6. Januar 2017

Neue Regierung in Rumänien vereidigt

Bukarest – Am Mittwochabend, dem 4. Januar, wurde das Kabinett des neuen Premierministers Sorin Grindeanu (PSD) im Beisein von Staatspräsident Klaus Johannis im Schloss Cotroceni in Bukarest vereidigt. Wenige Stunden zuvor hatte das Parlament die Regierung, die von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der liberalen Splitterpartei ALDE gebildet wird, mit 295 Für- und 133 Gegenstimmen im Schnelldurchlauf bestätigt. Dafür hatten außer den beiden Fraktionen des Regierungsbündnisses auch der Ungarnverband UDMR und die Fraktion der Minderheiten gestimmt.
Trotz klarer Mehrheit bei den Parlamentswahlen am 10. Dezember (diese Zeitung berichtete) gestaltete sich die Regierungsbildung schwieriger als erwartet. Der 43-jährige Sorin Grindeanu ist der zweite Vorschlag der Sozialdemokraten für das Amt des Premierministers, nachdem die erste Kandidatin, Sevil Shhaideh, von Staatspräsident Klaus Johannis „nach reiflicher Abwägung“, doch ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden war. PSD-Chef Liviu Dragnea, der Johannis im Falle einer Ablehnung zunächst mit einem Amtsenthebungsverfahren gedroht hatte, präsentierte schließlich den politisch relativ unbekannten Temescher Kreisratschef als Ersatzkandidaten. Beobachter halten Grindeanu zugute, nicht in korrupte Machenschaften verwickelt zu sein. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sich Liviu Dragnea unterordnen werde. Dieser sicherte sich den Vorsitz des Abgeordnetenhauses, ließ es sich aber nicht nehmen, statt Grindeanu, der ihn lediglich assistierte, das Regierungsprogramm auf einer Pressekonferenz vorzustellen.

In Sevil Shhaideh, die als Vertraute Liviu Dragneas gilt, hatten Kritiker eine Strohfrau des PSD-Vorsitzender gewittert, der wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung auf die Kandidatur als Regierungschef verzichten musste. Die PSD kündigte an, das hinderliche Gesetz ändern zu wollen, so dass Dragnea über kurz oder lang doch noch als Premierminister zum Zuge kommen könnte. Politbeobachter argumentierten im Fall Shhaideh zudem mit Sicherheitsrisiken, da ihr in Syrien geborener, in Rumänien eingebürgerter zweiter Ehemann Sympathisant des Russland- und Iran-nahen Bashar al-Assad-Regimes sei. Sevil Shhaideh, Muslimin und der türkischen Minderheit zugehörig, wäre die erste weibliche Regierungschefin Rumäniens gewesen. Ihre Nominierung als Premierminister-Kandidatin seitens der PSD entbehrt nicht ganz der Ironie, hatte doch diese im Wahlkampf nationalistische Töne angeschlagen. MdB Bernd Fabritius kritisierte den Schachzug als politische Farce: „Die rumänischen Sozialdemokraten führen das Land und ihre Wählerschaft an der Nase herum" (Siebenbuerger.de).

In der Regierung Grindeanu taucht Shhaideh nun ausgerechnet als Vizepremierministerin wieder auf und leitet das neue Megaministerium für Entwicklung, Verwaltung und EU-Fördermittel. 2015 war die erfahrene 52-jährige Verwaltungsfachfrau aus Konstanza für fünf Monate Leiterin des Entwicklungsministeriums gewesen. Zweiter Vizepremier und Umweltminister ist ALDE-Mitglied Daniel Constantin. 23 der insgesamt 27 Ministerposten im neuen Mammutkabinett entfallen auf die PSD, vier auf den Koalitionspartner ALDE.

Im Zuge der Vereidigung konnte sich Staatspräsident Klaus Johannis nicht verkneifen, das neue Kabinett zur Einhaltung der „komplizierten Wahlversprechen“ der PSD zu ermahnen. Ironisch fügte er an, er hoffe, eines Tages zu erfahren, wie man gleichzeitig die Löhne anheben, die Steuern senken und dabei das Haushaltsdefizit unter drei Prozent halten wolle.

Dr. Bernd Fabritius, Bundestagsabgeordneter und Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, erklärte zum neuen Kabinett in Bukarest: „Die rumänischen Sozialdemokraten nominierten augenscheinlich eine Einmann-Regierung: Der Großteil der 27 neuen Minister des Landes sind völlig unbekannt und scheinen Platzhalter für eine einzige Person zu sein, die sie nominiert hat. Wollte man das positiv sehen, wünscht man sich, dass junge Nachwuchspolitiker, die eine Chance bekommen, diese auch ergreifen. Dazu wünsche ich dem neuen Premier Sorin Grindeanu und seiner Truppe viel Mut und Erfolg.“

Die übrigen Mitglieder der neuen Regierung sind: Innenministerin Carmen Daniela Dan (PSD; ehemalige Mitarbeiterin Dragneas im Kreisrat Teleorman), Verteidigungsminister Daniel Leș (PSD; Senator), Justizminister Florin Iordache (PSD; Ex-Vizepräsident des Unterhauses), Außenminister Teodor Meleșcanu (ALDE; Ex-Außenminister, 2014 nach dem Wahlchaos der Präsidentschaftswahlen im Ausland zurückgetreten), Delegierte Ministerin für Europäische Angelegenheiten Ana Birchall (PSD; Ex-Beraterin Victor Pontas), Wirtschaftsminister Alexandru Petrescu (PSD; Leiter der Postgesellschaft), Landwirtschaftsminister Petre Daea (PSD; Ex-Staatssekretär), Finanzminister Viorel Ștefan (PSD, Abgeordneter), Energieminister Toma Petcu (ALDE, ehemaliger Leiter der Agentur für Umweltschutz), Gesundheitsminister Florian Bodog (PSD; Dekan der Universität für Medizin in Großwardein/Oradea), Delegierte Ministerin für EU-Mittel Mihaela Toader (PSD, ehemalige Ressortleiterin), Transportminister Răzvan Cuc (PSD, Ex-Staatssekretär), Delegierte Ministerin für Diaspora Andreea Păstârnac (PSD; ehemalige Botschafterin in Israel), Bildungsminister Pavel Năstase (PSD, Ex-Rektor ASE Bukarest), Minister für Kultur und Nationale Identität Ionuț Vulpescu (PSD, Ex-Kulturminister), Minister für Forschung und Innovation Șerban Valeca (PSD, Filialchef Argeș), Kommunikationsminister Augustin Jianu (PSD, ehemaliger Leiter CERT-RO), Arbeitsministerin Lia Olguța Vasilescu (PSD, Bürgermeisterin Craiova), Ministerin für Wasser- und Forstwirtschaft Adriana Petcu (PSD; Wasserverwaltung Buzău-Ialomița), Jugend- und Sportminister Maruis Dunca (PSD, Ex-Verbraucherschutzchef), Tourismusminister Mircea Dobre (PSD, Abgeordneter), Minister für Sozialdialog Gabriel Petrea (PSD, Juso-Chef), Minister für Unternehmertum Florin Jianu (PSD, Ex-Minister), Delegierte Ministerin für die Beziehung zum Parlament Grațiela Gavrilescu (ALDE, Ex-Umweltministerin).

NM

Schlagwörter: Regierung, Grindeanu

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