24. Juni 2013

Sprachkonferenz in Hermannstadt

„Deutsch als Identitätssprache der deutschen Minderheiten in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion“ - unter diesem Titel tagten vom 16. bis 18. Juni in Hermannstadt rund 90 Vertreter von Minderheitenverbänden, deutschen Behörden und Mittlerorganisationen sowie rumäniendeutschen Landsmannschaften. Organisiert wurde die Konferenz von dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner, MdB, in Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung, dem Auswärtigen Amt und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR). Im Mittelpunkt der Tagung standen die politischen Rahmenbedingungen der Minderheitenförderung, Ansätze zur Sprachbildung sowie die Wünsche der Minderheitenvertreter aus Polen, der Slowakei, Tschechien, Serbien, Kroatien, der Ukraine, Russland, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Rumänien.
Die Konferenz verdeutlichte die nach wie vor prekäre Situation der deutschen Sprache als Identitätssprache bei deutschen Minderheiten östlich des einstigen Eisernen Vorhangs. Insbesondere in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist die Situation den Schilderungen der dortigen Vertreter zufolge sehr schwierig. Die Sprachbindung schätzt Bergner außer in Rumänien und Ungarn als „dramatisch niedrig“ ein. Das schulische Deutsch wird heute weitgehend als Fremdsprache vermittelt, muttersprachlichen Unterricht gibt es vielerorts nur in Ausnahmefällen, beispielsweise in Rumänien, Ungarn und vereinzelt in Polen. Der gleichwohl vorhandenen Nachfrage nach Deutschlernangeboten wird daher mit einer Vielzahl nichtstaatlicher Initiativen begegnet, die von deutscher Seite oftmals unterstützt werden.

Über die Infrastrukturhilfen und Gemeinschaftshilfen des Innenministeriums informierte Dr. Bergner. Andreas Meitzner vom Auswärtigen Amt stellte die Kulturförderung, die Sprachbildungsangebote einschließt, vor. Frank Altrichter vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung gab einen Einblick in die Förderschwerpunkte der Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern. Ergänzt wurden diese Ausführungen durch Dr. Urban Beckmann vom Institut für Auslandsbeziehungen und Hans Beerstecher von der Donauschwäbischen Kulturstiftung, die Beispiele aus ihrer Spracharbeit in den Zielländern präsentierten.
Dr. Christoph Bergner (Mitte) diskutierte ...
Dr. Christoph Bergner (Mitte) diskutierte Perspektiven der deutschen Sprache als Identitätssprache mit (von links) Helene Steinmetz, Norbert Rasch, Dr. Bernd Fabritius und Hans Beerstecher. Foto: Holger Wermke
Organisator Bergner hob die Konferenzteilnahme des Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, positiv hervor. Ähnlich wie Bergner vertrat auch Fabritius die Ansicht, dass die Schwächung bzw. der Verlust der deutschen Sprache als Identitätssprache der Minderheiten im Osten eine direkte Folge des Zweiten Weltkrieges sei. Aus diesem Grund seien Bundes- und Länderbehörden nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes zur Unterstützung gerade auch der Sprachbildung verpflichtet. „Es gibt aus meiner Sicht für die Sicherung der selbstempfundenen Identität keinen wesentlicheren Punkt als die muttersprachliche Vermittlung der eigenen Sprache in Rumänien. Die muttersprachliche Vermittlung der deutschen Sprache gehört zum kulturellen Selbstverständnis unserer Gesamtgemeinschaft“, meinte Fabritius. Der Verband werde alles tun, um die Lehrerausbildung im muttersprachlichen Bereich zu sichern. „Wir würden dafür nicht nur politisch jeden Hebel ansetzen, den wir kennen, wir würden sogar Geldmittel in die Hand nehmen und auch dafür sorgen, dass die Wirtschaft ihrer Verantwortung gerecht wird“, versicherte der Bundesvorsitzende.

Dabei ist die Situation des deutschsprachigen Schulsystems in Rumänien vorbildlich – trotz aller Probleme wie zum Beispiel dem Mangel an Fachlehrern, wie der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț und Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Department für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung, darstellten. Das Beispiel Rumänien zeigt auch, dass erfolgreiches Sprachlernen nicht zwangsläufig mit Identität zusammenhängt, wie es der Konferenztitel suggeriert. Ein Großteil der Schüler des Schulsystems in deutscher Muttersprache stammt aus den Reihen der Mehrheitsbevölkerung.

Die Sprachkonferenz der deutschen Minderheiten vermittelte ein facettenreiches Bild der Deutschlehr- und Deutschlern-Initiativen zwischen Oppeln und Bischkek. Vielerorts gibt es den Wunsch von Angehörigen der Minderheiten, die einstige Muttersprache zu bewahren oder gar wiederzubeleben. Inwieweit letzteres möglich ist, bleibt abzuwarten. Viel hängt nicht zuletzt von der Attraktivität der deutschen Sprache ab, um junge und ältere Menschen zum Sprachlernen zu motivieren. Nötig bleibt dabei die Unterstützung aus Deutschland, beispielsweise durch Lehrerfortbildungen oder das als sehr effektiv eingeschätzte Lehrerentsendeprogramm. Auch ein Beitrag zur Sprachbildung der im Ausland tätigen deutschen Unternehmen wurde mehrfach als mögliche Maßnahme ins Gespräch gebracht. Daneben wünschten sich viele der Minderheiten von deutscher Seite eine stärkere moralische Unterstützung und eine politische Wahrnehmung ihrer Aktivitäten in den jeweiligen Heimatländern.

HW

Schlagwörter: Konferenz, Hermannstadt, Sprache

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