22. März 2025
Kandidaten für Präsidentschaftswahl in Rumänien geklärt, aber offene Fragen bleiben
Die rumänische Wahlkommission BEC hat Călin Georgescu, den aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl, und die rechtsextreme Bewerberin Diana Șoșoacă, Vorsitzende der S.O.S. România, von den Präsidentschaftswahlen, die für den 4. und 18. Mai geplant sind, ausgeschlossen. Für die „Souveranisten“ wird stattdessen George Simion, Vorsitzender der Allianz für die Union der Rumänen (AUR), antreten. Anamaria Gavrilă von der Partei der Jungen Menschen (POT), die ebenfalls zur Wahl zugelassen wurde, zog ihre Kandidatur zurück, um die Chancen Simions für das höchste Staatsamt Rumäniens zu erhöhen. Die Regierungskoalition, bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei, den Liberalen PNL und dem Ungarnverband UDMR, schickt als gemeinsamen Kandidaten den ehemaligen Senatschef Crin Antonescu ins Rennen.

Am 24. November 2024 hatte Călin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit rund 23 Prozent gewonnen, doch das rumänische Verfassungsgericht erklärte den ersten Wahlgang am 6. Dezember, als die Stichwahl in der Diaspora schon begonnen hatte, wegen des Verdachts auf Wahleinmischung Russlands für ungültig. Seither befindet sich Rumänien in einer politischen Krise. Viele atmen nun erleichtert auf, nachdem Georgescu als Präsidentschaftskandidat abgewiesen wurde, doch viele offene Fragen bleiben.
Am 26. Februar leitete die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn ein. Ihm werden u.a. falsche Angaben zur Finanzierung seines Wahlkampfs und zu seinen Vermögensverhältnissen zur Last gelegt. In einer Großkundgebung am 1. März sprachen sich Zehntausende für Călin Georgescu und die Wiederaufnahme der annullierten Wahlen aus.
Am 9. März lehnte die Wahlkommission (BEC) Georgescus Kandidatur mit der Begründung ab, dass „Georgescu demokratische Grundwerte nicht anerkenne“, und verwies auf frühere Entscheidungen des Verfassungsgerichts, berichtet die Tagesschau. Georgescu hätte mehrfach angedeutet, politische Parteien abschaffen zu wollen, und „sich kritisch zu der in Rumäniens Verfassung verankerten Mitgliedschaft des Landes in der EU und NATO geäußert“. Noch am selben Tag kam es zu Ausschreitungen seiner Anhänger, die Polizei setze Tränengas ein. Rumäniens Verfassungsgericht lehnte am 11. März Georgescus Berufungsantrag gegen die Entscheidung des Wahlbüros ab und entschied, dass er nicht kandidieren darf.
Wahl wurde unter „fadenscheinigen Gründen annulliert“
Eine ausführliche Analyse über die politische Lage in Rumänien veröffentlicht die Friedrich-Ebert-Stiftung unter dem Titel „Etwas ist faul“ in ihrem IPG-Journal. Die Empörung in „unseren Medien“ sei ausgeblieben, obwohl die Präsidentschaftswahl „unter fadenscheinigen Gründen annulliert“, ein „Strafverfahren gegen den populärsten Kandidaten eingeleitet“ wurden und das Verfassungsgericht ihn von der Wiederholungswahl ausgeschlossen habe. „Der Grund für die ausbleibende Empörung liegt darin, dass der nun von der Wahl ausgeschlossene Călin Georgescu ein rechtsextremer Kandidat ist, der gerne Verschwörungstheorien propagiert und den Wunsch geäußert hat, sein Land aus EU und NATO zu führen. Wer will sich schon im Namen der Demokratie für einen solchen Politiker einsetzen?“, heißt es im IPG-Journal.„Es ist etwas grundlegend faul im Staate Rumänien“
Georgescu hätte gute Chancen gehabt, die für Mai geplante Wiederwahl zu gewinnen, und „der Feldzug der staatlichen Institutionen gegen ihn ließ seine Popularität nur noch weiterwachsen“. George Simion, „ein weiterer rechtradikaler Kandidat“, werde nun versuchen, seine Rolle einzunehmen. Aussichtsreichster Kandidat des „proeuropäischen Lagers“ sei Nicușor Dan. „Es ist etwas grundlegend faul im Staate Rumänien“, stellt die Friedrich-Ebert-Stiftung fest und diagnostiziert „eine tiefgehende Vertrauenskrise der Bevölkerung in die zentralen Institutionen der Demokratie: die politischen Parteien, die staatlichen Institutionen und die Medien“. Die rumänische Bevölkerung hätte zu 60 Prozent die Corona-Impfung abgelehnt, ein Großteil informiere sich über die sozialen Netzwerke Facebook und Tiktok und sei daher leicht zu manipulieren.„Die politische Elite des Landes gilt für viele als abgehoben und desinteressiert an den Belangen des Volkes.“ Zudem sei es der Regierung nicht gelungen, die Inflation in Griff zu bekommen. Die Corona-Krise und der folgende Ukraine-Krieg hätten die soziale Spaltung in Rumänien verstärkt: „Viele Menschen fragen sich, wie sie bei drei Euro für ein Stück Butter überleben sollen.“
Seit Trumps Wahlsieg verstärkten nun Vertreter der USA Georgescus Botschaften. So habe US-Vizepräsident J.D. Vance am 14. Februar in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Annullierung der Präsidentschaftswahl kritisiert und „als Beispiel für die Einschränkung der Demokratie in Europa“ genannt.
Selbst Nicușor Dan beanstandet die seit drei Monaten fehlenden Belege für die Wahlannullierung vom 6. Dezember. „Korrupte politische Parteien, die inkompetente Personen in öffentliche Ämter befördert haben, sind die Hauptschuldigen für die chaotische Situation, in der wir uns heute befinden“, wird der Bukarester Oberbürgermeister im IPG-Journal zitiert.
Siegbert Bruss
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Schlagwörter: Präsidentschaftswahlen, Rumänien
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