26. Mai 2001

Österreichisches Parlament offen für Minderheiten in Osteuropa

Bei einem Symposium über „Volksgruppenrechte und die europäische Integration“, das vom Verband der volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) am 18. Mai im Parlament in Wien veranstaltet wurde, hatten hohe politische Mandatsträger zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs Gelegenheit, mit den aus sieben Staaten der ehemaligen Donaumonarchie eingeladenen Vertretern der dortigen Deutschen direkte Gespräche zu führen und über deren Probleme und Anliegen unmittelbar informiert zu werden. Die Delegation aus Rumänien berichtete vom Verständnis der Bukarester Regierung für die dortigen Deutschen, aber auch von Animositäten bei der Bodenrückgabe.
In dem imposanten Ambiente des imperialen Prachtbaus an der Ringstraße Wiens und in Anwesenheit von Vertretern der Volksdeutschen Landsmannschaften, der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens stellte der seit Jahren als „Vertriebenensprecher“ aktive SPÖ-Abgeordnete Helmut Dietachmaier vor den 18 Delegierten aus Rumänien, Tschechien, der Slowakei, aus Slowenien, Kroatien, Ungarn, Jugoslawien und Polen sowie vor zahlreichen Abgeordnetenkollegen aller Parteien, ausgenommen die Grünen, zur Eröffnung fest, dass dem österreichischen Parlament seit jeher Volksgruppenvertreter angehört haben und dass der Dialog über Minderheitenfragen traditionell ein dem Hohen Hause vertrautes Thema darstelle. Minderheitenschutz im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit sei heute vertragliche Verpflichtung aller europäischen Länder, und Österreich fühle sich verantwortlich, diesen Schutz auch für die deutschen Minderheiten seiner Nachbarländer einzufordern, denn sie seien durch Jahrhunderte Träger österreichischer Kultur gewesen.
Für den verhinderten Gastgeber, den Präsidenten des österreichischen Nationalrats Dr. Heinz Fischer (SPÖ), formulierte in gleichem Sinne der Dritte Präsident Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) die Grundsätze der österreichischen Politik im genannten Bereich und wurde konkret: Die Benesch-Dekrete in Tschechien und in der Slowakei sowie die Anvoj-Beschlüsse in Jugoslawien seien menschenrechtswidrig und haben in einem Europa der Zukunft keinen Platz. Zu ersetzen seien sie durch Regelungen, die auf Vertrauen und Partnerschaft beruhen. Dem diene auch diese Veranstaltung, die er begrüße und der er eine Fortsetzung wünsche. Österreich sehe in den Nachfolgestaaten der Monarchie „Mitteleuropa“, dessen Gewicht als Staatengruppe bisher in der EU viel zu wenig erkannt werde.
Nachdem durch Erklärungen ähnlicher Art, denen sich auch freiheitliche Abgeordnete anschlossen, der inhaltliche Rahmen des Symposiums abgesteckt war, öffneten die Beiträge der Delegationen den Anwesenden ein vielfältiges, fallweise auch bedrückendes, durchwegs aber von Kulturtreue, Opferbereitschaft und auch persönlichem Mut geprägtes Bild der Realität in ihren Ländern und in ihrer Arbeit. Es ist eine Wirklichkeit mit zum Teil dramatischen Defiziten. Rechtlich geht es, neben der Abschaffung der Benesch-Dekrete und der Anvoj-Beschlüsse, um die Anerkennung als Minderheit bzw. als Volksgruppe, um fehlende Minderheitenschutzgesetze, um Entschädigungsansprüche und um Verwaltungsschikanen. Kulturell empfand man die von einigen Delegationen geäußerte Bitte um Schutz- und Föderungsmaßnahmen durch die Schaffung und Stützung deutscher Schulen als schmerzahften Ruf nach materieller und moralischer Hilfe. Dies gilt vor allem für Slowenien, Jugoslawien, Polen (Beskidenland) und, was überraschte, auch für Ungarn.
Die Delegation aus Rumänien – Peter Kottler und Horst Martin aus Temeswar, Paul Jürgen Porr aus Klausenburg und Martin Bottesch aus Mediasch für die Demokratischen Foren des Banats und Siebenbürgens, Eduard Mohr für den Verein der Buchenlanddeutschen in Radautz – konnten wohltuend vom Verständnis ihrer Regierung für die dortigen Deutschen und auch von staatlichen Förderungsmaßnahmen für deutsche Schulen und Organisationen berichten. Ein allgemeines Minderheitenschutzgesetz, das auch wegen der Roma-Bevölkerung wichtig wäre, gibt es aber immer noch nicht, ebenso ist auf der unteren Ebene der Verwaltung und fallweise auch in der Mehrheitsbevölkerung insbesondere im Zusammenhang mit der Bodenrückgabe Animosität gegenüber den Sachsen und Schwaben festzustellen. Dem ethnischen Zwist könne durch Wirtschaftsprojekte am besten entgegengewirkt werden, hier hätte Österreich eine Chance und solle mehr als bisher in Erscheinung treten.
Es war beeindruckend, mit welcher Selbsrtverständlichkeit sich die Landsleute aus dem Donau- und Karpatenraum als Träger deutscher Kultur und österreichischer Tradition empfinden und mit welcher Energie, aber auch mit welchen Erwartungen sie für diese Werte eintreten. So hat das Symposium des VLÖ in Wien neben den gebotenen Informationen auch menschliche und persönliche Kontaktflächen geöffnet, die der Minderheitenpolitik der österreichischen Bundesregierung und den Landsmannschaften sicher zugute kommen werden.
Der politisch-informative Teil der Begegnung wurde am nächsten Tag ergänzt durch ein intensives, vom VLÖ umsichtig organisiertes Begleitprogramm. Im Haus der Heimat fand eine gut besuchte Pressekonferenz statt und im Bezirksamt des 3. Bezirks unter dem Ehrenschutz des Wiener Bürgermeisters Dr. Häupl eine Diskussion, an der sich seitens des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgenforschung Prof. Dr. Stefan Karner und seitens des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten Botschafter Dr. Christian Prosl beteiligten. Der Präsident des Felix-Ermacora-Instituts, KR Ing. Martin May, Traun, trug als Moderator sowohl im Parlament als auch hier die Hauptverantwortung für Gesprächsordnung und Zeitablauf und erntete zusammen mit dem VLÖ-Vorsitzenden Dipl.-Ing Rudolf Reimann und dem Geschäftsführer beider Körperschaften, Mag. Peter Wassertheurer, verdienten Dank für die Initiative und den außergewöhnlichen Einsatz beim Zustandekommen und dem guten Verlauf der Begegnung.

Fritz Frank


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2001, Seite 3)

Schlagwörter: Politik

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