der Theologe damit, dass in der patriarchalischen siebenbürgischen Gesellschaft „die Frauen und die anima, die Seele, kaum zu Wort gekommen“ seien. Schiel ergänzte, dass die im Siebenbügen-Institut aufbewahrten Berichte von Frauen durchaus ähnlich verfasst seien. Porr hob zudem das wachsende Interesse am Schicksal der Erlebnisgeneration hervor, das sich in der der zweiten Generation registrieren lasse. Es ist ein ganz natürlicher Zyklus, dass dieses Interesse erst in der zweiten Lebenshälfte wachse, und man versuche, „seine Eltern und Großeltern besser zu verstehen“.
Norbert Kapeller setzt sich für die Gründung eines Lehrstuhls für die Geschichte der Altösterreicher ein, „eingebettet in das Haus der Heimat in Wien in der Steingasse, in einem Lernort Österreich“. Ganz im Sinne der Aufgaben des VLÖ, des Dachverbandes, der am 14. Oktober im Parlament sein 70-jähriges Jubiläum feiert. Gerade in Österreich gebe es im Geschichtsunterricht in den Schulen, an den Universitäten kaum vermittelten Wissensstoff hierzu. Eine vor zwei Jahren in Auftrag gegebene Studie habe die weitestgehende Absenz des Themas Flucht und Vertreibung in den Schulbüchern festgestellt. Grundsätzlich fehle es an der „wissenschaftlichen Erforschung unserer Geschichte“. Am Lernort Österreich „wollen wir unsere Geschichte darstellen“.
Als Vizebürgermeisterin von Wels und als Patenschaft aller Heimatvertriebenen betonte Christa Raggl-Mühlberger das „starke Band“, das ihre Stadt seit 1963 mit Bistritz verbinde. Sie erinnerte daran, dass noch unter Bürgermeister Dr. Peter Koits, der anwesend war, am 27. September 2014 eine Städtepartnerschaft mit Bistritz unterzeichnet wurde und so habe man in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen dieser Partnerschaft gefeiert. Sie erinnere sich noch gut an ihre mit dem Motorrad unternommene Siebenbürgenreise. Die Menschen in Bistritz habe sie als „tanz- und feierfreudig“, aber auch „sehr ihren Traditionen und Bräuchen verbunden“ erlebt. Hinsichtlich der Prägung der Stadt sagte die FPÖ-Politikerin: „Die Siebenbürger Sachsen bereichern unsere Kulturlandschaft schon seit Jahrzehnten“ durch ihre Kulturveranstaltungen, nicht zuletzt auch kulinarisch, speziell das Krautwickleressen. Die Siebenbürger Sachsen hätten sich sehr gut integriert, „sie haben auch unsere Kultur und Bräuche angenommen“.
Die Auftaktveranstaltung des Heimattages fand nach zweistündigem Programm ihren Abschluss. Die Moderatorin bat überraschend noch Bundeskulturreferentin Ingrid Schuller auf die Bühne als Geste der Anerkennung für ihr großes, organisatorisches Engagement – entsprechend stark war der Applaus des Festpublikums. Ein Buffet bot anschließend die Gelegenheit zum Austausch über die ergreifende Lesung und inhaltsreiche, anregende Diskussion.
„Wir Siebenbürger Sachsen sind ein starkes Volk“
Bei Bilderbuch-Herbstwetter startete der Festzug am Samstagvormittag an der Stadthalle Wels. Knapp 500 Trachtenträgerinnen und Trachtenträger, Vertreter und Abordnungen diverser Vereine, Kultur- und Tanzgruppen aus Österreich, Deutschland und Siebenbürgen zogen durch die Altstadt, über den Stadtplatz wieder zurück zur Stadthalle. In den vorderen Reihen, hinter einem voranfahrenden Polizei-Streifenwagen, die Ehrengäste, an der Spitze Seit an Seit Bundesobmann Manfred Schuller und der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni. Auf dem Vorplatz der Stadthalle waren das Rednerpult für die Festansprache und Grußworte der Ehrengäste sowie Stuhlreihen aufgestellt worden. Die Teilnehmer des Trachtenumzugs standen blockweise und verfolgten die von der Trachtenkapelle Traun und Musikkapelle München-Landshut musikalisch begleitete Eröffnungsfeier. Der Bundesobmann des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Manfred Schuller, eröffnete den 14. Heimattag in Wels offiziell und begrüßte die Ehrengäste, allen voran seitens des Landes Oberösterreich den „unsere Arbeit seit Jahrzehnten fördernden Paten“, Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), Festredner der Eröffnung. Weiterhin hieß Schuller willkommen: die Vizebürgermeisterin die Patenstadt Wels Christa Raggl-Mühlberger, den Stadtrat von Wels Dr. Martin Oberdorfer, die Gemeinderäte Ludwig Vogl, Markus Wiesinger sowie Gemeinderätin Birgit Ebetshuber, als Mitbegründer der Städtepartnerschaft Wels – Bistritz Bürgermeister a.D. Dr. Peter Koits, als Vertreter der Geistlichkeit die Pfarrer Johann Zey aus Sächsisch Regen, Frank Schleßmann aus Mattighofen, Pfarrer i. R. Georg Zimmermann, Klaus Neugeboren aus der Schweiz sowie Pfarrer Dr. Rolf Binder; als Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien den Vorsitzenden Dr. Paul Jürgen Porr, den Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung, Thomas Şindilariu, sowie den Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, mit Begleitung. Ein herzlicher Gruß erging an den siebenbürgischen Unternehmer Michael Schmidt, dem der Bundesobmann „für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung durch die Michael Schmidt Stiftung“ dankte. Des Weiteren begrüßte Schuller den Präsidenten der Föderation der Siebenbürger Sachsen und Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni, mit Gattin, dazu die anwesenden Stellvertreter und Amtswalter des landsmannschaftlichen Verbandes in Deutschland; ferner u. a. seitens der Heimatortsgemeinschaft Bistritz und des Freundeskreises Wiehl – Bistritz Dr. Hans-Georg Franchy und Annemarie Wagner, den Obmann der Oberösterreichischen Landlerhilfe, Helmut Atzlinger, Ehrenbundesobmann Pfarrer Hofrat Volker Petri sowie alle anwesenden Nachbarväter, Nachbarmütter und Amtswalter und Amtswalterinnen auf Bundes- und Landesebene, nicht zuletzt all jene, „die diesen Tag durch ihre Mitwirkung tragen und prägen“, darunter eine große Abordnung aus Sächsisch Regen und Bistritz, die Landesverbände Wien, Niederösterreich und Burgenland, Steiermark, Kärnten, Tirol und Salzburg, aus Oberösterreich die Nachbarschaften, Volkstanzgruppen und Musikkapellen aus Mattigtal, Rosenau, Vöcklabruck, Gmunden-Laakirchen, Wels, Bad Hall, Sierning und Traun, aus Deutschland die Gruppen aus Ingolstadt, München, Rosenheim, die Gäubodener Sachsen, Landsleute aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland und die Blaskapelle München Landshut. All diese Formationen seien auf ihren Gebieten „Träger einer traditionellen Volkskultur, die in Siebenbürgen über Jahrhunderte gemeinschaftsbildend und prägend war“. „Blicken wir positiv in die Zukunft, wir Siebenbürger Sachsen sind ein starkes Volk, das hat uns die Vergangenheit bewiesen. Unsere Wurzeln sind noch in Siebenbürgen, die Geschichte hat uns geprägt, aber hier in Österreich sind wir zu Hause, seit 80 Jahren, und dafür sind wir dankbar“, unterstrich Manfred Schuller. Als solidarisches Zeichen „ist es uns ein Anliegen, einen Teil der Gottesdienstkollekte, Spenden und den Erlös des Bücherflohmarktes im ersten Stock für das Projekt „Österreich hilft Österreich“ zugunsten der Opfer der Flutkatastrophe zu spenden. Diese armen Menschen haben alles verloren und benötigen eine große Hilfsbereitschaft.“Landeshauptmann würdigt „Pioniergeist der Siebenbürger Sachsen“
Zu Beginn seiner Festansprache gratulierte Landeshauptmann Thomas Stelzer „zur gelungenen Organisation dieses Heimattages“. An diesen Tagen gehe es um die Geschichte, 80 Jahre Siebenbürger Sachsen, damit gehe es aber auch um die Geschichte Österreichs und letztlich auch um einen wichtigen Teil der europäischen Geschichte. Aus der Heimat vertrieben zu werden „ist ein Drama und ist ein Trauma“.Die Siebenbürger Sachsen hätten in Österreich eine neue Heimat gefunden, in einer Zeit der Not „mit viel Mut, Vertrauen, einem gesunden Gottvertrauen“. Sie hätten angepackt und viel geleistet „für sich, ihre Familie, aber auch das gesamte Land“, sagte Stelzer und würdigte insbesondere die Aufbauleistung in Oberösterreich: „Davor haben wir großen Respekt und dafür möchten wir auch heute in aller Form ein großes ‚Danke‘ sagen.“ Von dem „Pioniergeist der Siebenbürger Sachsen“ könne man heute nur lernen und sich inspirieren lassen. In ihrer neuen Heimat seien die Siebenbürger Sachsen „ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft“, sie trügen zur Gemeinschaft und zum Zusammenhalt bei, gerade auch indem sie ihre Traditionen, ihre Geschichte nicht kappten, sondern vielmehr engagiert weiter lebten in den Vereinen und Nachbarschaften als „ein bereichernder Teil unserer Volkskultur“. Dies geschehe in einer Zeit in Europa, da „ein Leben in Frieden und Freiheit beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr ist“. Daraus erwachse uns die besondere Verantwortung, „dass wir dieses friedliche Zusammenleben weiter festigen und gestalten“. Landeshauptmann Stelzer beschloss seine Festrede mit guten Wünschen für die weitere Zukunft der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich.
Unterstaatssekretär Thomas Şindilariu äußerte sich mit Blick auf das Gedenken an Flucht und Evakuierung optimistisch für die Zukunft. Das liege auch daran, dass Rumänien „seine Rolle bei der Aufarbeitung der Grauen des 20. Jahrhunderts zunehmend besser spielt“, und erwähnte die Entschädigung der Russlanddeportierten und ihrer Kinder, Immobilienrückgaben bzw. Entschädigungen etc.
Dr. Paul Jürgen Porr übermittelte Grüße im Namen des gesamten Vorstandes des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und äußerte sich mit anerkennenden Worten zum Jubiläum: „80 Jahre sind ein Menschenalter. In diesen 80 Jahren haben Sie, Ihre Kinder und inzwischen auch Enkel hier viel geleistet und dazu möchte auch ich Ihnen ganz herzlich gratulieren.“
Der Präsident der Föderation und Bundesvorsitzende Rainer Lehni überbrachte die herzlichsten Grüße seitens der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen, in der die Verbände in Österreich, Deutschland, Siebenbürgen, Kanada und den USA vereint sind, wie auch der Landsleute in Deutschland. Das Heimattags-Mitwirken zahlreicher Siebenbürger Sachsen aus dem Verband in Deutschland, u.a. aus München, Ingolstadt, Nürnberg, Wiehl und Drabenderhöhe, sei. „ein für uns wichtiges Zeichen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“. Lehni hob „das Gemeinschafts- und Traditionsbewusstsein der Siebenbürger Sachsen in Österreich“ lobend hervor. Es sei zudem bemerkenswert, dass in diesem Jahr „wir Siebenbürger Sachsen gleich vier große Heimattage feiern durften“: in Dinkelsbühl in Deutschland, in Kitchener in Kanada, das Große Sachsentreffen in Hermannstadt und nun der Heimattag in Wels in Österreich. Den Blick in die Zukunft gerichtet, appellierte Lehni an die Landsleute in Österreich: „Geben Sie unsere Traditionen weiter. Vor allem in unseren Familien ist dieser Aspekt ganz wichtig. Nur wenn der Nachwuchs in der eigenen Familie mit unserer Gemeinschaft und Kultur aufwächst oder zumindest in Berührung kommt, ist es uns als Verband später möglich, diese in unserer Arbeit einzubinden. Sie alle können zu einer blühenden Zukunft der Siebenbürger Sachsen mit beitragen.“
Als Vertreter der Heimatkirche übermittelte Hauptanwalt Friedrich Gunesch stellvertretend für die Kirchenleitung und den Bischof Grüße auch aus Nordsiebenbürgen „im Namen und für die Menschen, die in dieser Kirche leben und von denen heute viele in Gedanken dabei sind“. Es sei ein „wunderbares Gefühl“, hier in Wels „drei Tage und vielleicht auch bis in die Nacht hinein unter dem Sternenhimmel Gottes vereint zu sein“. Gunesch bat in Anlehnung an den ehemaligen Pfarrer und Wortkünstler Walter Gottfried Seiler alias „Voltaire“: „Zählen Sie weiter auf uns und bleiben Sie uns weiterhin gewogen.“
Die Welser Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger erinnerte in ihrem Grußwort an die Flucht der Siebenbürger Sachsen vor 80 Jahren, an Heimatverlust, Enteignung und Entwurzelung. Gleichwohl hätten sie ihr schweres Schicksal gemeistert und sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut. Diesen Gedenktag wolle sie zum Anlass nehmen, „um Ihnen meine tiefe Wertschätzung und Dankbarkeit auszudrücken, denn Sie haben dieses Land aufgebaut und bereichern es mit Ihrem Engagement und Ihrer Kultur“. Zum Abschluss der Feier sang die Festgemeinschaft das Siebenbürgenlied und die Landeshymne von Oberösterreich „Hoamatgsang“.
Vielfältiges Kulturprogramm und Festgottesdienst
Der Heimattag fand am Samstagnachmittag seine Fortsetzung mit der Eröffnung der Ausstellung „Heimat gesucht – Heimat gefunden“ im Kleinen Saal im ersten Stock der Stadthalle, ein Teil der gleichnamigen größeren Ausstellung, die in diesem Jahr beim Heimattag in Dinkelsbühl gezeigt wurde.Auf den Text- und Bild-Tafeln der Ausstellung wird der Weg der Siebenbürger Sachsen von der Evakuierung der Sachsen aus Nordsiebenbürgen im Herbst 1944, über die mehrjährige Zwischenstation in Oberösterreich und die Ansiedlung in den Bergbaugebieten des Rheinlandes und Westfalens 1953 dokumentiert. In Wels führte Rainer Lehni in die Ausstellung ein mit einem geschichtlichen Abriss des Evakuierungsverlaufes einschließlich der Siedlungsgründungen in Nordrhein-Westfalen. Für ihr Mitwirken an dieser Ausstellung dankte der Bundesvorsitzende allen Beteiligten aus NRW, vor allem der Landeskulturreferentin Heike Mai-Lehni, zudem Horst Göbbel für das Thema Evakuierung und Flucht sowie der Bundeskulturreferentin in Österreich, Ingrid Schuller, für den Bereich Österreich. Es sei „eine richtige grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ gewesen, so Lehni, der in seinen Dank auch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW einschloss, das die Erstellung dieser Ausstellung maßgeblich gefördert habe.
Äußerst stimmungsvoll verliefen nachmittags die publikumsträchtigen Darbietungen der verschiedenen Kultur- und Tanzgruppen vor der Stadthalle und in der Altstadt sowie das Gemeinschaftskonzert der Blaskapellen. Ein besonderes Gemeinschaftserlebnis mit Unterhaltung und Tanz bot der abendliche Herbstball in der Stadthalle mit der Musikband „Melody & Friends“ aus Würzburg.
Tag drei des Heimattages. Sonntagmorgen um 8.45 Uhr traf sich eine zahlreiche siebenbürgische Gemeinschaft zum Totengedenken mit Kranzniederlegung bei der Sigmarkapelle in Wels, das Pfarrer Johann Zey aus Sächsisch Regen geistlich gestaltete. In seiner Rede erinnerte Bundesobmann Manfred Schuller „an unsere auf den Kriegsschauplätzen gefallenen Angehörigen“, „aber auch an die auf der Flucht und in den Vernichtungslagern Umgekommenen und ebenso an unsere Angehörigen, die diese schwere Zeit mitgemacht und überlebt haben, bis sie auf den Friedhöfen einer neuen Heimat die ewige Ruhe fanden“. Es sei egal, welcher Herkunft die Gefallenen waren, „es bleiben blutende Wunden, gebrochene Herzen, verletzte Seelen, die verlorene Heimat und die Gräber der gefallenen Soldaten zurück, Mütter, die ihre Söhne verloren haben, Kinder ihre Väter, Frauen ihre Männer, unschuldige Zivilisten.“ Wir müssten „erkennen – und anerkennen –, dass unser Leben bis über sein Ende hinaus in einer höheren Ordnung eingebettet ist, in welcher der Tod nicht das Ende bedeutet, sondern, wie es alle großen Religionen verkünden, der Beginn einer anderen Form des Seins.“ Unter den anschließend niedergelegten Kränzen war auch einer des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.
Der 14. Heimattag in Wels fand seinen Abschluss mit einem Fest- und Gedenkgottesdienst in der voll besetzten evangelischen Christuskirche. Viele der Gottesdienstteilnehmer erschienen in Tracht. Die Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis hielt der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Michael Chalupka. Die Liturgie gestaltete Pfarrer Roland Werneck. Die Kollekte wurde aufgeteilt zugunsten der Kirchenrenovierung und des Projektes „Österreich hilft Österreich“. In seinem Schlusswort zum Heimattag dankte Bundesobmann Konsulent Manfred Schuller für die so zahlreiche Teilnahme und unterstrich die Botschaft, dass diese Gemeinschaft nur dank des Engagements jeder und jedes Einzelnen fortexistieren könne. Schließlich erging die Einladung zur Agape auf der Pfarrwiese. Und damit endete ein außerordentlich gelungener, vielfältiger und harmonischer Heimattag 2024 in Wels.
Christian Schoger
Schlagwörter: Heimattag, Wels, Rainer Lehni, Stelzer, Schuller
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