22. März 2025

Kandidaten für Präsidentschaftswahl in Rumänien geklärt, aber offene Fragen bleiben

Die rumänische Wahlkommission BEC hat Călin Georgescu, den aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl, und die rechtsextreme Bewerberin Diana Șoșoacă, Vorsitzende der S.O.S. România, von den Präsidentschaftswahlen, die für den 4. und 18. Mai geplant sind, ausgeschlossen. Für die „Souveranisten“ wird stattdessen George Simion, Vorsitzender der Allianz für die Union der Rumänen (AUR), antreten. Anamaria Gavrilă von der Partei der Jungen Menschen (POT), die ebenfalls zur Wahl zugelassen wurde, zog ihre Kandidatur zurück, um die Chancen Simions für das höchste Staatsamt Rumäniens zu erhöhen. Die Regierungskoalition, bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei, den Liberalen PNL und dem Ungarnverband UDMR, schickt als gemeinsamen Kandidaten den ehemaligen Senatschef Crin Antonescu ins Rennen.
Zur Stichwahl am 8. Dezember 2024 sollten Elena ...
Zur Stichwahl am 8. Dezember 2024 sollten Elena Lasconi und Călin Georgescu antreten, doch das Verfassungsgericht annullierte die Wahlen. Bei der Neuauflage der Präsidentschaftswahl am 4. und 18. Mai 2025 darf Georgescu nicht antreten, während Lasconi Umfragen zufolge abgeschlagen bei 3,9 Prozent der Stimmen liegt.
Ersten Umfragen zufolge könnte bei der ersten Runde der Präsidentenwahl zwar ein rechtspopulistischer Kandidat als Sieger hervorgehen, die Stichwahl würde aber der parteifreie Präsidentschaftsbewerber und amtierende Bukarester Oberbürgermeister Nicușor Dan gewinnen. Das Meinungsforschungsinstitut AtlasIntel veröffentlichte am 17. März eine Umfrage in zwei Varianten, meldet die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien: Sollte AUR-Kandidat George Simion antreten und POT-Chefin Anamaria Gavrilă zu seinen Gunsten einen Rückzieher machen (dieser Fall ist, wie eingangs erwähnt, eingetreten), käme Simion auf 30,4 Prozent der Stimmen, gefolgt von Nicușor Dan mit 26 Prozent, während Koalitionskandidat Crin Antonescu mit 17,9 Prozent auf Platz 3 landen würde. Der ehemalige Premierminister Victor Ponta käme auf 9 Prozent, USR-Kandidatin Elena Lasconi auf bescheidene 3,9 Prozent. Bliebe hingegen Anamaria Gavrilă im Rennen und Simion machte den Schritt zurück, würde sie in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 30,2 Prozent und Nicușor Dan 25,3 Prozent der Stimmen einfahren.

Am 24. November 2024 hatte Călin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit rund 23 Prozent gewonnen, doch das rumänische Verfassungsgericht erklärte den ersten Wahlgang am 6. Dezember, als die Stichwahl in der Diaspora schon begonnen hatte, wegen des Verdachts auf Wahleinmischung Russlands für ungültig. Seither befindet sich Rumänien in einer politischen Krise. Viele atmen nun erleichtert auf, nachdem Georgescu als Präsidentschaftskandidat abgewiesen wurde, doch viele offene Fragen bleiben.

Am 26. Februar leitete die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn ein. Ihm werden u.a. falsche Angaben zur Finanzierung seines Wahlkampfs und zu seinen Vermögensverhältnissen zur Last gelegt. In einer Großkundgebung am 1. März sprachen sich Zehntausende für Călin Georgescu und die Wiederaufnahme der annullierten Wahlen aus.

Am 9. März lehnte die Wahlkommission (BEC) Georgescus Kandidatur mit der Begründung ab, dass „Georgescu demokratische Grundwerte nicht anerkenne“, und verwies auf frühere Entscheidungen des Verfassungsgerichts, berichtet die Tagesschau. Georgescu hätte mehrfach angedeutet, politische Parteien abschaffen zu wollen, und „sich kritisch zu der in Rumäniens Verfassung verankerten Mitgliedschaft des Landes in der EU und NATO geäußert“. Noch am selben Tag kam es zu Ausschreitungen seiner Anhänger, die Polizei setze Tränengas ein. Rumäniens Verfassungsgericht lehnte am 11. März Georgescus Berufungsantrag gegen die Entscheidung des Wahlbüros ab und entschied, dass er nicht kandidieren darf.

Wahl wurde unter „fadenscheinigen Gründen annulliert“

Eine ausführliche Analyse über die politische Lage in Rumänien veröffentlicht die Friedrich-Ebert-Stiftung unter dem Titel „Etwas ist faul“ in ihrem IPG-Journal. Die Empörung in „unseren Medien“ sei ausgeblieben, obwohl die Präsidentschaftswahl „unter fadenscheinigen Gründen annulliert“, ein „Strafverfahren gegen den populärsten Kandidaten eingeleitet“ wurden und das Verfassungsgericht ihn von der Wiederholungswahl ausgeschlossen habe. „Der Grund für die ausbleibende Empörung liegt darin, dass der nun von der Wahl ausgeschlossene Călin Georgescu ein rechtsextremer Kandidat ist, der gerne Verschwörungstheorien propagiert und den Wunsch geäußert hat, sein Land aus EU und NATO zu führen. Wer will sich schon im Namen der Demokratie für einen solchen Politiker einsetzen?“, heißt es im IPG-Journal.

„Es ist etwas grundlegend faul im Staate Rumänien“

Georgescu hätte gute Chancen gehabt, die für Mai geplante Wiederwahl zu gewinnen, und „der Feldzug der staatlichen Institutionen gegen ihn ließ seine Popularität nur noch weiterwachsen“. George Simion, „ein weiterer rechtradikaler Kandidat“, werde nun versuchen, seine Rolle einzunehmen. Aussichtsreichster Kandidat des „proeuropäischen Lagers“ sei Nicușor Dan. „Es ist etwas grundlegend faul im Staate Rumänien“, stellt die Friedrich-Ebert-Stiftung fest und diagnostiziert „eine tiefgehende Vertrauenskrise der Bevölkerung in die zentralen Institutionen der Demokratie: die politischen Parteien, die staatlichen Institutionen und die Medien“. Die rumänische Bevölkerung hätte zu 60 Prozent die Corona-Impfung abgelehnt, ein Großteil informiere sich über die sozialen Netzwerke Facebook und Tiktok und sei daher leicht zu manipulieren.

„Die politische Elite des Landes gilt für viele als abgehoben und desinteressiert an den Belangen des Volkes.“ Zudem sei es der Regierung nicht gelungen, die Inflation in Griff zu bekommen. Die Corona-Krise und der folgende Ukraine-Krieg hätten die soziale Spaltung in Rumänien verstärkt: „Viele Menschen fragen sich, wie sie bei drei Euro für ein Stück Butter überleben sollen.“

Seit Trumps Wahlsieg verstärkten nun Vertreter der USA Georgescus Botschaften. So habe US-Vizepräsident J.D. Vance am 14. Februar in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Annullierung der Präsidentschaftswahl kritisiert und „als Beispiel für die Einschränkung der Demokratie in Europa“ genannt.

Selbst Nicușor Dan beanstandet die seit drei Monaten fehlenden Belege für die Wahlannullierung vom 6. Dezember. „Korrupte politische Parteien, die inkompetente Personen in öffentliche Ämter befördert haben, sind die Hauptschuldigen für die chaotische Situation, in der wir uns heute befinden“, wird der Bukarester Oberbürgermeister im IPG-Journal zitiert.

Siegbert Bruss

Lesen Sie auch:

Politisches Erdbeben in Rumänien, SbZ Online vom 28. November 2024

Parlamentswahlen in Rumänien: Knapper Wahlsieg der Sozialdemokraten, SbZ Online vom 12. Dezember 2024

Rumänien steht wieder vor der Wahl, SbZ Online vom 12. Dezember 2024

Politische Krise in Rumänien verschärft sich, SbZ Online vom 17. Januar 2025

Venedig-Kommission über die Grundsätze von Wahlannullierungen, SbZ Online vom 30. Januar 2025

Dringlichkeitsbericht der Venedig-Kommission vom 27. Januar 2025 (in englischer Sprache): Urgent Report on the cancellation of election results by Constitutional Courts

Präsident Johannis zurückgetreten, SbZ Online vom 12. Februar 2025

Schlagwörter: Präsidentschaftswahlen, Rumänien

Bewerten:

19 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.