15. Januar 2016

Keine historisch gewachsene Islamphobie in Südosteuropa

Klausenburg – Auf einer Podiumsdiskussion an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg im Dezember 2015 warnten Prof. Tasin Gemil, Direktor des Instituts für Turkologie und Zentralasiatische Studien, und der Dekan der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften, Prof. Călin Felezeu, vor übertriebenen Überfremdungsängsten gegen den islamischen Kulturkreis. Anlass für die Veranstaltung waren die durch die Flüchtlingskrise und die jüngsten Terroranschläge in Europa ausgelösten Diskussionen
Die Veranstalter – die studentische „Vereinigung für politische Bildung“, das erwähnte Institut und die Fakultät – wollten damit das Bild einer subjektiv empfundenen Gefahrensituation für Rumänien mit dem Verweis auf politische und historische Fakten zurechtrücken.

Südosteuropa sei aus historischen Gründen für ein gewaltvolles Aufeinandertreffen nicht prädestiniert. Das jahrhundertelange Zusammenleben von christlich-orthodoxen und islamisch geprägten Kulturen habe für gegenseitiges Verständnis gesorgt. Selbst die osmanische Herrschaft sei an keiner Islamisierung interessiert gewesen. „Es gibt keine historisch gewachsene Islamphobie in Südosteuropa“, so Gemil. Diese sei erst unter dem Einfluss westlicher Gesellschaften entstanden. Bis Anfang 19. Jahrhunderts war der Islam in Südosteuropa kein Feindbild, bestätigt Felezeu.

Die Experten warnen: Neu entstandene Vorurteile können gefährlicher sein als der Terrorismus selbst. Die Ausgrenzung mache Muslime empfänglich für Anwerbung durch Extremisten. Zu den Diskussionen um den geplanten Bau einer Mega-Moschee sagt Gemil: „In Bukarest wurden seit 1990 bis heute rund 40 Gebetshäuser in Privatwohnungen oder Geschäftsräumen eingerichtet.“ Selbsternannte Imame könnten dort unkontrolliert Hassbotschaften verbreiten. Ein staatlich koordinierter Neubau einer Moschee biete den Vorteil, die muslimischen Gemeinschaften ans Tageslicht zu bringen.

Momentan gibt es weltweit etwa 1,4 Milliarden Muslime, doch nur 10 Prozent befürworten militanten Islamismus, die Mehrheit hegt keine Sympathien dafür. Ziel der Islamisten sei jedoch, diese schweigende Mehrheit an sich zu binden, warnt Gemil. Wachsende antiislamische Grundhaltung in nichtmuslimischen Gesellschaften und Stigmatisierung von Muslimen aus Angst vor Terror spiele ihnen zu. Anschlagsmuster zeigten, dass nicht das Christentum, sondern die westliche Wertegesellschaft Feindbild der Islamisten sei: Ihre Ziele waren nicht Kirchen, sondern U-Bahnen, Redaktionen, Konzertsäle.

NM

Schlagwörter: Klausenburg, Podiumsdiskussion

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  • 16.01.2016, 07:58 Uhr von Äschilos: Und was ist nun diese " westliche Wertegemeinschaft"? Ist sie nicht nur eine Phrase der westlichen ... [weiter]

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