24. November 2018

Die beste Zeit ist heute: Auftakt der EKR-Reihe "Gesichter – Grenzen – Geschwister" in Bukarest

Vom 9. bis 11. November2018 fand in Bukarest die Auftaktveranstaltung des evangelischen Gedenkens zu der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg statt. Die Reihe soll bis 2021 unter dem Motto „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ auf den Zusammenhalt von Christen – trotz immer wieder wechselnden Grenzen – hinweisen. In Bukarest hieß es „Hundert Jahre zusammen“, da sich die evangelischen Gemeinden des Altreichs unter den neuen staatlichen Gegebenheiten an die Evangelische Kirche in Siebenbürgen anschlossen.
„Die beste Zeit ist heute“, antwortete Dr. Peter Datculescu, Direktor des Umfrageinstituts IRSOP, als bei der Pressekonferenz im Evangelischen Pfarramt Bukarest gefragt wurde, welches in den letzten hundert Jahren die beste Zeit für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) gewesen sei. Diese Aussage hielt die Auftaktveranstaltung im Gleichgewicht und stellte den Gegenpol zur Erinnerungskultur dar.
Bischof Reinhart Guib hielt die Predigt in der ...
Bischof Reinhart Guib hielt die Predigt in der evangelischen Kirche in Bukarest. Foto: Rainer Lehni
Verständlicherweise wurde die Vergangenheit besonders hervorgehoben und an eine Zeit gedacht, als die evangelischen Gemeinden des Altreichs 20 000 Mitglieder zählten und Bukarest die zweitgrößte deutschsprachige Gemeinschaft außerhalb des geschlossenen Sprachraums – nach Sankt Petersburg – beherbergte. Gesicht und Nestor dieser vergangenen Epoche war und bleibt Stadtpfarrer Hans Petri (1880-1974). Aber auch an deutsche Konsuln, Königinnen und Barone sowie an die Leitung durch das preußische Oberkonsistorium aus Berlin erinnerte man sich dankbar. Das geschah im Vortrag des Stadtpfarrers Dr. Daniel Zikeli, der den Prozess von dem Synodalverband der evangelischen Gemeinden an der unteren Donau zu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien beleuchtete, sowie in einer TV-Filmvorführung und bei der Präsentation der Bücher von Hans Petri. Die Ausstellung der Kirchengemeinde arbeitet die Vergangenheit gekonnt und sichtbar auf.
Podiumsgespräch in der evangelischen Kirche in ...
Podiumsgespräch in der evangelischen Kirche in Bukarest, von links nach rechts: Dr. Stefan Cosoroaba, Dr. Pal Lackner, Reinhart Guib, Prof. Dr. Wilhelm Hüffmeier, Prof. Dr. Karl Schwarz und Andrei Pinte. Foto: Rainer Lehni
Das Thema „Hundert Jahre zusammen“ enthält das Zauberwort „Zusammen“, das den Ablauf der Auftaktveranstaltung deutlich prägte und zugleich eine entscheidende Rolle in der Zukunft der evangelischen Gemeinde in Bukarester spielen könnte.

Das strukturelle „Zusammen“ mit den Evangelischen aus Siebenbürgen ist schon in den letzten hundert Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Die beiden Pfarrer, Daniel Zikeli und Andrei Pinte, stammen von dort und sind in Hermannstadt ausgebildet worden. Die Zusammengehörigkeit mit Siebenbürgen brachte Bischof Reinhart Guib durch seine Anwesenheit und Predigt sinnbildlich zum Ausdruck. Auch die Teilnahme von Rainer Lehni als Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in Deutschland zeigte, dass das Altreich von den Sachsen „adoptiert“ wurde. Die Zukunft liegt in der Ausweitung solchen gemeinsamen Tuns auf mehreren Ebenen. So wurde dieses programmatische „Zusammen“ z.B. konkret mit der internationalen Ökumene sichtbar. Es waren Gäste aus Ungarn, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Deutschland zugegen, die alle großes Interesse am evangelischen Bukarest zeigten. Sie kamen mit Bischof Pál Lackner (Budapest), Prof. Dr. Karl Schwarz (Wien) und Dr. Wilhelm Hüffmeier (Berlin) bei der Podiumsdiskussion über den Weg der evangelischen Gemeinden in der Neuordnung Europas – zusammen mit den Gastgebern – zu Wort. Das evangelische Leben innerhalb des Altreichs selbst steht und fällt mit dem Zusammen der verstreuten evangelischen Gläubigen, die zu dem Gedenken aus dem Dreieck Jassy/Iași – Konstanza/Constanța – Craiova angereist waren. Selbst in Bukarest ist es schon eine Herausforderung, die Gemeindeglieder von Drumul Taberei bis Militari zusammenzuführen!
Ausstellungsbanner Hans Petri, ehemaliger ...
Ausstellungsbanner Hans Petri, ehemaliger Bukarester Stadtpfarrer, an den bei der Veranstaltung in Bukarest erinnert wurde. Foto: Rainer Lehni
Das Zusammensein aller evangelischen Gemeinschaften als geschwisterliche Schicksalsgemeinschaft wurde auch in der Ausstellung „Gesichter“ verdeutlicht. Ebenso ist das Zusammensein mit der Bukarester Öffentlichkeit inzwischen gelebte Realität. So wurden zum Orgelkonzert von Vlad Năstase die Musikliebhaber der Stadt mit eingeladen, und sie sind auch gekommen. Gleiches gilt auch für das sprachliche „Zusammen“, wurde doch am Haupttag der Veranstaltung durchgehend ins Rumänische übersetzt. Es lässt sich aber auch zusammen mit den Menschen, die in der Vergangenheit biographisch mit Bukarest verbunden waren, Zukunft bauen. Das zeigten Udo Acker, der Enkelsohn von Hans Petri, und der ehemalige Bukarester Pfarrer Christian Reich, die speziell zur Veranstaltung angereist waren. Nachholbedarf im Zusammen-Sein mit der lokalen Ökumene sollte aber auch angezeigt werden. Dankenswerterweise kamen zur Veranstaltung Vertreter der griechisch-katholischen und armenischen Kirche, leider aber keiner der großen orthodoxen, römisch-katholischen oder auch reformierten Kirchen. Das ist und bleibt ein Stachel im Fleisch.

Die Auftaktveranstaltung in Bukarest enthielt damit eine doppelte Botschaft: Einesteils war es der Stolz und die Genugtuung angesichts einer großen Vergangenheit der evangelischen Gemeinden im Altreich, andernteils der Impuls zur klugen Nutzung der geschenkten Gaben im Jetzt und Heute.
Die evangelische Kirche in Bukarest. Foto Rainer ...
Die evangelische Kirche in Bukarest. Foto Rainer Lehni
Der nächste Schritt von „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ bringt Menschen am 7. April 2019 im westrumänischen Nadlak/Nădlac bei Arad zusammen, wo die Geschwister nicht nur unter den deutschen Evangelischen gesucht werden, sondern auch unter den slowakischen und ungarischen.

Stefan Cosoroabă

Schlagwörter: EKR, EKR-Reihe "Gesichter – Grenzen – Geschwister", Bukarest

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