27. September 2024
Forstverein Nordrhein-Westfalen besucht Siebenbürgen
Siebenbürgen war vom 23. bis 30. Juni Ziel einer Fortbildungsreise des Forstvereins für Nordrhein-Westfalen. Dabei sollte neben typischen forstlichen Themen auch die Gelegenheit genutzt werden, das Land, seine Kultur und seine Geschichte kennenzulernen. Daraus ergab sich eine interessante und vielseitige Reise durch Siebenbürgen mit vielfältigsten Eindrücken. Die Reise hatte Horst Dengel, ehemaliger Forstamtsleiter in der Eifel und gebürtiger Siebenbürger, perfekt vorbereitet. Horst Dengel war Organisator und permanenter Übersetzer während der Reise. Vielen Dank dafür und auch für den schönen Abend bei Familie Dengel in deren Haus in Hermannstadt!
Nach der Ankunft am Sonntagnachtmittag wurde zunächst einmal die historische Altstadt von Hermannstadt erkundet. Horst Dengel führte die Reisegruppe durch die schöne Innenstadt. Hermannstadt beeindruckte die Besucher nicht nur durch wunderschöne alte Bausubstanz, sondern auch als lebendige moderne Stadt. Das gerade beginnende Theaterfestival tat ein Übriges, um diesen Eindruck noch zu verstärken.
Der Montag startete dann mit einem Vortrag von Prof. Ioana Creţu von der Lucian Blaga Universität über Geschichte und Kultur Rumäniens im allgemeinen und Siebenbürgen im Besonderen. Bei dem sich anschließenden Besuch im Freilichtmuseum Astra wurden die Kenntnisse über das Gastland weiter vertieft. Prof. Creţu begleitete die Gruppe auch bei der Führung durch die beeindruckende Anlage.
Nachmittags stand dann der erste forstliche Programmpunkt auf der Agenda: der Besuch im kommunalen Forstamt Rășinari unter Führung seines Leiters Ing. Adrian Creţu. Zunächst wurde die Baumschule des Forstamts besichtigt, bevor im Forstamt über die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte berichtet wurde.
Am dritten Tag der Reise stand moderne Holzbearbeitung beim Besuch des Großsägewerks in Mühlbach auf dem Programm. Das Werk wurde im Jahr 2004 durch die Firma Schweighofer erstmals in Betrieb genommen. Die bayerische Firma Ziegler betreibt es nun nach der Übernahme seit August 2023.
In Mühlbach werden von der Firma Ziegler 620 Arbeitskräfte beschäftigt. Es werden vornehmlich Weißtanne, Fichte und Kiefer verarbeitet. Ein Teil der Hölzer wird aus Polen, Deutschland und Ungarn importiert und per Bahn ins Werk angeliefert.
Nach dem Besuch im Sägewerk ging es zum Holzplatz des Forstamtes Reußmarkt, wo das eingeschlagene Holz des Forstamtes sortiert und für den Verkauf gelagert wird. Bei einem großzügigen Imbiss bestand die Gelegenheit über diese Form der Holzbereitstellung und des Holzverkaufes, der auch in Deutschland praktiziert wurde, zu diskutieren. Schließlich ging es dann in den Wald, wo das Vorgehen bei der natürlichen Verjüngung von Eichenwäldern gezeigt und erläutert wurde. Wie immer, wenn Förster im Wald diskutieren, gibt es unterschiedliche Meinungen über das richtige Vorgehen im Detail.
Abends stand eine Weinprobe im Weingut Apoldium bei Großpold auf dem Programm. Mitten in den Weibergen in einer wunderschönen Laube, mit toller Aussicht über die Landschaft konnten verschiedene Weine bei einem Imbiss gekostet werden. Qualität und Geschmack der hiesigen Weine fanden guten Anklang, sodass einige Teilnehmer den Abend sicherlich gerne noch etwas ausgedehnt hätten.
Am nächsten Morgen stand der Besuch bei der Forstdirektion in Hermannstadt auf dem Programm. Im Gebäude der Forstdirektion erläuterten uns deren Direktor Ing. Ilie Troancă und einige seiner Mitarbeiter zunächst Natur und Landschaft der Forstdirektion und beschrieben die Aufgaben ihre Dienststelle. Als eine von 41 Forstdirektionen des Landesforstbetriebes Romsilva bewirtschaftet sie rund 115 000 ha Wald, davon 61 000 ha Staatswald. Die Forstdirektion besteht aus acht Forstämtern, die für die Bewirtschaftung vor Ort zuständig sind. Alle Waldflächen werden ausschließlich mit den in der Region natürlich vorkommenden Baumarten verjüngt. Baumarten aus anderen Regionen der Erde, die in gewissem Umfang in Deutschland, auch als Reaktion auf den Klimawandel, angepflanzt werden, spielen keine Rolle.
Mit dem Bus ging es dann durch die schöne Gebirgslandschaft hinauf auf den Karpartenkamm zum Bulea See. Auf dem Rückweg konnten an einem Parkplatz eine Bärin mit drei Jungtieren beobachtet werden. Danach wurde es wieder forstlich bei der Besichtigung einer Plantage, die der Gewinnung von Saatgut von Weißtanne dient. Die geernteten Baumsamen werden weit überwiegend in der Forstdirektion Hermannstadt verbraucht. Nur überschüssigen Mengen werden, auch nach Deutschland, verkauft.
Am Donnerstagmorgen klingelte der Wecker dann eine halbe Stunde eher als in den letzten Tagen. Nach Frühstück und Check-out ab in den Reisebus und auf in das ca. 80 km entfernte Șinca, Richtung Kronstadt. Außerhalb von Hermannstadt wurde es ländlich, der Weg führte durch das Niederungsgebiet des Alt. Kleine Äcker mit Kartoffeln, Mais, schnittreifer Gerste, milchreifem Hafer, Altstörche auf frisch geschnittenen Wiesen bei der Nahrungssuche für die Jungstörche, die links und rechts von den dörflichen Straßen in Horsten auf Dächern, Strommasten, Straßenlaternen – eigentlich auf allem, was irgendwie hoch und zu bebauen war, auf Nahrung warteten.
Kurz vor dem Ziel, dem wir uns mit einer gehörigen Verspätung wegen der Sperrungen auf den Straßen näherten, schwieriger Begegnungsverkehr mit einem Holztransporter. Einige cm trennten uns auf dem ohnehin rutschigen nassen Weg vom Wegeseitengraben. Mit angehaltenem Atem und dank der Fahrkunst des Busführers ging alles gut. An der Endstation für den Bus warteten Dietmar Gross und ein Mitarbeiter der dortigen Forstverwaltung, sie verteilen uns auf bereitgestellte Autos und fahren mit uns tief in den Wald.
Rasch verflogen ist die leichte Verschnupfung wegen unserer Unpünktlichkeit und ein begeisterter und begeisternder Forstmann macht die Besucher mit den „Urwäldern“ vertraut. Nachdem er 1973 aus Rumänien ausgewandert war, in München sein Forststudium beendet hatte und zum Ende seiner Dienstzeit das Forstamt Lichtenfels geleitet hat, lebt der mit der Karl-Gayer-Medaille ausgezeichnete Dietmar Gross seit 2010 wieder in Siebenbürgen und organisiert von seinem Wahlheimatdorf Deutsch-Weißkirch aus Reisen und Führungen in Karpatenwaldregionen.
Mit einer Größe von ca. 23 000 Hektar beherbergt Rumänien den zweitgrößten Anteil an alten Buchenwäldern und Buchenurwäldern innerhalb der UNESCO-Welterbe-Reihe. Auf steilen Pfaden durchwanderte die Gruppe in einem schwach erschlossenen Gebiet das knapp 400 ha große Urwaldgebiet Codrul Secular Șinca (seit 2010 eines von acht Unesco-Wald-Welterbe-Gebieten in Rumänien). Bären, Wölfe und Luchse sind allgegenwärtig, so Gross. Vorbei an Dauermessstationen, die nicht so recht zu der Unberührtheit des Gebietes passen wollen, passieren wir riesige Wurzelteller von geworfenen Bäumen, klettern über am Boden liegende tote Bäume und suchen uns einen Picknickplatz. Nach der Exkursion in den Urwald geht es dann weiter nach Kronstadt, wo die Gruppe in den nächsten Tagen untergebracht ist. Am Abend findet noch ein Gespräch mit Alexandra Popa und Mihai Boghean von FSC Rumänien statt. Die beiden berichten aus ihrer Arbeit für die Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung.
Am nächsten Morgen war die Gruppe des Forstvereins dann zu Gast an der Universitatea Transilvania Brașov. Dort vermittelte Prof. Alexandru Lucian Curtu einen sehr guten und strukturierten Gesamtüberblick über Wald, Forstwirtschaft und die forstliche Hochschulausbildung in Rumänien. Etwa 30 % des Landes ist mit Wald bedeckt, was einer Fläche von 7,03 Millionen Hektar entspricht. Vor allem die Gebirgsregionen sind stark bewaldet. In den Niederungen und im Hügelland überwiegen Buchen-Eichenwälder, in den mittleren Gebirgslagen zwischen 700 und 1200 m ü. NN herrschen Buchen-Tannen-Fichten-Mischwälder vor, in den Höhenlagen über 1400 m dominiert der Fichtenwald. Insgesamt werden 120 unterschiedliche Waldtypen unterschieden. Er berichtet auch von den Ergebnissen der Forstinventur. In Rumänien wächst deutlich mehr Holz zu als geerntet wird.
Nach dem Besuch der Hochschule standen dann für den Rest des Tages kulturelle Themen an. Zunächst war der Besuch von Schloss Peleș ein kulturelles Highlight unserer Rumänienreise. Eingebettet in die wunderschöne Landschaft der Südkarpaten, umgeben von einem weitläufigen Park im englischen Stil, wirkt das Schloss mit seinen Türmchen, Giebeln, Erkern und zahlreichen Terrassen trotz der Größe verspielt und romantisch. Dazu trägt besonders die Verwendung von Fachwerk in den Obergeschossen und Giebelzimmern bei. Das Besondere an diesem Schloss ist aber, dass es nach den modernsten technischen Maßstäben ausgestattet wurde: es ist vollständig elektrifiziert, hat Telefon, besitzt eine Zentralheizung, ein Lüftungssystem, fließendes Warmwasser, elektrische Aufzüge und eine zentrale Staubsaugeranlage. Als relativ junges Schloss (knapp 150 Jahre alt) ist es sehr gut erhalten, und man kann heute noch die vollständig eingerichteten Räumlichkeiten besichtigen.
Besonders würdigen muss man die üppige Ausgestaltung der Zimmer mit Materialien, die höchstes handwerkliches Können erfordern sowie die Möblierung und liebevolle Dekoration mit erlesenen, luxuriösen Objekten und Bildern großer Künstler. Dabei wurde an kostbaren Materialien nicht gespart (Muranoglas, florentinisches Kristall), sie wurden sorgfältig ausgesucht und aus verschiedenen Ländern importiert. Es wurde viel Holz verwendet (Walnuss, Esche, Linde, Eiche), auch zur kompletten Verkleidung der Decken und Wände. In manchen Räumen wirkt es fast überladen. Mit der Möblierung und sonstigen Ausstattung (z.B. Fenster, Glasmalereien) wurden erstklassige Handwerksbetriebe aus Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich beauftragt. Für die Malereien und Bilder wurden namhafte Künstler auswählt u.a. Gustav Klimt und George Peter Alexander Healy, und von vielen Werken großer Meister ließ man Kopien herstellen, etwa von Dürer, Rembrandt, Rubens, van Dyck, Raffael, Michelangelo. Häufig ließ man sich von „Vorbildern“ aus anderen europäischen Gebäuden inspirieren. Die Treppe in der Ehrenhalle ist z. B. der Treppe im Bremer Rathaus nachempfunden, und der neue Audienzsaal wurde nach dem Vorbild des Luzerner Rathauses mit Tafeln verschiedener Holzarten verkleidet. Schloss Peleș ist unbedingt eine Besichtigung wert!
Der Freitagabend wurde dann beschlossen mit einer Stadtführung durch Kronstadt. Der Stadtführer Horst Schuler begrüßte die Gruppe mit den Worten: „Bei uns kann jeder anständige Mensch Förster werden, aber ein Förster wird nie mehr ein anständiger Mensch.“ Seine Stadtführung war so interessant wie kurzweilig. Herr Schuler verstand es, die reichhaltige Stadtgeschichte mit interessanten und lustigen Anekdoten lebhaft zu vermitteln. Die Besucher erlebten Kronstadt als eine lebendige Stadt mit einer reichen kulturellen Vielfalt und einer bewegten Geschichte, die sich in ihren architektonischen Denkmälern und ihrem kulturellen Erbe widerspiegelt. Am folgenden Samstagmorgen hieß es Abschied nehmen von Kronstadt. Durch das Siebenbürger Hügelland ging es mit dem Bus über Mediasch zurück nach Hermannstadt. Erster Besichtigungspunkt an der Strecke war die Kirchenburg in Birthälm. Dort wurden wir vom ehemaligen Forstamtsleiter des Forstamtes Mediasch schon mit einem kleinen Imbiss begrüßt. Bei herrlichem Wetter war der Besuch der Kirchenburg ein tolles Erlebnis. Natürlich standen auch am Samstag noch forstliche Themen auf dem Programm. Im Forstamt Mediasch, wo wir auch gut verpflegt wurden, berichtete der Forstamtsleiter und sein Team über ihre Arbeit. Die anschließende Exkursion führte dann nach Kleinkopisch. Dort hatte es in der Vergangenheit, durch Emissionen aus Industriebetrieben massive Umweltschäden gegeben, die zu einem massiven Absterben der Wälder geführt hatten. Nachdem die Industriebetriebe aufgegeben wurden, konnten die einst kahlen Flächen wieder erfolgreich aufgeforstet werden, sodass die Wunden in der Landschaft heute kaum noch sichtbar sind.
Zurück in Hermannstadt trafen wir uns am Abschlussabend nochmals mit einigen unserer Gastgeber und bedankten uns für ihren Beitrag zu unserer erlebnisreichen Reise.
In der einen Woche haben wir in Siebenbürgen viel erlebt und gesehen. Wir konnten herzliche Gastfreundschaft und nette Menschen kennenlernen, sodass einige aus unserer Gruppe fest entschlossen sind, wiederzukommen und das Land nochmal zu besuchen.
Wir haben Rumänien als gastfreundliches Land mit vielfältiger Kultur und Natur, lebendigen Städten und herrlicher Landschaft erlebt. Über die rumänische Forstwirtschaft wird in Deutschland häufig nur in Zusammenhang mit illegalem Holzeinschlag und Großkahlschlägen berichtet. Das ist eine sehr einseitige Darstellung und wie wir erfahren haben eben nicht die Regel. Engagierte Förster und Waldbesitzende betreiben auch hier nachhaltige naturnahe Forstwirtschaft und schützen aktiv einige der letzten Urwälder Europas. Dafür gebührt ihnen Dank und Respekt.
Der Montag startete dann mit einem Vortrag von Prof. Ioana Creţu von der Lucian Blaga Universität über Geschichte und Kultur Rumäniens im allgemeinen und Siebenbürgen im Besonderen. Bei dem sich anschließenden Besuch im Freilichtmuseum Astra wurden die Kenntnisse über das Gastland weiter vertieft. Prof. Creţu begleitete die Gruppe auch bei der Führung durch die beeindruckende Anlage.
Nachmittags stand dann der erste forstliche Programmpunkt auf der Agenda: der Besuch im kommunalen Forstamt Rășinari unter Führung seines Leiters Ing. Adrian Creţu. Zunächst wurde die Baumschule des Forstamts besichtigt, bevor im Forstamt über die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte berichtet wurde.
Am dritten Tag der Reise stand moderne Holzbearbeitung beim Besuch des Großsägewerks in Mühlbach auf dem Programm. Das Werk wurde im Jahr 2004 durch die Firma Schweighofer erstmals in Betrieb genommen. Die bayerische Firma Ziegler betreibt es nun nach der Übernahme seit August 2023.
In Mühlbach werden von der Firma Ziegler 620 Arbeitskräfte beschäftigt. Es werden vornehmlich Weißtanne, Fichte und Kiefer verarbeitet. Ein Teil der Hölzer wird aus Polen, Deutschland und Ungarn importiert und per Bahn ins Werk angeliefert.
Nach dem Besuch im Sägewerk ging es zum Holzplatz des Forstamtes Reußmarkt, wo das eingeschlagene Holz des Forstamtes sortiert und für den Verkauf gelagert wird. Bei einem großzügigen Imbiss bestand die Gelegenheit über diese Form der Holzbereitstellung und des Holzverkaufes, der auch in Deutschland praktiziert wurde, zu diskutieren. Schließlich ging es dann in den Wald, wo das Vorgehen bei der natürlichen Verjüngung von Eichenwäldern gezeigt und erläutert wurde. Wie immer, wenn Förster im Wald diskutieren, gibt es unterschiedliche Meinungen über das richtige Vorgehen im Detail.
Abends stand eine Weinprobe im Weingut Apoldium bei Großpold auf dem Programm. Mitten in den Weibergen in einer wunderschönen Laube, mit toller Aussicht über die Landschaft konnten verschiedene Weine bei einem Imbiss gekostet werden. Qualität und Geschmack der hiesigen Weine fanden guten Anklang, sodass einige Teilnehmer den Abend sicherlich gerne noch etwas ausgedehnt hätten.
Am nächsten Morgen stand der Besuch bei der Forstdirektion in Hermannstadt auf dem Programm. Im Gebäude der Forstdirektion erläuterten uns deren Direktor Ing. Ilie Troancă und einige seiner Mitarbeiter zunächst Natur und Landschaft der Forstdirektion und beschrieben die Aufgaben ihre Dienststelle. Als eine von 41 Forstdirektionen des Landesforstbetriebes Romsilva bewirtschaftet sie rund 115 000 ha Wald, davon 61 000 ha Staatswald. Die Forstdirektion besteht aus acht Forstämtern, die für die Bewirtschaftung vor Ort zuständig sind. Alle Waldflächen werden ausschließlich mit den in der Region natürlich vorkommenden Baumarten verjüngt. Baumarten aus anderen Regionen der Erde, die in gewissem Umfang in Deutschland, auch als Reaktion auf den Klimawandel, angepflanzt werden, spielen keine Rolle.
Mit dem Bus ging es dann durch die schöne Gebirgslandschaft hinauf auf den Karpartenkamm zum Bulea See. Auf dem Rückweg konnten an einem Parkplatz eine Bärin mit drei Jungtieren beobachtet werden. Danach wurde es wieder forstlich bei der Besichtigung einer Plantage, die der Gewinnung von Saatgut von Weißtanne dient. Die geernteten Baumsamen werden weit überwiegend in der Forstdirektion Hermannstadt verbraucht. Nur überschüssigen Mengen werden, auch nach Deutschland, verkauft.
Am Donnerstagmorgen klingelte der Wecker dann eine halbe Stunde eher als in den letzten Tagen. Nach Frühstück und Check-out ab in den Reisebus und auf in das ca. 80 km entfernte Șinca, Richtung Kronstadt. Außerhalb von Hermannstadt wurde es ländlich, der Weg führte durch das Niederungsgebiet des Alt. Kleine Äcker mit Kartoffeln, Mais, schnittreifer Gerste, milchreifem Hafer, Altstörche auf frisch geschnittenen Wiesen bei der Nahrungssuche für die Jungstörche, die links und rechts von den dörflichen Straßen in Horsten auf Dächern, Strommasten, Straßenlaternen – eigentlich auf allem, was irgendwie hoch und zu bebauen war, auf Nahrung warteten.
Kurz vor dem Ziel, dem wir uns mit einer gehörigen Verspätung wegen der Sperrungen auf den Straßen näherten, schwieriger Begegnungsverkehr mit einem Holztransporter. Einige cm trennten uns auf dem ohnehin rutschigen nassen Weg vom Wegeseitengraben. Mit angehaltenem Atem und dank der Fahrkunst des Busführers ging alles gut. An der Endstation für den Bus warteten Dietmar Gross und ein Mitarbeiter der dortigen Forstverwaltung, sie verteilen uns auf bereitgestellte Autos und fahren mit uns tief in den Wald.
Rasch verflogen ist die leichte Verschnupfung wegen unserer Unpünktlichkeit und ein begeisterter und begeisternder Forstmann macht die Besucher mit den „Urwäldern“ vertraut. Nachdem er 1973 aus Rumänien ausgewandert war, in München sein Forststudium beendet hatte und zum Ende seiner Dienstzeit das Forstamt Lichtenfels geleitet hat, lebt der mit der Karl-Gayer-Medaille ausgezeichnete Dietmar Gross seit 2010 wieder in Siebenbürgen und organisiert von seinem Wahlheimatdorf Deutsch-Weißkirch aus Reisen und Führungen in Karpatenwaldregionen.
Mit einer Größe von ca. 23 000 Hektar beherbergt Rumänien den zweitgrößten Anteil an alten Buchenwäldern und Buchenurwäldern innerhalb der UNESCO-Welterbe-Reihe. Auf steilen Pfaden durchwanderte die Gruppe in einem schwach erschlossenen Gebiet das knapp 400 ha große Urwaldgebiet Codrul Secular Șinca (seit 2010 eines von acht Unesco-Wald-Welterbe-Gebieten in Rumänien). Bären, Wölfe und Luchse sind allgegenwärtig, so Gross. Vorbei an Dauermessstationen, die nicht so recht zu der Unberührtheit des Gebietes passen wollen, passieren wir riesige Wurzelteller von geworfenen Bäumen, klettern über am Boden liegende tote Bäume und suchen uns einen Picknickplatz. Nach der Exkursion in den Urwald geht es dann weiter nach Kronstadt, wo die Gruppe in den nächsten Tagen untergebracht ist. Am Abend findet noch ein Gespräch mit Alexandra Popa und Mihai Boghean von FSC Rumänien statt. Die beiden berichten aus ihrer Arbeit für die Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung.
Am nächsten Morgen war die Gruppe des Forstvereins dann zu Gast an der Universitatea Transilvania Brașov. Dort vermittelte Prof. Alexandru Lucian Curtu einen sehr guten und strukturierten Gesamtüberblick über Wald, Forstwirtschaft und die forstliche Hochschulausbildung in Rumänien. Etwa 30 % des Landes ist mit Wald bedeckt, was einer Fläche von 7,03 Millionen Hektar entspricht. Vor allem die Gebirgsregionen sind stark bewaldet. In den Niederungen und im Hügelland überwiegen Buchen-Eichenwälder, in den mittleren Gebirgslagen zwischen 700 und 1200 m ü. NN herrschen Buchen-Tannen-Fichten-Mischwälder vor, in den Höhenlagen über 1400 m dominiert der Fichtenwald. Insgesamt werden 120 unterschiedliche Waldtypen unterschieden. Er berichtet auch von den Ergebnissen der Forstinventur. In Rumänien wächst deutlich mehr Holz zu als geerntet wird.
Nach dem Besuch der Hochschule standen dann für den Rest des Tages kulturelle Themen an. Zunächst war der Besuch von Schloss Peleș ein kulturelles Highlight unserer Rumänienreise. Eingebettet in die wunderschöne Landschaft der Südkarpaten, umgeben von einem weitläufigen Park im englischen Stil, wirkt das Schloss mit seinen Türmchen, Giebeln, Erkern und zahlreichen Terrassen trotz der Größe verspielt und romantisch. Dazu trägt besonders die Verwendung von Fachwerk in den Obergeschossen und Giebelzimmern bei. Das Besondere an diesem Schloss ist aber, dass es nach den modernsten technischen Maßstäben ausgestattet wurde: es ist vollständig elektrifiziert, hat Telefon, besitzt eine Zentralheizung, ein Lüftungssystem, fließendes Warmwasser, elektrische Aufzüge und eine zentrale Staubsaugeranlage. Als relativ junges Schloss (knapp 150 Jahre alt) ist es sehr gut erhalten, und man kann heute noch die vollständig eingerichteten Räumlichkeiten besichtigen.
Besonders würdigen muss man die üppige Ausgestaltung der Zimmer mit Materialien, die höchstes handwerkliches Können erfordern sowie die Möblierung und liebevolle Dekoration mit erlesenen, luxuriösen Objekten und Bildern großer Künstler. Dabei wurde an kostbaren Materialien nicht gespart (Muranoglas, florentinisches Kristall), sie wurden sorgfältig ausgesucht und aus verschiedenen Ländern importiert. Es wurde viel Holz verwendet (Walnuss, Esche, Linde, Eiche), auch zur kompletten Verkleidung der Decken und Wände. In manchen Räumen wirkt es fast überladen. Mit der Möblierung und sonstigen Ausstattung (z.B. Fenster, Glasmalereien) wurden erstklassige Handwerksbetriebe aus Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich beauftragt. Für die Malereien und Bilder wurden namhafte Künstler auswählt u.a. Gustav Klimt und George Peter Alexander Healy, und von vielen Werken großer Meister ließ man Kopien herstellen, etwa von Dürer, Rembrandt, Rubens, van Dyck, Raffael, Michelangelo. Häufig ließ man sich von „Vorbildern“ aus anderen europäischen Gebäuden inspirieren. Die Treppe in der Ehrenhalle ist z. B. der Treppe im Bremer Rathaus nachempfunden, und der neue Audienzsaal wurde nach dem Vorbild des Luzerner Rathauses mit Tafeln verschiedener Holzarten verkleidet. Schloss Peleș ist unbedingt eine Besichtigung wert!
Der Freitagabend wurde dann beschlossen mit einer Stadtführung durch Kronstadt. Der Stadtführer Horst Schuler begrüßte die Gruppe mit den Worten: „Bei uns kann jeder anständige Mensch Förster werden, aber ein Förster wird nie mehr ein anständiger Mensch.“ Seine Stadtführung war so interessant wie kurzweilig. Herr Schuler verstand es, die reichhaltige Stadtgeschichte mit interessanten und lustigen Anekdoten lebhaft zu vermitteln. Die Besucher erlebten Kronstadt als eine lebendige Stadt mit einer reichen kulturellen Vielfalt und einer bewegten Geschichte, die sich in ihren architektonischen Denkmälern und ihrem kulturellen Erbe widerspiegelt. Am folgenden Samstagmorgen hieß es Abschied nehmen von Kronstadt. Durch das Siebenbürger Hügelland ging es mit dem Bus über Mediasch zurück nach Hermannstadt. Erster Besichtigungspunkt an der Strecke war die Kirchenburg in Birthälm. Dort wurden wir vom ehemaligen Forstamtsleiter des Forstamtes Mediasch schon mit einem kleinen Imbiss begrüßt. Bei herrlichem Wetter war der Besuch der Kirchenburg ein tolles Erlebnis. Natürlich standen auch am Samstag noch forstliche Themen auf dem Programm. Im Forstamt Mediasch, wo wir auch gut verpflegt wurden, berichtete der Forstamtsleiter und sein Team über ihre Arbeit. Die anschließende Exkursion führte dann nach Kleinkopisch. Dort hatte es in der Vergangenheit, durch Emissionen aus Industriebetrieben massive Umweltschäden gegeben, die zu einem massiven Absterben der Wälder geführt hatten. Nachdem die Industriebetriebe aufgegeben wurden, konnten die einst kahlen Flächen wieder erfolgreich aufgeforstet werden, sodass die Wunden in der Landschaft heute kaum noch sichtbar sind.
Zurück in Hermannstadt trafen wir uns am Abschlussabend nochmals mit einigen unserer Gastgeber und bedankten uns für ihren Beitrag zu unserer erlebnisreichen Reise.
In der einen Woche haben wir in Siebenbürgen viel erlebt und gesehen. Wir konnten herzliche Gastfreundschaft und nette Menschen kennenlernen, sodass einige aus unserer Gruppe fest entschlossen sind, wiederzukommen und das Land nochmal zu besuchen.
Wir haben Rumänien als gastfreundliches Land mit vielfältiger Kultur und Natur, lebendigen Städten und herrlicher Landschaft erlebt. Über die rumänische Forstwirtschaft wird in Deutschland häufig nur in Zusammenhang mit illegalem Holzeinschlag und Großkahlschlägen berichtet. Das ist eine sehr einseitige Darstellung und wie wir erfahren haben eben nicht die Regel. Engagierte Förster und Waldbesitzende betreiben auch hier nachhaltige naturnahe Forstwirtschaft und schützen aktiv einige der letzten Urwälder Europas. Dafür gebührt ihnen Dank und Respekt.
Rudolf Hansknecht, Vorsitzender des Forstvereins Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter: NRW, Forstverein, Reise, Wald, Karpaten
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