18. Juli 2012

Europäische Union verschärft Ton gegenüber Rumänien

Die von rücksichtsloser Durchsetzung eigener Machtinteressen geprägte Innenpolitik der interimistischen Regierung von Premier Victor Ponta sorgt europaweit für Aufsehen. Politiker und Medien zeigen sich besorgt über die Angriffe gegen demokratische Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit in Rumänien.
Von einer „politischen Fehde“ in Bukarest spricht die EU-Kommission in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht zu Rumänien, aus dem die britische Zeitung „The Guardian“ in einem Vorabbericht am 17. Juli zitiert. Ponta wird darin systematischer Missbrauch der Verfassung vorgeworfen. Die Regierung habe Richter bedroht und Beamte illegal ausgetauscht mit dem Ziel, die Amtsenthebung von Präsident Băsescu sicherzustellen. Die Kommission zeige sich angesichts der Anzeichen von Manipulationen und Drohungen „äußerst besorgt“.

Auslöser für die Besorgnis im Ausland waren vor allem die Absetzung der Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern und deren Ersatz durch USL-Mitglieder sowie die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Staatspräsident Traian Băsescu Anfang Juli. Im Senat musste Vasile Blaga (PDL) am 3. Juli seinen Platz freimachen für den nationalliberalen Crin Antonescu (jetzt interimistischer Präsident, den Senatsvorsitz hat übergangsweise Petru Filip inne). Auf Antrag der USL wurde Roberta Anastase (PDL) am selben Tag als Parlamentspräsidentin abgewählt, ihr Nachfolger ist Valeriu Zgonea (USL).

Suspendierung von Präsident Băsescu

Nur wenige Tage später, am 6. Juli, folgte die erwartete Parlamentsinitiative zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Staatspräsidenten Traian Băsescu (diese Zeitung berichtete). Für das Amtsenthebungsverfahren stimmten 256 Abgeordnete, nötig gewesen wären 217. 114 Abgeordnete stimmten dagegen. Den entsprechenden Antrag hatte die USL, bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei (PSD), den Nationalliberalen (PNL) und der Konservativen Partei (PC), eingebracht.

Offiziell wurde dem Präsidenten die Überschreitung seiner Amtsbefugnisse angelastet, die Beeinflussung der Justiz und fehlende Überparteilichkeit. Das Verfassungsgericht hatte zuvor befunden, dass die von der USL vorgebrachten schwerwiegenden Verfassungsverletzungen nicht nachweisbar seien, aber zwei Punkte als Amtsüberschreitungen gelten könnten. Der Beschluss hat keine bindende Wirkung.

Băsescu nun sein Amt nach dem Parlamentsentscheid ruhen lassen. Interimistisch vertritt der nationalliberale Senatspräsident Crin Antonescu derzeit das Land. Innerhalb von 30 Tagen muss laut Verfassung eine Volksabstimmung organisiert werden, in der die Wähler über das Schicksal des Präsidenten entscheiden. Das Referendum ist für den 29. Juli geplant.

Respektiert Ponta die Entscheidungen des Verfassungsgerichts?

Verwirrung gab es anfangs über den Abstimmungsmodus. Ponta erließ einen Tag vor der Abstimmung im Parlament eine Dringlichkeitsverordnung, wonach für ein gültiges Referendumsergebnis eine einfache Mehrheit der Wähler reichen würde. Kurz darauf entschied das Verfassungsgericht, dass das Referendum nur gültig sei, wenn eine Wahlbeteiligung bei 50 Prozent plus einer Stimme aller Wahlberechtigten erreicht wird.

Neuer Streit scheint vorprogrammiert, wenn nicht die erforderliche Mehrheit der auf den Wahllisten stehenden Bürger zur Abstimmung erscheint. Denn Umfragen zufolge würde derzeit eine klare Mehrheit für die Absetzung von Băsescu stimmen und das ist das erklärte Ziel des Duos Ponta-Antonescu. Zur derzeitigen Politik passt die Ankündigung des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Senatoren, Ilie Sârbu – der Schwiegervater von Ponta – die USL denke über eine Ausdehnung des Referendums auf zwei Tage nach, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, die nötige Wahlbeteiligung zu erreichen. Zudem beabsichtigt die Regierung, die Zahl der Wahllokale im Ausland von 300 auf die Hälfte zu reduzieren. Warum? Bei der Präsidentschaftswahl 2009 profitierte Băsescu von den Stimmen vieler Auslandsrumänen.

Internationale Politiker zeigen sich derweil besorgt über die politischen Entwicklungen in Rumänien (diese Zeitung berichtete). Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise bestellte den rumänischen Botschafter ein, außerdem äußerte sie in einem Telefonat mit Ponta Besorgnis gegenüber Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Seitens der Europäischen Union wird sogar die Suspendierung der EU-Mitgliedschaft als mögliche Sanktionsmaßnahme gegen Rumänien in Erwägung gezogen. Der Europarat gab bei der so genannten Venedig-Kommission eine Untersuchung zum Amtsenthebungsverfahren gegen den rumänischen Staatspräsidenten in Auftrag, die klären soll, ob das Verfahren mit den Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat vereinbar ist.

Internationale Besorgnis

Mitte Juli reiste Victor Ponta nach Brüssel zum Rapport bei EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso, um mit diesem über die Lage in Rumänien zu sprechen. Barroso gab ihm einen elf Punkte umfassenden Forderungskatalog mit auf den Weg, der die wichtigsten EU-Positionen enthält: Achtung der Unabhängigkeit der Justiz sowie deren Entscheidungen durch die rumänische Regierung, Wiederherstellung der Befugnisse des Verfassungsgerichtes, Einsetzung eines Ombudsmannes zur Bekämpfung der Korruption sowie transparente Verfahren zur Ernennung von Generalstaatsanwalt und des Direktors der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA. Ponta hat mittlerweile eine schriftliche Stellungnahme nach Brüssel gesandt. Er sagte unter anderem zu, dass das Parlament in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch ein Referendumsgesetz verabschieden werde, das die Mindestbeteiligunsschwelle enthalten werde. Ponta verpflichtete sich, auch den Forderungen nachgeben, das Amtsblatt (Monitorul Oficial) nicht mehr für politische Zwecke zu manipulieren, korrupte Minister zu entlassen und keine Begnadigungen in seiner interimistischen Amtszeit vorzunehmen.

Dass die Sorgen der EU-Kommission nicht unbegründet sind, zeigt der jüngste Skandal auf dem Bukarester Politikparkett. Mitarbeiter der DNA erhoben am 11. Juli Anklage gegen George Bălan, Mitglied des Obersten Magistraturrates, der die Tätigkeit von Anwälten und Richtern überwacht. Nach Medienberichten soll Bălan Ponta mit dem Ziel kontaktiert haben, im Herbst die Nachfolge von Generalstaatsanwältin Laura Kövesi anzutreten. Außerdem soll Bălan nach Medienberichten vom Geheimdienst des Innenministeriums kompromittierendes Material über Transportminister Ovidiu Silaghi (PNL) angefordert haben, um die Zustimmung der PNL-Führung zu erhalten. Involviert ist neben Bălan ein Berater des Magistraturrates, Marcel Sâmpetru, der den Vorsitz der DNA anstrebt.

Der Hang zur Kontrolle wichtiger Institutionen ist allen politischen Parteien in Bukarest gemein und keine Spezialität der USL, das zeigt ein Blick in die Geschichte. Der an die USL gerichtete Vorwurf, demokratische Spielregeln im eigenen Machtinteresse außer Kraft zu setzen, greift bei den jetzigen Entwicklungen aber zu kurz. Wir erinnern uns: 2009 ignorierte der theoretisch zur Parteiunabhängigkeit verpflichtete, praktisch aber der PDL-nahestehende, Präsident Băsescu die Parlamentsmehrheit, die Klaus Johannis als unabhängigen Kandidaten für das Amt des Premierministers vorgeschlagen hatte. Stattdessen wurde Emil Boc (PDL) Premier. Übrigens ist auch das jetzige Referendum für Băsescu keine neue Erfahrung, 2007 sprach ihm das Volk das Vertrauen aus.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die vor allem in internationalen Medien geäußerten Meinungen nicht abwegig, dass es in Bukarest einen „Machtkampf korrupter Cliquen“ (Der Spiegel) gibt, die den „Staat als Beute“ (Frankfurter Rundschau) ansehen. Wie dieser Machtkampf ausgeht, bleibt abzuwarten. Derzeit scheint der europäische Einfluss die aktuellen Machthaber zwar zu zügeln, aber der trickreiche Umgang mit Gesetzen und Versprechungen in Bukarest lässt auf einen heißen politischen Sommer schließen.

Holger Wermke

Schlagwörter: Politik, Regierung

Bewerten:

21 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 29.07.2012, 10:05 Uhr von azur: Offener Brief von Emil Constantinescu, 3. Präsident von Rumänien (29 November 1996 – 20 December ... [weiter]
  • 23.07.2012, 11:06 Uhr von kranich: Apropos Bewässerungsprojekte: Libyen hatte unter dem erwähnten Tyrannen begonnen die ... [weiter]
  • 23.07.2012, 10:34 Uhr von Kritikaster2012: ... ja, ja, die "Demokratiegläubigen" und die "Menschenrechtsaktivisten" ... Heute gibt es in ... [weiter]

Artikel wurde 31 mal kommentiert.

Alle Kommentare anzeigen.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.