2. September 2011

Gartenzauber mit Karpatenblick

Kulturelles Erbe und Tourismus sind Geschwister, die sich gegenseitig helfen – Zeugnisse der Vergangenheit fördern den Besucherstrom, der wiederum jene Einnahmen mit sich bringt, die dringend notwendig sind für den Erhalt der Stätten kulturellen Erbes. Das ist die Idee des „Interreg“-Programms, mit dem die Europäische Union die touristische Entwicklung der südosteuropäischen Länder auf der Grundlage ihres Kulturerbes fördern will. Dabei engagiert sich die EU auch in Siebenbürgen: Die Sommerresidenz Samuel von Brukenthals (1721-1803) in Freck (Avrig) nimmt innerhalb dieses Projekts eine Sonderstellung ein und wird besonders unterstützt. Knapp 290.000 Euro sind dafür vorgesehen, und doch hat die Brukenthal-Stiftung Sorgen: Damit das Projekt beginnen kann, müssen Planungskosten von rund 100.000 Euro vorfinanziert werden, da Europa erst mit Verzögerung zahlt.
Cornelia Feyer führt ehrenamtlich die Geschäfte der von der evangelischen Kirche getragenen Stiftung, der das Anwesen erst Anfang des Jahrtausends wieder überschrieben wurde. Mit der Sommerresidenz hütet sie ein kulturhistorisches Kleinod: Die Anlage, am Rande des siebenbürgischen Industriestädtchens Freck im Alttal gelegen, ist der einzige Barockgarten auf dem Gebiet des heutigen Rumänien. Das Anwesen umfasst gut 15 Hektar, nur ein Bruchteil der Fläche von Schloss Schönbrunn, das Pate stand bei der Planung. Aber wenn man im schönen Hof des Schlosses steht, der sich zum Park hin öffnet, wenn man auf das terrassierte Grün hinunterblickt mit den symmetrisch angeordneten Treppen und dem Fontänenbecken im Zentrum, dann erkennt man den Reiz und auch die gelungene Proportion der Anlage. Brukenthal, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte Siebenbürgens, legte als Pflanzenfreund auch einen englischen Landschaftsgarten an und den Holländischen Garten, der dem Anbau von Obst und Gemüse dient.
Die Hauptachse des Parks mit Beton-Ergänzungen. ...
Die Hauptachse des Parks mit Beton-Ergänzungen. Foto: Brukenthal-Stiftung
Sichtachsen sind zugewachsen, Wege wurden verlegt, das ungehinderte Wachstum und eine wenig fachgerechte Bepflanzung haben die wohldurchdachte Ordnung zur Wildnis werden lassen. Je länger ein barocker Garten nicht gepflegt wird, desto kräftiger greift die Natur nach der früheren Ordnung. Die Kulissenwirkung, die man beim Blick vom Schlosseingang aus wahrnehmen könnte, wird vom Wildwuchs verborgen. Derlei erkennt der historisch geschulte Blick der Landschaftsgärtnerin, die die ursprünglichen Pläne und viele Dokumente des früheren Zustands studiert hat. Der zufällige Besucher entdeckt andere Mängel rascher – halb sind sie vom Verfall verursacht, halb von Reparaturen, welche die notdürftige Sicherung der Substanz zum Ziel hatten, und sei es unter reichlichem Einsatz von Beton. Ab 2006 wurden die historischen Parkstrukturen teilweise freigelegt. Damit trat aber auch zutage, was zuvor vom wuchernden Grün verborgen worden war: Mauern, Wege und das Wassersystem müssen instandgesetzt werden. Ein Teil des Parks ist versumpft, anderen Bachläufen fehlt das Wasser.

Freilich zeigt der Brukenthalsche Garten zugleich, welche großartigen Chancen in der Restaurierung dieses einzigartigen Natur- und Kulturdenkmals stehen. Die Orangerie strahlt wenigstens von außen in altem Glanz, das Nebeneinander von Zier- und Nutzgärten, von barocker Ordnung und englischem Landschaftsgarten ist wieder erkennbar. Im Schloss selbst erinnern die leeren Zimmer weniger an vergangene Pracht als an die Armut der sozialistischen Ära, in der hier die Kranken einer kleinen Klinik untergebracht waren; erst 2005 wurde der Sanatoriumsbetrieb ganz aufgegeben.
Halb Landhaus, halb Schloss: Samuel von ...
Halb Landhaus, halb Schloss: Samuel von Brukenthals Sommerresidenz in Freck. Foto: Brukenthal-Stiftung
Damals standen die Chancen für die Rettung der Anlage gut. Dass Hermannstadt 2007 europäische Kulturhauptstadt wurde, sorgte für Aufbruchsstimmung, die freilich von der Wirtschaftskrise jäh beendet wurde. Dass die Brukenthalschen Gärten überhaupt eine Chance haben, ist dem Einsatz von Cornelia Feyer zu danken. Vor ein paar Jahren wurde sie von einer Kirchenbaurätin angesprochen, ob sie sich mal einen alten Garten anschauen könne. Es dauerte nicht lange, bis Feyer zur treibenden Kraft wurde in den Restaurierungsplänen der Brukenthal-Stiftung. Sie hat ein umfangreiches Sanierungskonzept entwickelt, und geschätzte zehn Millionen Euro erscheinen nicht viel für den Umfang der notwendigen Arbeiten.

Seit einigen Wochen nährt ein neues Konzept die Hoffnung auf eine touristische Nutzung. Arnold Klingeis, der deutsche Bürgermeister von Freck und erfolgreicher Hotelunternehmer am Bulea-See, engagiert sich für die Anlage. Seine Firma Klingeis-Consulting wird die Sommerresidenz pachten. Klingeis managt die Gebäude, die Stiftung den Park; Feyer erwartet eine fruchtbare Zusammenarbeit, da beide Partner gemeinsame Ziele verfolgen. In der Orangerie sollen noch in diesem Jahr die Bauarbeiten beginnen – sechs großzügige Zimmer sind geplant, ein Veranstaltungssaal und ein Restaurant. Im Frühsommer 2012, hofft man in Freck, werden die ersten Gäste einkehren können. Wenn der restaurierte Garten die verwunschene Stimmung bewahrt, die ihn heute umweht, könnte hier ein attraktives Reiseziel am Rande der Südkarpaten entstehen.

Johannes Breckner

Schlagwörter: Siebenbürgen, Brukenthal, Kulturerbe

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