3. Juli 2025
Herausforderungen der neuen Regierung: Rumäniens Ministerpräsident kündigt harte Sparmaßnahmen an
Rumänien hat nach monatelanger Krise eine neue Regierung. Das Kabinett von Ministerpräsident Ilie Bolojan von der Nationalliberalen Partei (PNL) wurde am 23. Juni mit 301 Stimmen und neun Gegenstimmen vom rumänischen Parlament bestätigt, deutlich mehr als die erforderliche Mehrheit von 233 Stimmen. Die rechtsextreme AUR boykottierte die Abstimmung. In seiner Rede im Parlament kündigte Bolojan an, dass sich sein Kabinett für „Strukturreformen, eine gute Regierungsführung, Wachstum sowie Respekt gegenüber den Bürgern“ einsetzen werde. Er entschuldigte sich bei den Bürgern „für Rumäniens aktuelle Schieflage“, zumal eine Reihe schmerzlicher Maßnahmen anstünden. Noch am selben Abend wurde die Regierung von Staatspräsident Nicușor Dan vereidigt, der tags darauf zum NATO-Gipfeltreffen nach Den Haag reiste und anschließend am EU-Sommergipfel in Brüssel teilnahm.

Die neue Regierung weist neben ihren 16 Portefeuilles eine Rekordzahl von fünf Vizepremierministern auf: Marian Neacșu (PSD, ohne Geschäftsbereich), Cătălin Predoiu (PNL, zugleich Innenminister), Ionuţ Moșteanu (USR, auch Verteidigungsminister), Barna Tanczos (UDMR, ohne Geschäftsbereich), und Dragoș Anastasiu (unabhängig), der für die Reform des Staatsapparats zuständig ist. Im Kabinett wirken sieben alte Minister mit, die schon in der Vorgängerregierung unter Marcel Ciolacu vertreten waren. Außer zwei Ministerinnen, die von der USR aufgestellt werden, umfasst die Ministerriege ausschließlich Männer. Mit Florin Manole als Arbeitsminister wird erstmals ein Angehöriger der Roma-Minderheit als Minister eingesetzt. Die PSD stellt sechs Minister, die PNL und USR je 4 und die UDMR zwei. Mit Oana Ţoiu als Außenministerin und Ionuţ Moșteanu als Verteidigungsminister gelingt es der USR, gleich zwei Schlüssel-Ressorts zu besetzen.
Nach der annullierten Präsidentschaftswahl Ende letzten Jahres hatte sich Nicușor Dan (parteilos) in der Stichwahl der neu aufgelegten Wahl um das höchste Staatsamt am 18. Mai 2025 gegen George Simion (AUR) durchgesetzt.
Mit Staatspräsident Nicușor Dan und Ministerpräsident Ilie Bolojan „stehen nun zwei Reformer an der Spitze eines Landes, das von wirtschaftlichen Problemen und tiefem Misstrauen gegenüber der politischen Klasse geprägt ist“, berichtet Katja Christina Plate auf der Webseite der Konrad Adenauer Stiftung. Die neue Regierung müsse sich erst beweisen – „in einem Parlament mit schwierigen Mehrheiten, gegenüber einer enttäuschten Bevölkerung und im Schatten einer Haushaltskrise. Ein Neuanfang mit vielen Unbekannten.“ Die Wähler hätten gezeigt, dass sie „Verschwendung, Ineffizienz, Klientelismus und Selbstbedienungsmentalität“ nicht mehr akzeptieren. „Gefragt sind professionell geführte, bürgerorientierte, transparente Parteien, die bei der Besetzung von Ämtern und Posten das Leistungsprinzip setzen. Ilie Bolojan ist zuzutrauen, dass er genau dies liefern könnte.“ Allerdings müsse er zunächst beim nächsten ordentlichen Parteitag der PNL am 12. Juli zu deren Vorsitzenden gewählt werden.
Laut Konrad Adenauer Stiftung sei Ilie Gavril Bolojan der „erfolgreichste Reformer und Manager in der politischen Landschaft Rumäniens“. Als Bürgermeister von Großwardein (Oradea, 2008-2020) und Kreisratsvorsitzender in Bihor (2020-2024) habe er eine effiziente Verwaltung geschaffen, Nachwuchskräfte und qualifizierte Mitarbeiter gefördert sowie Klientelismus und Korruption zurückgedrängt.
Ende letzten Jahres übernahm er interimsweise den Parteivorsitz der PNL. Nach der Parlamentswahl im Dezember 2024 wurde er zum Senatspräsidenten gewählt und wirkte – nach dem Rücktritt von Klaus Johannis – von Februar bis Mai 2025 als interimistischer Staatspräsident Rumäniens.
Rumänien befindet sich in einer tiefen Haushaltskrise. Das Land schloss das vorige Jahr mit einem Minus von 9,3 Prozent ab und ist damit Schlusslicht der Europäischen Union. Schmerzhafte Reformen warten auf die Bevölkerung. Das Regierungsprogramm enthält bereits eine lange Liste an „Grausamkeiten“, wie die Konrad Adenauer Stiftung berichtet: „Eine durchschnittliche Reduzierung der Mitarbeiterzahl in der zentralen öffentlichen Verwaltung um 20 Prozent; Deutliche Reduzierung der Aufsichtsräte, Verwaltungsräte, Ausschüsse und Vorstände in den staatlichen Unternehmen; Die Schließung staatlicher Unternehmen mit dauerhaften Verlusten, was unter anderem die staatliche Fluggesellschaft TAROM, den Güterschienenverkehr CFR Marfă, den Rüstungskonzern Romarm, und das Fernwärmenetz Complexul Energetic Oltenia betreffen könnte; Eine Ausweitung der Steuerzahlerbasis für die Rentenbeiträge um 20%, indem opt-out Möglichkeiten für hohe Einkommen gestrichen werden; Die Besteuerung ,übermäßiger‘ Aktiengewinne für einen begrenzten Zeitraum.“
Angesichts dieser Sparmaßnahmen sind Proteste und Demonstrationen nicht nur zu erwarten, sondern bereits eingekehrt. Es sei eine schwierige Aufgabe, „in diesem Klima die fragile Koalition zusammen zu halten, grundlegende Umbauten im Inneren des Parteisystems vorzunehmen und dem hohen Druck der aktuellen sicherheitspolitischen Krisen standzuhalten“, so die Konrad Adenauer Stiftung.
Beim NATO-Gipfel in Den Haag verpflichteten sich die Mitglieder, spätestens ab 2035 jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit zu investieren. Auch beim EU-Gipfel in Brüssel wurde deutlich gemacht, „die Ausgaben für die Verteidigung und Sicherheit Europas weiterhin deutlich zu erhöhen, berichtet die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien. Präsident Nicușor Dan kam am Rande des Gipfels mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zusammen, um Rumäniens Maßnahmen zur Senkung des ausgeuferten Haushaltsdefizits zu erläutern und „um zu eruieren, ob eine Umwidmung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität möglich ist“. Kurz danach räumte auch der Minister für Investitionen und EU-Fonds, Dragoș Pîslaru, gravierende Verzögerungen seines Landes bei zentralen Projekten ein, die aus dem Wiederaufbau- und Resilienzplan (PNRR) finanziert werden. Es drohe der Verlust von EU-Geldern, weil die nötigen Reformen versäumt worden seien, meldet die ADZ.
Die neue Regierung kann es nun besser machen und sich den vielseitigen Herausforderungen des Landes stellen.
Siegbert Bruss
Schlagwörter: Rumänien, Regierung, Politik
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