20. Oktober 2008

Kalender 2009 mit siebenbürgisch-sächsischen Sprichwörtern

Wenn man den Siebenbürger Sachsen „aufs Maul schaut“, stellt man unschwer fest, dass ihre Mundart anschaulich und treffsicher, urwüchsig und poetisch, lebensnah und humorvoll ist. So kennt das Siebenbürgisch-Sächsische viele Sprichwörter, bildhafte Vergleiche, sprichwörtliche Redensarten und Wendungen, von denen viele einen volkstümlichen Charakter haben.
Volkstümlich bedeutet bäuerlich, weil das siebenbürgische Dorfleben sogar in der Nachkriegszeit trotz aller kommunistischen Modernisierungsbestrebungen seinen ausgeprägten, lebendigen Charakter beibehielt, zu dem viele Künstler nie den Kontakt verloren haben. Zu ihnen gehört auch die Malerin, Grafikerin und Kunsterzieherin Sieglinde Bottesch, die nun für 2009 einen siebenbürgisch-sächsischen Sprichwort-Kalender gestaltet hat.

Die in Hermannstadt geborene Künstlerin begann 1978 für die Lokalzeitung Grafiken zu siebenbürgischen Sagen zu veröffentlichen. Ein Jahr später kam ihr die Idee zu einem Sprichwort-Kalender, der 1980 in Rumänien erschien. Der Kalender 2009 unterscheidet sich von jenem des Jahres 1980 durch Format, Titelbild und drei neu geschnittene Sprichwortbilder (Januar, Juni und Dezember). Das Sprichwort für den Monat Mai ist ein ganz anderes, nachdem es vor 29 Jahren wegen „Verunglimpfung der sozialistischen Demokratie“ nicht akzeptiert wurde. In der Kalenderwelt der Künstlerin gliedert sich das Jahr in zwölf Sprichwörter, die von alter, tiefer Volksweisheit zeugen: „Et äs Wasser äm Brannen, awer em mess et schäpen“ (Willst du haben, musst du graben), oder „Fra dich sihr, meng Siel, loss den Teiwel brommen“ (Dem Mutigen gehört die Welt).
Sieglinde Bottesch, Linoschnitt-Illustration des ...
Sieglinde Bottesch, Linoschnitt-Illustration des Sprichwortes „De klie Kängd hu Lachen uch Schrån än enem Säkeltchen“.
In Bottesch’ Bilderwelt gibt es den Träumer, der eine vorbeifliegende Lerche erhaschen möchte, ein freundliches Pferd, geduldige Ochsen mit Menschenaugen, Urzeln, die mit ihren Peitschen Teufelsfiguren vertreiben, den melancholisch blickenden Jüngling, der im Baum sitzend Flöte spielt, Kinder, die ihre mit lachenden und weinenden Gesichtern bemalten Säckchen an langen Stangen in den Händen halten und sogar ein fliegendes Schwein.

Die Linolschnitte zur Serie der sächsischen Sprichwörter atmen wie auch die anderen grafischen Werke der seit 1987 in der Bundesrepublik lebenden Künstlerin den Charme naiver Natürlichkeit und lyrischer Märchenstimmung. Auch schwingt in vielen Bildern ein leiser, liebevoller Humor mit, aber niemals Provokation oder Spott. So die Illustration mit einem geflügelten Schwein zum Dezember-Sprichwort „Der biest Vijel wer det Schweng, wonn et Flijel häw“ (Wenn die Katz’ eine Henne wär, legte sie Eier).

Bekanntlich erlaubt der Linolschnitt ja nur einfache und sehr flächenhafte Figuren. So vereinfacht die Linolschnitte von Sieglinde Bottesch sind, so vielsagend sind sie auch. Die bildliche Gestaltung mit ihrem archaischen, ja fast mythischen Charakter, erinnert an Volkskunst in gutem Sinne. Durch ihre Bilder bringt die Künstlerin treffend zum Ausdruck, wozu die uralte Weisheit der siebenbürgischen Sprichwörter, die ja bekanntlich ein „Spiegel der Volksseele“ sind, sie angeregt haben. Die Kalenderbilder sind keine zusätzliche Erklärung des im Text Gesagten, sondern eigenständige künstlerische Schöpfungen. Neben den sächsischen Sprichwörtern enthält der Kalender die hochdeutsche Übersetzung – so eignet er sich sehr gut auch als Geschenk für „nichtsächsische“ Freunde und Bekannte.

Helmut Wolff


Der Kalender „Siebenbürgisch-sächsische Sprichwörter“ (ISBN 978-3-937320-76-2, Format 10,5 x 23 cm) kann zum Preis von 9,50 Euro, zuzüglich Versandkosten, im Siebenbuerger.de-Shop-Portal bestellt werden.
Sieglinde Bottesch, Linoschnitt-Illustration des Sprichwortes „De klie Kängd hu Lachen uch Schrån än enem Säkeltchen“.

Schlagwörter: Kalender, Künstler

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