17. Januar 2025
Politische Krise in Rumänien verschärft sich
Rumänien wird seit Ende letzten Jahres von einer tiefen politischen Krise heimgesucht. Nach den Parlamentswahlen vom 1. Dezember ist es gelungen, schon vor Weihnachten, am 23. Dezember, eine neue Regierung zu bilden. Das Verfassungsgericht hatte am 6. Dezember die Präsidentschaftswahl mit Verweis auf eine ausländische Einmischung für ungültig erklärt. Eine stichhaltige Begründung konnte für diese Annahme bisher nicht geliefert werden, was anscheinend der Auslöser für Massenproteste war. Zehntausende gingen am 12. Januar in Bukarest auf die Straße, forderten ihr Wahlrecht ein und den Rücktritt von Staatspräsident Klaus Johannis, dessen zweite Amtszeit am 21. Dezember 2024 abgelaufen sei.

Die Regierungskoalition besteht aus acht Ministern der Sozialdemokratischen Partei (PSD), sechs von der Nationalliberalen Partei (PNL) und zwei vom Ungarnverband UDMR, der mit Finanzminister Tánczos Barna und Entwicklungsminister Cseke Attila-Zoltán zwei Schlüsselressorts erhält. Verteidigungsminister bleibt Angel Tîlvăr (PSD), Innenminister ist weiterhin Cătălin Predoiu (PNL). Die Regierung wird von der Fraktion der ethnischen Minderheit mit 19 Abgeordneten unterstützt, zu der Ovidiu Ganţ, Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, zählt. Ganţ wurde einstimmig zum Sekretär der Abgeordnetenkammer wiedergewählt. Er schreibt in der Banater Zeitung vom 15. Januar: „Die Regierung hat zwei dringende Aufgaben zu meistern: Präsidentschaftswahlen zu veranstalten, so schnell wie möglich, und das Haushaltsgesetz dem Parlament vorzuschlagen. Dabei darf die Regierung keine Fehler machen, denn sie würden verheerende Folgen bezüglich Präsidentschaftswahlen haben. Der gemeinsame Kandidat der Koalition darf nicht durch solche Fehler torpediert werden. Die Wahl eines Pro-Europäers als Staatspräsident ist für uns alle lebenswichtig. Auch die Regierung würde den Gegenfall nicht überleben“.
Angesichts der hohen Verschuldung Rumäniens verabschiedete die Regierung in ihrer Sitzung vom 30. Dezember ein Maßnahmenpaket zum Defizitabbau. Die Notverordnung sieht höhere Steuern für Unternehmen und Einsparungen bei Rentnern und Arbeitnehmern vor, ohne die hohen Sonderrenten für ehemalige Richter, Staatsanwälte, Parlamentarier u.a. zu tangieren. Das steht im Gegensatz zu den Wahlversprechen der Parteien und heizt die sozialen Spannungen in der Bevölkerung zusätzlich an.
Zur Opposition gehört, neben den drei rechtsnationalen Parteien, AUR, SOS România und POT, auch die öko-liberale Partei USR, Union zur Rettung Rumäniens. Deren Vorsitzende Elena Lasconi nutzte das kurze Sondierungsgespräch ihrer Partei mit Staatspräsident Klaus Johannis, um ihn aufzufordern, sein zweites Mandat „verfassungsgemäß“ zum 21. Dezember zu beenden. Johannis hatte schon am 6. Dezember erklärt, dass er bis zur Einführung seines Nachfolgers im Amt bleiben werde (diese Zeitung berichtete).
Der parteilose Dr. Călin Georgescu hatte den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Rumänien am 24. November überraschend mit rund 23 Prozent der Stimmen für sich entschieden und sollte in der Stichwahl gegen die Zweitplatzierte Elena Lasconi (USR), die 19,2 Prozent erzielt hatte, antreten. Das Verfassungsgericht annullierte jedoch die Wahl wegen der Einmischung Russlands in die Wahl und ordnete eine Wiederholung der gesamten Wahl an. Die Regierung kündigte als Termine für die Neuwahlen den 4. und 18. Mai 2025 an und stellte als gemeinsamen Kandidaten Crin Antonescu, ehemaliger PNL-Vorsitzender (2009 bis 2014), auf.
Călin Georgescu habe eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingereicht, berichtet der Spiegel. Er verlangt, dass die Annullierung des ersten Wahlgangs rückgängig gemacht und der zweite Wahlgang abgehalten wird. Seine Eingaben gegen die Annullierung der Wahl wurden vom Appellationsgericht und Obersten Gerichtshof in Bukarest abgelehnt.
Wie der Standard berichtet, gerät die PNL in Erklärungsnot. Für ihre Wahlkampagne auf TikTok hatten die Liberalen die Agentur Kensington Communication bezahlt, die überraschenderweise zum Sieg des rechtsextremen Georgescu beigetragen habe.
Zehntausende Bürger und Bürgerinnen, die sich in der Ausübung ihres Wahlrechtes behindert sehen, aber auch unzufrieden mit der korrupten politischen Klasse ihres Landes sind, gehen inzwischen auf die Straße. Am 10. Januar versammelten sie sich vor dem Verfassungsgericht und forderten die Aufnahme der Stichwahl der Präsidentschaftswahl. Zu Massenprotesten rief die AUR-Partei am 12. Januar in Bukarest auf. Wie die ADZ berichtet, zogen die Demonstranten vom Universitätsplatz zum Victoria- und dann zum Cotroceni-Palast, wo sie den Rücktritt von Präsident Johannis forderten, da sie die Weiterführung seines Mandats als unrechtmäßig erachteten.
Siegbert Bruss
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Schlagwörter: Präsidentschaftswahlen, Parlamentswahlen, Regierung, Klaus Johannis, Ciolacu
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