25. April 2010

Das touristische Potenzial siebenbürgischer Dörfer stärken

Die „Stärkung des touristischen Potenzials siebenbürgischer Dörfer“ hat sich die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) bei ihrem aktuellen (und zugleich letzten in Rumänien durchgeführten) Projekt auf die Fahnen geschrieben. Gemeinsam mit dem Kreisrat Hermannstadt engagiert sich die GTZ über die Hermannstädter „Stiftung für Stadterneuerung“ (SFS) für den Erhalt der traditionellen Dorfbilder in Siebenbürgen. Über dieses im Dezember 2009 gestartete Vorhaben sprach Holger Wermke mit dem Projektmanager Marius Constantin von SFS.
Herr Constantin, um was für ein Projekt handelt es sich hier eigentlich?
Das Vorhaben ist in erster Linie ein Projekt zur Bewusstseinsbildung, in dessen Rahmen bis zum Sommer verschiedene Informationsmaterialien erstellt werden sollen. Diese sollen in den Dörfern im Kreis Hermannstadt, aber auch in den Kreisen Kronstadt oder Mieresch verteilt werden. Die aktuelle Pilotphase ist auf den Kreis Hermannstadt konzentriert.

Welche Motive waren ausschlaggebend?
In den letzten Jahren sind in den Dörfern immer mehr Situationen entstanden, in denen Menschen anfingen, Modifizierungen und Modernisierungen an ihren Häusern durchzuführen. In vielen Fällen sind die Modernisierungen falsch verstanden und führen zur Zerstörung der traditionellen Architektur in den Dörfern, zur Beschädigung von Denkmälern, von kulturellem Erbe, das wir bewahren sollten, und das in Westeuropa verschwunden ist.

Welche Entwicklungen beobachten Sie konkret in den Dörfern?
Die Bevölkerung in den Dörfern kennt nicht den Wert der Häuser. Sie „zerstört“ sie aus Unwissenheit, zum Beispiel durch kleine Eingriffe, wie die Reparatur eines Daches, bei der Dachgauben eingebaut werden, die nicht typisch für das Dorf sind, wenn Arbeiten an der Fassade durchgeführt werden und dabei die alten Ornamente zerstört werden. Wenn diese weg sind, verliert das Gebäude einen großen Teil seines Wertes. Genauso wollen die Leute ihre Häuser modernisieren, beispielsweise mit Thermopanfenstern mit Plastikrahmen. Ähnliches passiert, wenn die Bewohner ihre Häuser streichen und dabei grelle Farben benutzen, Orange, Neongrün, Rosa. So zieht man keine Touristen an.

Wie wirbt man dann um Touristen?
Einige Monate vor unseren Gesprächen hatte der Kreisrat die Arbeit am Masterplan für die Entwicklung des Tourismus in den kommenden 10 bis 15 Jahren begonnen. Der Kreis Hermannstadt weist ein sehr vielfältiges Relief auf, mit Bergen, Flüssen, es gibt Kirchenburgen in den sächsischen Dörfern sowie Städte, wahre Schmuckstücke, mittelalterliche Städte, die sehr gut erhalten sind. Die Stadt und der Kreis Hermannstadt haben einige Trümpfe, die sehr geeignet sind, Touristen anzuziehen. In Hermannstadt selbst sieht man das bereits, im Kreis haben die Verwaltungen gemerkt, dass man noch mehr arbeiten muss.

Von wem ging die Initiative zu diesem Projekt aus?
Die Idee kam bei Diskussionen zwischen uns, der GTZ, und den Vertretern des Kreisrates auf. Die Diskussionen beruhen auf unserer langjährigen Erfahrung in Hermannstadt. Eines der erfolgreichsten Projekte der GTZ war die in Hermannstadt durchgeführte Altstadtsanierung. Die Spezialisten der GTZ – Architekten, Marketingexperten, Städteplaner oder Bauexperten – haben gesehen, dass die Phänomene der „architektonischen Verschmutzung“ nicht nur in Hermannstadt zu beobachten sind, sondern auch in den Dörfern. So haben wir dann vorgeschlagen, auch etwas für die Dörfer zu tun.
Projektleiter Constantin will mit Illustrationen ...
Projektleiter Constantin will mit Illustrationen auch Kinder für die siebenbürgischen Dörfer sensibilisieren. Foto: Holger Wermke
Wie hoch sind die Projektkosten?
250 000 bis 300 000 Euro. Der Betrag wird kofinanziert von der GTZ und dem Kreisrat.

Wird das Projekt im Masterplan des Kreisrates berücksichtigt?
Ja, ein Kapitel in diesem Plan zielt auf die Unterhaltung, die Bewahrung und Restaurierung dieser Denkmäler sowie der typischen alten architektonischen Elemente in den Dörfern, da diese anschließend touristisch genutzt werden können. Restaurierung und Erhalt dieser wertvollen Häuser müssen einen Sinn haben, nämlich Touristen anzulocken. Die Idee ist, „Strukturen des Empfangens“ aufzubauen, wie man in der Tourismussprache sagt: Gästehäuser, Pensionen – eine Verbindung zwischen den traditionellen Bauernhöfen und dem Tourismus.

Worin besteht der Hauptzweck dieses Projektes?
Wichtig ist, die Einstellung der Menschen zu ändern. Das hat man in Hermannstadt gesehen. Damals, als im Jahr 2000 das GTZ-Projekt begonnen hat, haben nur sehr wenige Hermannstädter geglaubt, dass die Stadt ihr Aussehen ändern würde. Architekten sagten, dass ein Drittel des Zentrums abgerissen werden müsse und dafür Blockhäuser gebaut werden sollten. Die Realität ist eine andere. Dies war eine uninformierte Sichtweise, eine sehr bequeme Haltung, aber zwei Jahre Informationsarbeit seitens der GTZ haben es geschafft, dies zu ändern. Bereits im dritten Jahr sah man den Beginn der praktischen Arbeiten, im vierten Jahr war Hermannstadt eine einzige Baustelle.

Mit welchen Mitteln wollen Sie Ihre Botschaft transportieren?
Wir haben rund 20 spezielle Instrumente entwickelt: Broschüren, Ausstellungen, Leitfäden. Die erste Phase, in der wir uns befinden, ist die Etappe des Informierens. Wir wollen ein Handbuch mit Regeln zur Bewahrung wertvoller architektonischer Elemente erstellen. Es ist ein Führer für die Dorfbevölkerung in einfacher Sprache und mit sehr vielen Fotos. Wir erstellen auch einen Führer über die Organisation einer Pension, eines Gästehauses. Zudem wird es eine Broschüre mit praktischen Tipps geben, angefangen von der Gründung einer juristischen Struktur, über die Organisation eines Gästehauses bis zur Ausstattung und dem Umgang mit Gästen. Ein dritter Führer wendet sich an die Bürgermeister. Sie können die Familien, die solche Ambitionen haben, unterstützen.

Sie haben auch die junge Generation im Blick.
Richtig. Neben den drei Broschüren werden wir ein Handbuch über die Dorfarchitektur für Grundschulkinder vorbereiten sowie ein Übungsheft zum gleichen Thema. Wir werden diese Materialien Lehrern zur Verfügung stellen, die in Rumänisch- oder Deutschstunden, auch im Zeichenunterricht oder anderen Fächern verwendet werden können. Wir planen für diesen Sommer außerdem eine Wanderausstellung, die von Dorf zu Dorf ziehen soll. Außerdem organisieren wir eine spezielle Kampagne mit Konzerten und einem kleinen Theaterstück.

Was haben Sie in den vergangenen vier Monaten umgesetzt?
Wir hatten viele Konsultationen mit unseren Partnern. Erwähnt seien nur drei Organisationen, die ähnliche Projekte in Siebenbürgen durchführen: Mihai-Eminescu-Trust, die Stiftung Adept und Minoritics. Ab Mai werden wir die Kampagne in den Dörfern beginnen. Parallel führen wir zusammen mit dem Astra-Museum eine Sozialstudie durch. Wir versuchen zu verstehen, warum diese Veränderungen stattgefunden haben.

Sie wollen ihr Projekt in einigen Dörfern starten. Stehen diese Dörfer bereits fest?
Wir haben die Auswahl fast abgeschlossen. Eine außerordentlich schwierige Prozedur. Allein der Kreis Hermannstadt hat rund 160 Ortschaften. Wir haben eine Liste mit Kriterien entwickelt und diese Experten aus dem Tourismusbereich, den lokalen Verwaltungen, Kirchenvertretern gegeben. Am Ende sollen zehn Dörfer übrig bleiben, in die wir gehen werden.

Was passiert nach Ablauf der ersten Projektphase?
Wir hoffen, dass das Projekt in den kommenden Jahren unter der Hoheit des Kreisverwaltungen oder staatlicher Stellen fortgeführt werden kann. Außerdem werden wir Sponsoren suchen.

Schlagwörter: Siebenbürgen, Tourismus, GTZ, Interview

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