9. Juni 2014

Amerikanische Touristen als neue Zielgruppe

Dass US-Bürger mangels eigener weiter zurückreichender Geschichte begeisterte Besucher des alten Europas sind, ist nicht neu. Doch Athen, Rom oder Wien sind längst „abgegrast“, zunehmend orientieren sich amerikanische Touristen daher an den ihnen größtenteils noch unbekannten Ländern Osteuropas als neue Reiseziele. Wer das Ursprüngliche liebt und auf Großstadtkomfort auch mal verzichten kann, wird im ursprünglichen Siebenbürgen mit seinen lebenden Traditionen, einer seit dem Mittelalter fast unveränderten Natur und einer reichen Kirchenburgenlandschaft, die nun ihrer friedlichen Eroberung harrt, voll auf seine Kosten kommen.
So fokussiert sich auch das Projekt der Evangelischen Landeskirche A.B. „Entdecke sie Seele Siebenbürgens“ zur Rettung der Kirchenburgen durch Bewerbung für den Tourismus auf diese vielversprechende Marktlücke, wie anlässlich der Pressekonferenz am 11. April im Bischofspalais von Hermannstadt verkündet wurde. Mit der Eröffnung der Tourismussaison 2014 fand daher auch ein von der US-Botschaft in Bukarest unterstützter Workshop zum Thema Erhaltung siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes statt.

Als Partner von US-Seite traten dort Kennedy Smith, Gründerin der Nichtregierungsorganisation Community Land Use and Economics Group (CLUE) mit Sitz in Washington DC in Erscheinung, sowie Yannis Avramides vom World Monument Fund. Erstere befasst sich mit der Einbindung von Kulturerbe an historischer Stätten in wirtschaftliche Projekte mit dem Ziel deren Erhalts. Dazu gehört auch die kreative Ideenfindung zur Realisierung machbarer und nachhaltiger Lösungen. Der World Monument Fund hat bereits seit 2010 ungefähr 70 gefährdete Kirchenburgen auf seiner Beobachtungsliste. Beide Nichtregierungsvertreter hatten sich auf einer Rundreise durch Siebenbürgen durch Gespräche mit lokalen Betreuern der Kirchenburgen und Vertretern der evangelischen Kirche ein umfassendes Lagebild gemacht. Gemeinsam mit der Leitstelle Kirchenburgen wurde daraufhin ein Maßnahmenplan erarbeitet. Dazu gehört auch eine intensive Bewerbung der Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens in den USA.
Die Kirchenburg von Kleinschenk: Hier findet am ...
Die Kirchenburg von Kleinschenk: Hier findet am 28. Juni der „Transylvanian Brunch“ im Rahmen der „Woche der Traditionen“ statt. Foto: George Dumitriu
Obwohl im letzten Jahr bereits rund 250000 Touristen die Kirchen und Kirchenburgen Siebenbürgens besuchten, ist gezielte Bewerbung immer noch dringend nötig. Hierbei setzt man auch auf bekannte Persönlichkeiten des rumänischen öffentlichen Lebens als Schirmherren: 2013 konnte der rumänische Sportreporter Cristian Țopescu als ehrenamtlicher Kirchenburgen­botschafter gewonnen werden. In diesem Jahr kommt der ehemalige rumänische Europaminister und EU-Kommissar Leonard Orban hinzu, der im Juni in Urwegen in sein Amt eingeführt werden soll. Sein Beraterstab und seine Erfahrung im Zusammenhang mit der Beantragung von EU-Projekten können dem Projekt von großem Nutzen sein. Zudem soll die Veranstaltung medienwirksamer kultureller und sportlicher Veranstaltungen auch in diesem Jahr eine Vielzahl an Besuchern anziehen und die Kirchenburgen immer wieder in Erinnerung bringen. Höhepunkte 2014 sind die „Woche der Traditionen“ im Juni, der dreitägige NO STRESS Fahrrad-Triathlon „Bike&Like“ vom 11.-13. Juli rund um Hermannstadt, das Sachsentreffen am 20. September in Mühlbach sowie die „European Heritage Days“ im September, dieses Jahr unter dem Motto „Farben“. Beispiele aus dem letzten Jahr sind die „Fashion Days“ in der Kirchenburg von Michelsberg – „auch sowas geht, wenn ein gewisses kulturelles Niveau gewährleistet ist“, bemerkt Dr. Stefan Cosoroabă, Koordinator des Kirchenburgenprojekts; oder der Tag des unbekannten europäischen Denkmals am 8. September, der die eher unbekannte Kirchenburg von Eibesdorf durch Spezialführungen, Ausstellungen, Filme und Live-Musik ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte. Einen wichtigen Beitrag leisten auch bereits bewährte Besuchermagnete wie das Musikfestival „Muzica Barcensis“ im Burzenland. Junge Leute ziehen vor allem moderne Medienangebote an, wie die im letzten August lancierte Smartphone-App mit einer Audioführung zum Wanderweg zwischen Seligstadt und Bekokten, mit spannend erzählten Geschich­ten über das Leben früher und über gegenwärtige Probleme in der Region. Eine Smartphone-App mit Infos über die Kirchenburgen Sieben-­ bürgens kann übrigens auf der Webseite der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien heruntergeladen werden: www.evang.ro. Die Kirchenburgen als Sehenswürdigkeiten erschließt auch eine Karte des Hermannstädter Monumenta-Verlags „Kirchenburgen in Siebenbürgen“, mit isometrischen Zeichnungen der Wehrkirchen, Kirchen- und Bauernburgen aus dem „Atlas der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen“ von Hermann Fabini. Im Aldus-Verlag kann diese als deutsche, rumänische und englische Variante erworben werden.

Synergieeffekte sind aber auch durch „Parallelveranstaltungen“ zu erwarten: So soll die von vier regionalen Nichtregierungsorganisationen organisierte Haferland-Kulturwoche vom 13.-24. August mit Musik, Workshops und kulinarischen Ereignissen Touristen in die Region zwischen Reps und Schäßburg locken und damit bisher weniger bekannte Kirchenburgenorte wie Bodendorf, Deutsch-Kreuz, Schweischer, Radeln, oder Meschendorf gezielt ins Zentrum der touristischen Aufmerksamkeit rücken.

Wie die Auswertung einer Fragebogenaktion unter tausend Kirchenburgenbesuchern zeigte, wurde der durchschnittliche Tourist bisher über mündliche Empfehlungen im Freundeskreis aufmerksam gemacht. Dank der Umfrage liegt nun auch ein Profil des typischen Besuchers vor, der somit in gezielten Werbeaktionen angesprochen werden kann: Er ist zwischen 40 und 50 Jahre alt, interessiert an Natur und Kultur, kommt aus dem Ausland und hält sich für drei bis fünf Tage in der Region auf. Im vergangenen Jahr hatte allerdings eine IRSOP-Umfrage gezeigt, dass auch seitens rumänischer Touristen großes Interesse besteht: 77 Prozent der Befragten würden gerne einmal die sächsischen Kirchenburgen besuchen. Die große Mehrheit befürwortete die Sanierung der Kirchenburgen und war sogar der Meinung, der rumänische Staat solle diese finanzieren, auch wenn sie im Besitz der Evangelischen Kirche sind.

Nina May

Schlagwörter: Siebenbürgen, Tourismus, USA

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