30. Oktober 2011

Viktor Kästner: De Härwestfäddemcher

An goldenen Oktobertagen konnten wir uns zum Ende dieses Herbstes erfreuen. Vielleicht auch am Glitzern jener feinen Fäden, mit deren Hilfe sich winzig kleine Spinnen vom Wind durch die Luft tragen lassen. Den Altmeister siebenbürgisch-sächsischer Verskunst, Viktor Kästner (1826-1857), den Lesern unserer Rubrik erneut vorzustellen, erübrigt sich wohl. Dagegen dürfen wir im abgedruckten Gedicht „De Härwestfäddemcher“ den Reichtum seines Wortschatzes bewundern, der letztlich ein Reichtum seiner und unserer Mundart ist. Das Gedicht entstammt der von Adolf Schullerus besorgten Ausgabe „Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart von Viktor Kästner“, 2. Auflage, Hermannstadt 1895, S. 16-18.
Viktor Kästner

De Härwestfäddemcher

De Blädder verdrejjen,
der Härwest äs hä,
seng Fäddemcher flejjen
um Hemmel erbä.
Se flandern und fliejern
zesummegerafft
und hiepern und kiejern
sich hih än de Laft.

Se sen e Gespillchen,
dåt nemmermih riëst,
se heh sich unt Schmillchen
und kneddern et fiëst;
domät et kent låen
äm Wängter wä diet,
bäs ’t Hälmchen vu nåem
än d’Ousdäch erstiht.

Se dihnen und se sprieden
sich ous iwwert Fiëld
und wällen net brieden
um Hemmelsgeziëlt.
Wä Fähndelcher floddern
se hih iwrem Bäsch,
se spillen und ploddern
äm Stappelfiëld fräsch.

Um Owend ellienchen
giht jedet zer Rah,
et liëcht sich unt Rienchen
und diet d’Uuģen za.
Do driemt et vum Sommer,
vum Frähjohr gorr huuld,
do schråt et vol Kommer
munch Zehrche vu Guuld.

Und kitt noo der Morjen
und se’ se erwacht,
u jedem verborjen
en Daatreepche lacht.
Dåt gliesert und blankert
wä Guuld esi rien,
dåt flinkert und flankert
wä Äddelgestien.

Und wore s’uch nedder
bedaat und bedäfft,
’si zäh se na wedder
gorr hih durch de Läft;
et wiëwt är Gefliejer
en durchsichtich Bånd,
dått spriet sich e Schliejer
aft ålt Sachselånd.

’si zäht dänn äm Fridden,
ir Fäddemcher wiërt,
doch mess ich ich bidden,
kotscht za mer de Iërd:
Domät, wänn zem Fråen
der Frähjohrsmån kitt,
se äre Getråen
äm Hochzetsklied nitt.

Erklärende Anmerkungen:
flandern und fliejern: flattern
hiepern und kiejern sich: recken sich in die Höhe
Schmillchen: dünne, hohe Grashalme
Ousdäch: Frühjahr (Gegenteil: Andäch: Herbst)
Daatreepche: Tautröpfchen
gliesert: glänzt
blankert: funkelt
flinkert und flankert: flimmert
bedäfft: bereift
kotscht za: deckt zu

Schlagwörter: Mundart, Saksesch Wält, Gedicht, Herbst

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