25. August 2008

Viktor-Kästner-Lyrik in neuer Ausgabe

Der nach Aufmachung und Inhalt vorzüglichen Ausgabe der Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart und in deutscher Sprache der Jahre 1846-1856 von Viktor Kästner (1826-1857) gebührt vorbehaltloses Lob. Was der Hermannstädter Honterus-Verlag hier in schönem Einband dem Leser präsentiert, ist das Werk des um den Kerzer Mundartdichter verdienten Friedrich Schuster – von dem auch der Einband stammt.
Schuster wählte nicht nur die 44 Mundartgedichte für den Band aus und fügte diesen 14 Gedichte in deutscher Sprache hinzu, er verfasste zusätzlich auf rund fünfzig Seiten des Buches editorische Texte, deren Aufschlussreichtum bei diesem Umfang jedem Anspruch gerecht wird.

Schon dem Eröffnungsgedicht der Sammlung, der viel gerühmten Ballade „De Breokt um Alt“, ist als Illustration Kästners handschriftliche Niederschrift aus dem Jahr 1847 unter dem – hochdeutschen – Titel „Bräutigams Tod“ beigegeben; den reproduzierten ersten drei Strophen folgen Kästners Anmerkungen für den des Sächsischen nicht kundigen Leser. Friedrich Schuster deutet damit gleich zu Beginn so etwas wie das Programm des Bandes an: Kästner über dessen Lyrik hinaus dem Leser nahe zu bringen. Alle Bildbeilagen dienen diesem Zweck – und erfüllen ihn.

So findet sich unter ihnen die Fotografie des Viktor-Kästner-Geburtshauses auf einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1918, nachdem schon auf dem Titelblatt Trude Schullerus’ (1898-1981) Kohlezeichnung von 1957 den Dichter zeigte. Auf einer 1976 gemachten Fotografie ist dessen Wohn- und Sterbehaus in der Harteneckstraße Hermannstadts zu sehen. Eine Lithographie von J. Rauh, 1852, beschwört eine Schlachtszene und ruft nicht nur Kästners Teilnahme an den Kämpfen 1848/49, sondern auch die Atmosphäre damaliger kriegerischer Auseinandersetzungen in Erinnerung. Anrührend die Reproduktion auf Seite 107 eines Briefs Viktor Kästners vom 23. Januar 1854 an die Braut Pauline Simonis – die Zärtlichkeit des Inhalts spiegelt sich in der filigranen Handschrift wider, die über den konkreten Anlass hinaus vieles vom Wesen des Dichters preisgibt. Am unverhülltesten lässt sich dieses im Gedicht „Drå Wängsch“, „Drei Wünsche“, erkennen, dessen Titel Friedrich Schuster mit gutem Gespür zum Titel des Bandes wählte. Denn in den – jedes Mal in den Diminutiv gekleideten – Wünschen: ein Vogel, ein Strauch, eine Wolke zu sein, um frei umher fliegend zu singen, um immer grün zu blühen, um „mein armes Völkchen vor Sonnenglut zu (be)schützen“, äußert sich jene unverzichtbare Kindhaftigkeit, ohne die keiner zum Dichter wird, sie kennzeichnet Kästners „reines Gemüt“ im Besonderen.

Hinter den trockenen Angaben „Wörterverzeichnis. Erläuterungen“, „Viktor Kästner. Biografische Skizze“, „Verzeichnis der Illustrationen“ und „Zur Textgestaltung“ verbirgt sich ein gerüttelt Maß an herausgeberischer Arbeit. Dazu gehört das rund 1 300 (!) Wörter zählende Vokabularium – Dialektwörter, dazu deutsche Entsprechungen –, mit Hilfe dessen Schuster dem deutschen Leser die Kästner-Lyrik verständlich macht (S. 178-214). Die folgende „Biografische Skizze“ (S. 216-225), von 23 Fußnoten begleitet und mit einem von Theodor Glatz 1855 angefertigten Porträtfoto ausgestattet – nach dessen Vorlage Trude Schullerus rund ein Jahrhundert später die oben genannte Kohlezeichnung schuf –, hält im Ton informativer Sachlichkeit die wesentlichen Lebensdaten fest. Dem Verzeichnis der Illustrationen (S. 226) folgt schließlich Schusters Hinweis auf die seinem Viktor-Kästner-Band zugrunde liegenden Texte (S. 227).

Der Herausgeber erweist sich darin trotz der Kürze ebenso als profunder Kenner der Materie wie schon in der „Biografischen Skizze“. Hatte er in dieser nicht nur ein Persönlichkeitsbild entworfen, sondern die dazugehörende Epoche als erläuternden Hintergrund von der Politik bis zu den zeitbestimmenden Geistesströmungen skizziert, so führt er in der Darlegung „Zur Textgestaltung“ Details an, die dem fachlich an Viktor Kästner Interessierten bei weiteren Studien unerlässlich sind. Anmerkenswert erscheint, dass Schuster – der sich auf die Ausgabe von 1895 (2. Auflage) des von Adolf Schullerus (1846-1928) betreuten Bandes „Gedichte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart von Viktor Kästner“ stützt – die von Schullerus lektorierten Kästner-Texte nicht mot-à-mot übernahm, sondern überall dort korrigierend eingriff, wo Schreib- bzw. Druckfehler beseitigt werden mussten; hinzu kommt bei ihm die Beherrschung der Kerzer Mundart, was ihm bei der Erstellung des Buches wesentliche Hilfe leistete.

Die Qualität des solcherart zustande gekommenen Bandes „Drå Wängsch“ lässt meines Erachtens nicht zu wünschen übrig: Die Sammlung gibt nicht allein dem Kästner-Verehrer nach Maßgabe der Einband- wie der Textgestaltung eine kleine bibliophile Kostbarkeit in die Hand, ihre fachlich gediegene wie liebevolle Präsentation kann jeden Freund des schönen Buches erfreuen.

Hans Bergel

Viktor Kästner: „Drå Wängsch“. Gedichte, herausgegeben von Friedrich Schuster, mit zwölf Illustrationen, Honterus-Verlag, Hermannstadt, Harteinband, 231 Seiten, zu bestellen zum Preis von 17,00 €, zuzüglich Porto bei Friedrich Schuster, Kirchardtsbrunnen 37, 74906 Bad Rappenau, Telefon: (0 72 68) 91 12 64, E-Mail: Friedrich.Schuster [ät] gmx.net.

Schlagwörter: Kästner, Rezension

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