13. Januar 2016

Schloss Horneck als "Ratturm der Kirchenburg"

In seinem Festvortrag beim Neujahrsempfangs der siebenbürgischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim am Neckar stellte Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats und seit dem 9. Januar 2016 auch Vorsitzender des Trägervereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“ e.V., die Bedeutung der hier angesiedelten Institutionen für das Geschichtsbewusstsein und die Identität der Siebenbürger Sachsen heraus, umriss die Aufgaben, die zu bewältigen sind und skizzierte auch ein Konzept der künftigen Nutzung von Schloss Horneck im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Wahrnehmung zentraler kultureller Aufgaben. Der Referent hat der Siebenbürgischen Zeitung eine Zusammenfassung seines Vortrags zur Verfügung gestellt, die wir im Folgenden veröffentlichen.
In seinem letzten, unvollendet gebliebenen Roman „Das Jüngste Gericht von Altbirk“ thematisierte Erwin Wittstock seine Besorgnis über die Gefährdung der siebenbürgisch-sächsischen Lebensgemeinschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und unter der kommunistischen Herrschaft in Rumänien. Angesichts zahlreicher Übelkeits- und Ohnmachtsanfälle nach Genuss eines Antirheumatrankes befürchteten die Bewohner des fiktiven sächsischen Dorfes Altbirk den bevorstehenden Weltuntergang. Nichts war ihnen angesichts dieser Perspektive wichtiger, als die Zeugnisse ihrer Geschichte und Kultur im „Ratturm der Kirchenburg“ und die wichtigsten im „Panzerschrank des Raiffeisenvereins“ zu verwahren, damit nicht „mit der Vernichtung der alten Schriften das Andenken an die Vergangenheit unwiederbringlich verloren sein werde.“ Gesichert und aufbewahrt werden sollte alles, was „davon Kunde geben könnte, dass die Altbikrner Gemeinschaft zur Zeit des Untergangs [...] eine entwickelte Lebensform gehabt und sittliche Wohlanständigkeit gepflegt hat.“
Dr. Konrad Gündisch (links) ist neuer ...
Dr. Konrad Gündisch (links) ist neuer Vorsitzender des Vereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“ e.V., rechts sein Amtsvorgänger Dr. Bernd Fabritius und in der Mitte die stellvertretende Vorsitzende Herta Daniel. Foto: Siegbert Bruss
Ein solcher Ratturm mit Panzerschrank ist heute das Schloss Horneck in Gundelsheim, dessen Erhalt dank der Einsatz- und Spendenbereitschaft unzähliger Landsleute und mit ihnen Verbundener im September 2015 ermöglicht werden konnte.

Zeugnisse einer nunmehr 875-jährigen Geschichte und Kultur zu sichern, zu bewahren, öffentlichkeitswirksam zu präsentieren und zu erforschen, gleichzeitig die siebenbürgisch-sächsische Kultur und Wissenschaft in Deutschland und darüber hinaus weiterzuentwickeln ist die zentrale Aufgabe der in Gundelsheim angesiedelten Kultureinrichtungen (Siebenbürgisches Museum, Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek, Archiv und Forschungsstelle), denen der neu gegründete Trägerverein „Siebenbürgisches Kulturzentrum ‚Schloss Horneck’ e.V.“ nunmehr die Möglichkeit bietet, ihre bisherige Tätigkeit kontinuierlich fortzuführen.

All jenen, die sich für dieses Kulturzentrum engagiert haben und engagieren, ist es wichtig, dass sie – wie die Altbirker Erwin Wittstocks – dem Vergessen und dem Identitätsverlust entgegenwirken. „Identität lohnt sich!“ – das Motto des Dinkelsbühler Heimattages 2015, kann auch ein Motto für die Tätigkeiten auf Schloss Horneck sein! Zu dieser Identität gehören fundierte Geschichtskenntnisse ebenso wie die Kirchenburgen, die Städte, die Trachten, die Zeugnisse der Volkskultur, die jahrhundertalten demokratischen Traditionen, die zusammenführende Gemeinschaftsbildung, die Strategien der Koexistenz, der Begegnung, des Austauschs und der Interferenzen mit anderen Völkern und Kulturen auf relativ engem Raum, die die Siebenbürger Sachsen in Europa einbringen. Schloss Horneck ist ein solcher Identifikationspunkt, indem es die Möglichkeiten bietet, das Vergangene für die Zukunft zu sichern, zu bewahren und hochprofessionelle wissenschaftliche Forschung sowie museale Präsentation zu betreiben.

Eine Konzeption des neuen Siebenbürgischen Kulturzentrums „Schloss Horneck“, an der intensiv gearbeitet und beraten wird, steht vor der keineswegs einfachen Aufgabe, auf der einen Seite eine Heimstätte für die genannten Kultureinrichtungen zu bieten, auf der anderen Seite aber das Projekt so finanziell abzusichern, dass es eine sichere Zukunft hat. Hier müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die sich anbieten! Die Kultureinrichtungen selbst müssen angemessene Mieten regelmäßig bezahlen können, was nur durch Förderung seitens öffentlicher Zuwendungsgeber (Bund, Länder) auf der Grundlage des „Kultur-Paragraphen“ 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes dauerhaft erfolgen kann (und bei anderen vergleichbaren Einrichtungen geradezu selbstverständlich ist). Spenden sowohl an das Kulturzentrum als auch an die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, an den Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und an den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat (die sich bei der Gründung des Trägervereins mit hohen Summen eingebracht haben und mehr als die Hälfte des Institutspersonals bezahlen) bleiben weiterhin eine wichtige Grundlage künftiger Arbeit.

Doch soll Schloss Horneck als Ort der Begegnung und Identifikation nicht nur deutschlandweit für die Siebenbürger Sachsen da sein, den Gliederungen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, den Heimatortsgemeinschaften und der siebenbürgisch-sächsischen Jugend Raum für ihre Veranstaltungen zu günstigen Mietbedingungen bieten, desgleichen Klassen- und Familientreffen beherbergen können und vieles mehr. Schloss Horneck, heute schon weit bekannt als ein Ort der internationalen Begegnung von Wissenschaftlern und Kulturschaffenden, soll noch stärker durch Tagungen, Ausstellungen, Workshops, Seminare und vieles mehr für den grenzüberschreitenden Kulturaustausch insbesondere zwischen Deutschland, Rumänien, Ungarn, Österreich und anderen Ländern wirken. Ein Hornecker Kunstpreis soll bildende Künstler und Literaturschaffende von nah und fern anlocken. Diese könnten eine gewisse Zeit im Schloss wohnen und dieses umgekehrt durch hier geschaffene (oder begonnene) Werke bekannt machen. Selbstverständlich könnten diese Werke auch vor Ort ausgestellt oder präsentiert werden.

Vortragsveranstaltungen, Lesungen, Konzerte (im Festsaal und im Schlossgraben), Ausstellungen sollen das Angebot ergänzen, wobei nicht allein an siebenbürgisch-sächsische Künstler, Dichter, Schriftsteller und Wissenschaftler gedacht wird! Denn Schloss Horneck will und muss sich stärker in der Stadt Gundelsheim und in der Region verankern! Es ist ja nicht nur seit sechs Jahrzehnten zur „Sachsenburg am Neckar“ geworden, es ist seit Jahrhunderten ein Wahrzeichen der Stadt und des Neckarraumes, eine wichtige Deutschordensburg und ein Renaissance-Baudenkmal von baden-württembergischer wie bundesdeutscher Bedeutung. Die Kulturangebote müssen in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Verbänden der Stadt und der Region möglichst breit gestreut werden.

Natürlich wird auch an andere Möglichkeiten gedacht, Einnahmen für Schloss Horneck zu generieren: Unternehmen können den Festsaal nutzen, um hier Veranstaltungen durchzuführen, Trauungen können auch in Zukunft hier stattfinden und auch gefeiert werden, die Verpachtung von Räumlichkeiten für die Gastronomie, insbesondere an ein Schlosscafé, für Weinverkostungen oder für die Präsentation von Produkten der Schokoladenmanufaktur „Schell“ ist ebenso geplant wie die eventuelle Vermietung von Geschäftsräumen an Praxen oder Kanzleien. Eine enge Zusammenarbeit ist zudem mit dem Pflegestift vorgesehen, das der diakonische Verband „Dienste für Menschen“ nunmehr besitzt und betreibt.

Natürlich fallen gerade in der Anfangszeit, aber auch danach Kosten an, unter denen der Brandschutz und die Umbaumaßnahmen für die Einrichtungen, die Konferenzräume und die Übernachtungsmöglichkeiten am dringendsten sind, desgleichen die EDV-Ausstattung, das erforderliche Mobiliar, Vitrinen und Regalanlagen. Nicht zuletzt müssen Rücklagen geschaffen und Personal angestellt werden, das den Betrieb auf- und ausbaut, aber auch aufrechterhält. Dieter Thiess wurde bereits als Geschäftsführer des Siebenbürgischen Kulturzentrums „Schloss Horneck“ angestellt.

Auch aus diesem Grund ist es wichtig, weiterhin an die Spendenbereitschaft der Landsleute zu appellieren, sich für die weitere und möglichst intensivierte Förderung durch die öffentliche Hand (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Innenministerium Baden-Württemberg, Patenland Nordrhein-Westfalen und andere) einzusetzen, die Wirtschaftlichkeit des Kultur- und Begegnungszentrums zu realisieren.

Mit dem abermaligen Dank an alle Unterstützenden – stellvertretend für viele andere nenne ich Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und seine Gliederungen, den Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften und jede HOG, die großzügig gespendet hat, die VR-Bank Dinkelsbühl, die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, private Spender, etwa Hans-Martin Tekeser – verbinde ich den Appell, weiterhin für das Kulturzentrum Schloss Horneck durch finanzielle oder tatkräftige Hilfe vor Ort zu wirken. Mit dem Kauf von Schloss Horneck hat die Arbeit erst begonnen, es mit Leben zu erfüllen und finanziell abzusichern ist die Herausforderung für die nächsten Jahre! Dass wir trotz geringer Zahl zu großen Leistungen fähig sind, wenn wir herausgefordert werden.

Erwin Wittstock hat das bereits erkannt und in seinem Altbirk-Roman den denkwürdigen Satz geschrieben: „Ich glaube, dass unser Volk Charakter hat, ich glaube, dass es einem neuen Gedanken und Fortschritt weit über das Maß schwacher Zahl opfern kann!“

Dr. Konrad Gündisch

Schlagwörter: Schloss Horneck, Gundelsheim, Gündisch, Neujahrsempfang

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