7. April 2023

BdV-Präsident Fabritius kritisiert Kürzung der kulturpolitischen Projektmittel im Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bezeichnet die gekürzten Fördermittel gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz im Bundeshaushalt als „auskömmlich“. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius, widerspricht entschieden. Vorausgegangen war eine schriftliche Anfrage des CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth.
Stefan Mayers Frage vom 24. Februar lautete: „Wie rechtfertigt die Bundesregierung die signifikante Reduzierung der Fördermittel gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz vom Haushalt 2020 in Höhe von 27 707 000 Euro und dem Haushaltsjahr 2021 in Höhe von 31 160 000 Euro bis zum laufenden Haushaltsjahr 2022 um 500 000 Euro, vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung der Fördermittel für die kultur- und vertriebenenpolitische Arbeit des Bundes der Vertriebenen, seiner Landesverbände sowie der Landsmannschaften und die nach meiner Meinung mit der erheblichen Kürzung verbundenen eminente Gefahr des irreparablen Zerbrechens gewachsener Strukturen in der Verbands- und Verständigungsarbeit?"

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius beim ...
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius beim Gesprächsaustausch mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth MdB am 5. Dezember 2022 im Bundeskanzleramt in Berlin (diese Zeitung berichtete). Foto: BdV
Staatsministerin Claudia Roth (BÜNDNIS 90/Die Grünen) antwortete per Schreiben vom 3. März: „Die Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) auf Grundlage des § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) richtet sich auf die Vermittlung, Erforschung und den Erhalt von Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Hierfür stehen im Haushalt 2023 der BKM insgesamt 26,661 Mio. Euro zur Verfügung. Dieser Betrag wird als für die Förderung von kulturellen Projekten und Einrichtungen auskömmlich angesehen.“

Welche unmittelbaren Effekte hat die Fördermittelkürzung auf die Kulturarbeit, und welche Signalwirkung? Für eine Bewertung dieses Sachverhalts aus aussiedler- und vertriebenenpolitischer Perspektive bat die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung den Präsidenten des Bundes der Vertriebenen (BdV), Dr. Bernd Fabritius (CSU), um seine Stellungnahme, die im Folgenden ungekürzt abgedruckt wird.

„Tatsächlich verwundert mich die Wortwahl der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) in diesem Zusammenhang sehr. ‚Auskömmlich‘ bedeutet ja zum einen, dass etwas als ausreichend eingestuft wird, und konnotiert zum anderen – gerade in einer Behörde – den Grundsatz der Auskömmlichkeit in der Haushalts- und Finanzwirtschaft. Beides aber heißt, dass die Erfüllung der Aufgaben damit abgedeckt sein muss. Damit vertritt die BKM mit dieser Aussage eine kontrafaktische Position, denn gerade das ist aktuell nicht der Fall. ‚Auskömmlich‘ in einem Mindestmaß wäre es vielleicht, wenn die institutionelle und projektbezogene Kulturarbeit ohne Abstriche fortgesetzt werden könnte. Die Kürzungen der kulturpolitischen Projektmittel in diesem und im letzten Haushaltsjahr sind aber allgemein bekannt, und sie haben den konkreten Effekt, dass viele Projekte nicht oder nur unter Erschließung ganz anderer Finanzierungen durchgeführt werden können. Uns sind etliche solche Beispiele bekannt geworden, zu denen auch internationale Konferenzen zählen, die über den Schwerpunkt im Kultur- und Wissenschaftsbereich hinaus immer wieder auch grenzüberschreitende und völkerverständigende Akzente gesetzt haben.

Wenn wir die Frage der ‚Auskömmlichkeit‘ in einem breiteren Maßstab sehen, müssen wir wiederum einen ganz anderen Blickwinkel einnehmen. Ich will einen Vergleichswert heranziehen, um zu veranschaulichen, um welche Maßstäbe es bei der Kulturförderung der Vertriebenen und Spätaussiedler geht.

Der kommunale Kulturetat einer Großstadt wie München betrug beispielsweise im Jahr 2021 etwa 245 Millionen Euro. Wie hoch war hingegen die Kulturförderung des Bundes für kulturelle Maßnahmen im Rahmen des § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) – der zentralen Fördervorschrift, die eine Verpflichtung zur Förderung festhält, letztes Jahr? Nun, nicht einmal ein Zehntel davon, nämlich nur 20,7 Millionen Euro. In diesem Jahr wird er bei 19,7 Millionen Euro liegen – und damit von niedrigem Stand um eine Million Euro weiter gekürzt, verbunden mit der Gefahr, dass diese Tendenz sich verstetigt. Man fragt sich zu Recht, ob das der Wert sein soll, den die aktuelle Bundesregierung unseren Themen, den Einrichtungen, Museen und insbesondere unseren Kulturveranstaltungen und -projekten – unseren andauernden Bemühungen um einen aktiven Kulturerhalt – beimisst.

Im noch größeren Rahmen wird es, zieht man Vergleichswerte heran, dann schon bedenklich: In diesem Jahr stehen mit insgesamt rund 2,39 Milliarden Euro so viele Mittel wie noch nie für die Kultur- und Medienpolitik des Bundes zur Verfügung. Davon entfallen mit den genannten 19,7 Millionen nur 0,82 Prozent auf die Kulturarbeit nach § 96 BVFG, wo nachweislich jedoch zwischen 25 bis 33 Prozent der deutschen Bevölkerung einen Vertriebenenhintergrund haben. Von den betagten Vertriebenen selbst über die Kinder bis zu der Generation der Enkel und Urenkel.

Mittelkürzung und Förderpraxis im kulturpolitischen Bereich haben unterdessen eine Tendenz etabliert, mit der die Träger der Kulturarbeit – Landsmannschaften, BdV sowie sämtliche Organisationen und engagierte Mitglieder, die sich hier einbringen –nicht zufrieden sein können. Kulturarbeit ist nicht mehr angemessen möglich. Zwar bleibt der Raum für verstärkte Betätigung im Rahmen der Verständigungspolitik, die Kulturarbeit nach § 96 BVFG kommt aber zum Schaden der Gesamtgesellschaft zu kurz. Laut Bundesvertriebenengesetz und unserem ‚Kulturparagraphen‘ 96 jedoch sollen Kultur, Kulturleben, Kulturpflege oder Weiterentwicklung der Kultur gefördert werden. Dies hat der Gesetzgeber vorausschauend, klar und unmissverständlich ausformuliert. Selbstverständlich werden hiermit verständigungspolitische oder allgemeine demokratische Fragen berührt, aber die schleichende Institutionalisierung einer musealisierten Kulturpflege konterkariert die gesetzliche Intention, dass die gelebte Kultur der Vertriebenen und Spätaussiedler im unmittelbaren Verantwortungsbereich Deutschlands liegt.

Es ist gerade jetzt unglaublich wichtig, hier Handlungsfähigkeit herzustellen. Angesichts des Wechsels von einer stark vom Ehrenamt geprägten Erlebnisgeneration zu einer eher institutionell getragenen Bekenntnisgeneration wächst die staatliche Verantwortung für dieses Kulturerbe – und vor allem auch dafür, es eben nicht nur zu musealisieren und zu erforschen, sondern es den Kulturträgern und ihren Verbänden zu ermöglichen, das Erbe lebendig und sichtbar zu erhalten und es weiterzuentwickeln. Hier in Deutschland und in den Heimatgebieten, wo diese Kultur entstanden ist und auch heute noch authentisch gelebt werden soll. Dieser Herausforderung müssen sich die Regierungen von Bund und Ländern stellen und entsprechende Mittel in die Haushalte einbringen.

Der Auftrag aus § 96 BVFG ist nach meinem Dafürhalten als Gesamtschuld im juristischen Sinne zu verstehen. Bund und Länder sind verpflichtet, jeder für sich! Ob hier jeder der landespolitischen Akteure seinen Verpflichtungen gerecht wird, kann man leicht etwa daran erkennen, dass manche viel, einige wenig und viele gar nichts investieren. Allzugern wird die Verantwortung nach oben delegiert – oder auf den BdV. Denn was die Landsmannschaften und wir, unsere Kulturgruppen und Einrichtungen gemeinsam mit den vielen Ehrenamtlichen über die letzten Jahrzehnte geleistet haben, war und ist letztlich nichts anderes, als Bund und Länder in der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Pflichten zu entlasten.

Meine Überzeugung ist, dass man an einigen Stellen in der amtierenden Bundesregierung von der Arbeit der deutschen Vertriebenen und Spätaussiedler wenig weiß und vielleicht auch zu wenig wissen will. Vertriebene und Spätaussiedler gehören hier leider nicht zum bevorzugten Zielpublikum. Nur so kann ich mir die Formulierung der BKM erklären, die aktuelle Kulturarbeit sei ‚auskömmlich‘ finanziert.

Damit ist aber die Gefahr verbunden, dass sich bei den Ostpreußen, Pommern oder Schlesiern das kollektive Gefühl breitmacht, man sei von der Politik abgeschrieben und nurmehr ein im Verschwinden begriffener Teil des deutschen Kulturraums. Gerade weil die Heimatgebiete dieser Menschen durch den unseligen Zweiten Weltkrieg und seine Folgen verloren gingen, muss der Staat dafür ein Mehr an Verantwortung übernehmen, mitnichten jedoch ein Weniger.

Ohne Abstriche gilt das auch für das Kulturerbe der deutsch besiedelten Gebiete von Tschechien bis Russland und Kasachstan, von Estland bis Rumänien. Das Kriegsfolgenschicksal traf nach Kriegsende alle dortigen Deutschen, beraubte sie ihrer Heimat und erschwerte den Erhalt ihrer vor Ort gewachsenen Traditionen und Bräuche – kurz, es traf ihre Kultur.

Wer dies nicht erkennt, drängt die Betroffenen an die Ränder demokratischer Räume oder schlimmstenfalls darüber hinaus. Das kann sich ein Land wie Deutschland nicht leisten.

Förderung der Kultur der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler ist keine Geste der Großmütigkeit gegenüber den Vertriebenen, sondern gesetzlicher Auftrag sowie Verantwortung eines Staates und seiner Zivilgesellschaft.

Bundeskanzler Olaf Scholz bekannte sich letzte Woche beim Jahresempfang des BdV in Berlin ausdrücklich zur Unterstützung des Bundes der Vertriebenen. Das Bekenntnis umschloss expressis verbis die Maxime, ‚die Kultur und die Geschichte der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungsgebieten im östlichen Europa lebendig zu halten‘.

Diese ausdrückliche Zusage sollten die Landsmannschaften und Einrichtungen – einschließlich des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland – zum Anlass nehmen, die Regierung darauf hinzuweisen, dass dies mit der aktuellen Förderung nicht möglich ist. Eine ‚auskömmliche‘ Finanzierung sieht anders aus.“

CS

Schlagwörter: Berlin, BKM, Kulturförderung, Roth, Bernd Fabritius, BdV

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