5. August 2024
Lange Reise mit sicherer Ankunft: Die Evakuierung aus Nordsiebenbürgen vor 80 Jahren und ihr Vermächtnis
Es geschah vor 80 Jahren: die Evakuierung bzw. Flucht der Deutschen aus Nordsiebenbürgen im Herbst 1944, die eigentlich mindestens fünf Jahre vorher am 1. September 1939 mit dem verbrecherischen Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen begonnen hat, stellt der Verfasser des nachfolgenden Beitrags, Horst Göbbel, klar und bilanziert: Die Evakuierung forderte bei etwa 35.000 evakuierten Nordsiebenbürger Sachsen weniger als 100 verlorene Menschenleben – die Deportation von mehr als 70.000 Frauen und Männern aus Südsiebenbürgen im Januar 1945 in die Sowjetunion einen Blutzoll von etwa 14.000 Opfern. Göbbel, selbst während der Evakuierung in einem Viehwaggon in Ungarn geboren, plädiert in seiner Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen vor 80 Jahren für „ein Mindestmaß an Zuversicht“: „Manchmal muss etwas auch ertragen und bewältigt werden. Dabei ist Anpassungsfähigkeit gefragt, Erfahrungen der Vorfahren sind willkommen.“
„Als ich am Fluchttag gegen 16 Uhr nochmals und nun endgültig … zum Bistritzer Bahnhof zurückkehrte, … fand ich den Zug abfahrbereit. Immerhin hatten die Flüchtenden dann noch Zeit, sich in die mehr oder minder unbequeme Lage in den Wagen hineinzufinden, die nun 27 Tage ihr Aufenthalt sein sollten; Tage voll Sorge, Furcht und Zagen, voll Zank und Streit, voll Unwillens und voll Angst über lange Aufenthalte und voll der Glücksgefühle über flotte Weiterfahrt und voll Verlangens nach einer glücklichen Beendigung der Flucht. Gefasst und zumeist mit zurückgehaltenen Tränen, doch voll Wehmut ob des Verlustes der geliebten Heimat hatten die Insassen des Flüchtlingszuges, dessen Nummer mit 6 900 485 angegeben wurde, die Reise ins Ungewisse angetreten.“ (Prof. Dr. Friedrich Krauß 1956)
64 Jahre hatte das GNM die Kulturgüter treuhänderisch, ohne der Nachfolgegesellschaft seine damit verbundenen Kosten in Rechnung zu stellen, in optimalen Bedingungen aufbewahrt. Nun war es an der Zeit, einen rechtsgültigen Vertrag abzuschließen, durch den die Kulturgüter dem GNM als Leihgabe überantwortet werden. Generaldechant Dr. Carl Molitoris hatte in den Nachkriegsjahren mit einer Rückkehr der Gemeinde Bistritz offenbar gerechnet. Die NfG ist dankbar, auf 64 Jahre zurückblicken zu können, in denen es ihr und dem GNM gelungen ist, unberechtigte Ansprüche Dritter erfolgreich zurückzuweisen.
Es dauerte Jahre, bis sich die Heimgekehrten von dem schweren Schicksalsschlag etwas erholten. Mittlerweile haben fast alle Sachsen Nordsiebenbürgens im Zuge der Familienzusammenführung und Aussiedlung dieses einst deutsche Gebiet verlassen. Die Evakuierung verlangte bei ca. 35.000 evakuierten Nordsiebenbürger Sachsen weniger als 100 verlorene Menschenleben. Dagegen hat die Deportation von mehr als 70.000 Frauen und Männern aus Südsiebenbürgen im Januar 1945 in die Sowjetunion einen Blutzoll von etwa 14.000 Opfern ergeben.
Das Projekt „Frühneuzeitlicher Orienthandel und siebenbürgisch-sächsische Identitätsbildung – Die osmanischen Teppiche der evangelischen Stadtkirche A.B. in Bistritz/Bistriţa (Rumänien) im Germanischen Nationalmuseum“ ist ein erstes gewichtiges Ergebnis auf diesem neuen Weg. Als Ergebnis liegt derzeit im Internet die Arbeit unter dem Titel: „Anatolische Teppiche aus Bistritz/Bistriţa“ vor. Im Sinne des unterzeichneten Dreiervertrages steht der weiteren notwendigen sachgemäßen Konservierung, der wissenschaftlichen Erforschung, Restaurierung und Ausstellung von Teilen des Kulturgutes von universaler Bedeutung nichts mehr im Wege. Die notwendigen Mittel in siebenstelliger Höhe können durch das GNM eingesetzt werden und schließlich ein Zeugnis siebenbürgisch-sächsischer Kunst und Kultur einem breiten internationalen Publikum publik gemacht werden machen. Im Frühjahr und Sommer 2023 stellte das Germanische Nationalmuseum Nürnberg im Rahmen der Sonderausstellung HORIZONTE zum Jahresthema Migration auch Teile des Bistritzer Kirchenschatzes aus. Einige der Objekte befinden sich in der Dauerausstellung (Vasa Sacra, Töpfereiprodukte, Holzschränke, Trachtenteile), andere (Osmanische Teppiche) wurden erstmals nach mehr als 60 Jahren dem Publikum gezeigt. Wir sind insgesamt sehr froh, dass unsere langjährigen Bemühungen, den Bistritzer Kirchenschatz und insbesondere die anatolischen Teppiche im Germanischen Nationalmuseum der großen Öffentlichkeit präsentieren zu können und damit auf Bistritz, auf Siebenbürgen, auf Siebenbürger Sachsen, auf Kulturleistungen der Siebenbürger Sachsen an prominenter Stelle aufmerksam zu machen, auf besondere Art und Weise gelungen ist. Wir danken neben dem Germanischen Nationalmuseum ebenso der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, namentlich Bischof Reinhart Guib für die sehr gelungene Umsetzung unseres jahrzehntelangen Anliegens. Wir haben Anlass, sehr dankbar zu sein.
Vergangenheit muss akzeptiert werden, jedoch sind wir auch aufgerufen, uns mit ihr auseinanderzusetzen. Man muss sich auch über eigene Fehler klar werden. „Krieg und mehrjährige Kriegsgefangenschaft oder mehrjährige Zwangsarbeit haben vielen die Augen geöffnet über das dunkle, in das man hineingeraten war, als man als Jugendlicher Anhänger der NS-Ideologie in einen Vernichtungskrieg gezogen war.“ (Tilman Spreckelsen, Versöhnung in Nordböhmen, F.A.Z., 17.05.2024, S. 11) Die unmittelbare biografische Nachwirksamkeit des Geschehenen – Evakuierung 1944 und Deportation 1945 – hat uns betroffen und nachdenklich gemacht. Diese vielen Formen subjektiver Ehrlichkeit, die allgegenwärtige Unkenntnis historisch politischer Zusammenhänge, die immer mitspielenden gefestigten Vorurteile, die existenzielle Betroffenheit und die konkrete Leiderfahrung gilt sowohl für den Einzelfall als auch im Blick auf das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen als ethnische Gruppe. Ich selbst, geboren während der Evakuierung in einem Viehwaggon in Ungarn, bin dem Dunstkreis der Evakuierung ein Leben lang nicht entkommen und habe im Laufe der Jahre dieses Ereignis immer wieder neu kennengelernt und neu bewertet und neue Kraft aus dem Geschehen und seinen Folgen schöpfen können. Für mich und sicherlich für viele andere war die Evakuierung von 1944 auch ein identitätsstiftendes Phänomen mit beträchtlichen Nachwirkungen.
Berichte über die furchtbaren Geschehnisse bei Flucht und Vertreibung wurden früh von den Betroffenen erzählt; sie litten vielfach unter den traumatischen Erlebnissen. Sie fanden auch in der Literatur ihren Niederschlag. Im Auftrag des 1949 in Deutschland eingerichteten Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte wurde ab 1954 eine vielbändige „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“ von zahlreichen Wissenschaftlern – auf der Basis von Dokumenten und Zeugenaussagen – erarbeitet und herausgegeben. 1984 brachte der Deutsche Taschenbuch Verlag München einen unveränderten Nachdruck der Ausgaben ab 1954 heraus, darunter auch Band 3 „Das Schicksal der Deutschen in Rumänien“ von 1957. Nach einer sehr soliden wissenschaftlichen Einführung und Einordnung werden hier in Kap. II. „Kapitulation. Evakuierung und Flucht vor der Roten Armee aus dem Gebiet Nordsiebenbürgen“ neun Erlebnisberichte abgedruckt. Diese werden im Bundesarchiv, Zweigstelle Bayreuth, aufbewahrt. Hier sind die Bestände des Lastenausgleichsarchivs gelagert. Akten der Ausgleichsverwaltung, Heimatortskarteien sowie die Ost-Dokumentation stehen für Forschungen zu den Ostgebieten des Deutschen Reiches sowie den deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa bereit. Außer den neun veröffentlichten Berichten sind im Archiv eine große Anzahl weiterer Berichte einsehbar. In Rumänien war die Evakuierung bis 1990 ein Tabuthema, wie auch die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion. Im marxistisch-leninistischen Unterricht bzw. in den Staatsmedien hatte die realitätsgetreue Darstellung der Geschichte der Siebenbürger Sachsen oder Banater Schwaben keinen Platz. Dafür jedoch in den Erzählungen der Betroffenen, die 1945 nach Siebenbürgen zurückkehren mussten.
Dennoch ist ein Zusammenleben mit unseren vorwiegend rumänischen Nachbarn schon früh zustande gekommen, weil wir im Alltag aufeinander angewiesen waren. Die neuen Realitäten produzierten erheblich mehr Verständnis füreinander. All dies erleichterte auch komplexe Lösungen, wie etwa die Tatsache, dass beispielsweise in den meisten nordsiebenbürgischen sächsischen Gemeinden vor der Übersiedlung nach Deutschland oder nach Österreich die evangelischen Kirchen hauptsächlich den orthodoxen Gläubigen geschenkt oder zu einem geringen Preis verkauft wurden. Somit sind diese Kirchen als Gotteshäuser bis auf den heutigen Tag gerettet. Die umfassenden Aktivitäten der HOG Bistritz-Nösen während der letzten 20 Jahre unter der Leitung von Dr. Hans Georg Franchy haben dieses positive Grundverhältnis zwischen Siebenbürger Sachsen, mehrheitlich längst nach Deutschland oder Österreich ausgewandert, mit den rumänischen Behörden und orthodoxen Kirchengemeinden zu beiderseitigen Vorteil wachsen lassen. 2014 weihten wir die Evakuierungsdenkmale in Bistritz und in Drabenderhöhe feierlich ein, als deutliche sichtbare Zeichen dieser gegenseitigen Anerkennung der Geschichte und Gegenwart. Unsere reichen Aktivitäten der letzten Jahre, Beteiligung und Förderung der Renovierung der evangelischen Kirche, des früheren evangelischen Gymnasiums, des Gewerbevereinshauses, des ev. Pfarrhauses in Bistritz oder in Jaad, haben in einer Zeit stattgefunden, in der in Europa leider wieder Krieg herrscht. Nicht weit östlich und nördlich von den Grenzen Rumäniens. Trotz mancher resignierenden Beobachtungen bezüglich aktueller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen in Europa und in der Welt haben wir den Glauben an die Humanität nicht verloren. In so wichtigen Fragen wie Evakuierung oder Deportation sollen wir kritisch in die Vergangenheit schauen, ohne der Trauer großen Raum zu geben, dafür jedoch der Hoffnung auf Versöhnung umso mehr. Wir haben inzwischen eine bessere Basis für das gegenseitige Verständnis in Rumänien geschaffen. Wenn uns das gelungen ist, dann waren unsere Bemühungen, mit denen wir uns bei diesem Problem befasst haben, nicht vergebens. Naturgemäß war das Thema der Evakuierung von Nordsiebenbürger Sachsen 1944 in Zeiten des sozialistischen Regimes stalinistisch-sowjetischer Prägung in Rumänien öffentlich, wie schon gesagt, kein Thema. Eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und der folgenden Evakuierung war im sozialistischen Rumänen ganz und gar unmöglich. Somit gab es im sozialistischen Rumänien auch keinerlei wissenschaftliche oder sonstige Auseinandersetzung über die Evakuierung, die Rückkehr und den Neubeginn der etwa 6.000 Nordsiebenbürger Sachsen nach 1945 in Nordsiebenbürgen.
Dass Katastrophen Geburtshelfer für Neues sein können, hat die Geschichte häufiger gezeigt. In größter Not besinnen sich Menschen, hier die Siebenbürger Sachsen, auf ihre Kardinaltugend: ihren Überlebenswillen, ihren ungebrochenen Wiederaufbauwillen. Leidensfähigkeit, Hartnäckigkeit, Fleiß, Sparsamkeit, Geradlinigkeit, Zuverlässigkeit, Loyalität gegenüber staatlichen und kirchlichen Behörden, Festhalten am christlichen Glauben, Toleranz, Durchsetzungsvermögen auch unter widrigsten Bedingungen, Mut und Bereitschaft zum Neuanfang waren ihre ständigen Begleiter. Dies geschah nach Wandervölker- und Türkeneinfällen sowie Kriegen in früheren Jahrhunderten, nach der Katastrophe von 1944/45 in Siebenbürgen, nach der Evakuierung, nach der Kriegsgefangenschaft, nach der Deportation 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, nach dem sehr schwierigen Neuanfang in Österreich, nach der Aussiedlung nach Deutschland.
Im Sinne der treffenden Aussagen des Generaldirektors des GNM Dr. Daniel Hess zur Einführung in die Ausstellung HORIZONTE im März 2023: „Der Blick zurück lässt uns nicht nur die Gegenwart besser verstehen, sondern auch Geschichten, Schicksale und Überlebensstrategien wach werden, die uns Mut machen und die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen unter neuen Perspektiven annehmen lassen“ können wir die Folgen der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen untersuchen und weitreichende Feststellungen treffen.
Die Gemeinschaft stärkt. Und in dieser Gemeinschaft wächst jedem eine Aufgabe zu. Das nämlich ist das ganz und gar Verblüffende dieses siebenbürgischen Kriegsschicksals: der Wille zur zupackenden Gestaltung, der ausgeprägte Wunsch, sich dem blinden Kräftespiel der kriegerischen Gewalt durch das kreative Gestalten eines neuen Zuhauses entgegenzustellen, ist mächtiger als die Trauer. In diesen Tagen der Erschütterungen hilft den heimatlosen Siebenbürgern ein Wesenszug, der ihnen fast allen eigen ist: Ein unerschütterlicher Optimismus, der aus der christlichen Überzeugung kommt, dass nicht Boden und nicht heimatliche Landschaft letztes Fundament eines glücklichen Lebens sind.“
Auf die Frage „Wie beurteilen Sie die Folgen dieser Evakuierung für die Siebenbürger Sachsen?“ antwortete Bischof Reinhart Guib 2014: „Man kann sagen, die Evakuierung war der erste große Schnitt, der die Siebenbürger Sachsen getrennt hat. …Es war zum ersten Mal, dass einem bewusst wurde, dass unser Volk zerrissen wird mit ungewissem Ausgang. Es war eine Herausforderung damals, aber wir können es heute auch als eine Möglichkeit sehen, dass wir hier, die Hiesigen, Brüder und Schwestern in Europa, im westlichen Europa haben, die uns helfen, heute mit diesem Problem hier fertig zu werden und umgekehrt die damals mit dem Treck Weggezogenen wissen, sie haben hier die Heimat, die Heimat ist noch hier, sie haben Verbindung zu den Menschen hier, sie können die Verbindung wachhalten und fördern. Das heißt, wir sind im gemeinsamen Europa zu Hause.“
Bistritzer Kirchenschatz
Seit 1952 bewahrt das Germanische Nationalmuseum 55 osmanische Teppiche, 18 Vasa Sacra und eine Münzsammlung aus der evangelischen Stadtkirche A.B. in Bistritz auf. 1979 wurden dem Bestand ein Kelch und eine Patene hinzugefügt, 1982 eine Lutherbibel. Die Gegenstände waren bei der Evakuierung der deutschen Bevölkerung 1944 nach Westeuropa gebracht worden und schließlich 1952 in das Germanische Nationalmuseum gelangt, dem in der Nachkriegszeit die Rolle einer treuhänderischen Institution für „herrenloses Kulturgut" aus den östlichen Landesteilen und deutschen Siedlungsgebieten zukam. Im Vertrag vom 22. November 2016 zwischen dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (GNM) als Leihnehmer und der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Bistritz, vertreten durch das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, dieses vertreten durch den Bischof, und der Nachfolgegesellschaft des Bistritzer Presbyteriums von 1944 (NfG) als Leihgeber heißt es: „Der Leihnehmer hat bei der Präsentation der Objekte und in sämtlichen Publikationen auf die Leihgeber hinzuweisen. Dabei ist folgende Formulierung zu verwenden: ‚Evangelische Kirchengemeinde A.B. in Bistritz/Siebenbürgen‘ (…) Entsprechendes gilt bei der Überlassung an Dritte zu Ausstellungszwecken.“ … „Der Vertrag gilt zunächst für die Dauer von 50 Jahren. Er verlängert sich um 25 Jahre, es sei denn, der Vertrag wird von einem der Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Jahren vor dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit in schriftlicher Form gekündigt. Danach verlängert sich der Vertrag um jeweils fünf Jahre, es sei denn, er wird von einem der Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr vor dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit in schriftlicher Form gekündigt.“ Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass das Germanische Nationalmuseum in Anbetracht der Geschichte der Institution und seiner umfassenden vielfältigen Möglichkeiten für die Aufbewahrung des Bistritzer Kirchenschatzes der ideale Ort ist.64 Jahre hatte das GNM die Kulturgüter treuhänderisch, ohne der Nachfolgegesellschaft seine damit verbundenen Kosten in Rechnung zu stellen, in optimalen Bedingungen aufbewahrt. Nun war es an der Zeit, einen rechtsgültigen Vertrag abzuschließen, durch den die Kulturgüter dem GNM als Leihgabe überantwortet werden. Generaldechant Dr. Carl Molitoris hatte in den Nachkriegsjahren mit einer Rückkehr der Gemeinde Bistritz offenbar gerechnet. Die NfG ist dankbar, auf 64 Jahre zurückblicken zu können, in denen es ihr und dem GNM gelungen ist, unberechtigte Ansprüche Dritter erfolgreich zurückzuweisen.
Tiefe Zäsur in der Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen
Die sichere Ankunft des Bistritzer Kirchenschatzes im Germanischen Nationalmuseum 1952 in Nürnberg und seine rechtlich einwandfreie Übernahme 2016 ist eng verbunden mit der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen im Herbst 1944 und deren Folgen. Diese Evakuierung war die existenziell wohl tiefste Zäsur in der damals 800-jährigen Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen. Eine Zäsur, von der sie sich nicht mehr so erholen konnten, dass sie weiterhin ein bestimmender Faktor der Kulturlandschaft Siebenbürgen geblieben wären, eine Zäsur, die den unumkehrbaren Niedergang der aktiven Präsenz der Siebenbürger Sachsen im Karpatenbogen einleitete.Nordsiebenbürgische Trecks
Was ist vor 80 Jahren geschehen? Knapp zusammengefasst, ergeben sich für diesen markanten historischen Wendepunkt in Nordsiebenbürgen folgende Fakten: Beim Herannahen der Roten Armee im September 1944 erfolgte die Evakuierung der Sachsen aus dem Nösnergau und dem Reener Ländchen (seit 1940 zu Ungarn gehörend). Sie war bis ins Einzelne geplant von der nordsiebenbürgischen Gebietsleitung der deutschen Volksgruppe (Robert Gassner, Generaldechant Dr. Carl Molitoris). Eine Evakuierung der Sachsen aus Südsiebenbürgen war nicht vorbereitet worden und wäre nach dem überraschenden Frontwechsel Rumäniens (23. August 1944) auch nicht möglich gewesen. Aus Südsiebenbürgen ergriffen bloß Einzelpersonen oder kleinere Gruppen mit den abziehenden deutschen Truppen die Flucht. Panikartig wurden außerdem am 6. September 1944 die im Kokelgebiet gelegenen Dörfer Felldorf, Katzendorf, Maniersch, Rode, Zendersch und Zuckmantel evakuiert, am 8. September die Gemeinde Draas. Die nordsiebenbürgischen Trecks aus 34 Orten aus dem Raum Bistritz, aus elf Orten aus dem Reener Ländchen und aus den sieben genannten Orten aus dem Kokelgebiet verließen zwischen dem 10. (bzw. 6.) und 20. September ihre Gemeinden. Die Stadtbevölkerung wurde mit Zügen und Lastkraftwagen der Wehrmacht evakuiert. Der letzte Eisenbahntransport mit deutschen Flüchtlingen verließ Bistritz am 27. September 1944. Mitentscheidend für den insgesamt sicheren Abzug aus Nordsiebenbürgen war General Artur Phleps (1881-1944), siebenbürgisch-sächsischer Landsmann aus Birthälm. Am 12. Oktober zog die Rote Armee in Bistritz ein. Etwa 95% der sächsischen Bevölkerung Nordsiebenbürgens hatten die Flucht ergriffen (ca. 35000). Die Trecks kamen bei verstopften Straßen, meist auf Nebenstrecken, nur langsam vorwärts. Anfang Oktober überschritten sie die Theiß und zwischen dem 25. Oktober und 10. November die damalige Reichsgrenze zwischen Ungarn und Österreich. Sie wurden größtenteils in Nieder- und Oberösterreich untergebracht. Zum Teil erfolgte im Frühjahr 1945 eine zweite Flucht, die auch nach Kriegsende (9. Mai 1945) in westliche Richtung fortgesetzt wurde. Im Nachkriegsösterreich erwarteten (nicht nur) die sächsischen Flüchtlinge sehr harte Zeiten.Repressalien in Siebenbürgen
Die bei Kriegsende in den sowjetischen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs sowie in der Tschechoslowakei befindlichen Sachsen wurden im Juni/Juli 1945 nach Siebenbürgen rückgeführt. Hier erwartete sie, nun enteignet, besitzlos und als Deutsche diskriminiert Zwangsarbeit, Repressalien, Verfolgungen und Demütigungen.Es dauerte Jahre, bis sich die Heimgekehrten von dem schweren Schicksalsschlag etwas erholten. Mittlerweile haben fast alle Sachsen Nordsiebenbürgens im Zuge der Familienzusammenführung und Aussiedlung dieses einst deutsche Gebiet verlassen. Die Evakuierung verlangte bei ca. 35.000 evakuierten Nordsiebenbürger Sachsen weniger als 100 verlorene Menschenleben. Dagegen hat die Deportation von mehr als 70.000 Frauen und Männern aus Südsiebenbürgen im Januar 1945 in die Sowjetunion einen Blutzoll von etwa 14.000 Opfern ergeben.
Wertvolle Kulturgüter gerettet
Zur minutiös geplanten Evakuierung gehörte auch der äußerst schwierige Transport des Kirchenschatzes der Evangelischen Kirche A. B. Bistritz mit der Bahn von Bistritz nach Wien. So, wie die einzelnen sächsischen evakuierten Familien ihre Familienbibeln auf den von Pferden, Ochsen und Kühen gezogenen Treckwägen oder in den Eisenbahngüterwaggons und Wehrmachtstransportern während ihrer ca. zweimonatigen rund 1500 km langen Flucht nicht entbehren wollten, so war für die damals verantwortlichen leitenden nordsiebenbürgischen Personen – Kirchenleitung Dr. Carl Molitoris und Gebietsführung Robert Gassner – klar, dass neben den Menschen auch wertvolle Kulturgüter, etwa der Kirchenschatz oder die rund 800.000 Zettel mit nordsiebenbürgisch-sächsischen Mundartproben des Bistritzer Pfarrers und Gymnasialprofessors Friedrich Krauß (1892-1978), die er in den 1920er und 1930er Jahren in den nordsiebenbürgischen Dörfern gesammelt hatte und woraus in Gundelsheim in jahrzehntelanger Arbeit (1957 bis 2003) das einzigartige Nordsiebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch entstand, vor der herannahenden Roten Armee gerettet werden mussten. Am 15. September 1944 in Bistritz inventarisiert, sorgsam in Kisten verpackt und von Soldaten geschützt, ging der Kirchenschatz in einem Sonderzug auf seine mehrwöchige Reise nach Österreich. Verantwortet wurde die Aktion von den Mitgliedern des Generaldekanats für Nordsiebenbürgen unter Leitung des Generaldechanten, Stadtpfarrer Dr. Carl Molitoris (1887-1972). Von dort gelangte das Kulturgut über das Bayerische Nationalmuseum in München 1952 als Dauerleihgabe in das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Nach dem Tode von Dr. Molitoris gründeten noch lebende Dekanatsmitglieder 1976 die sogenannte Nachfolgegesellschaft als Ansprechpartnerin des Germanischen Nationalmuseums. Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde am 22. November 2016 der von Dr. Carl Molitoris unterschriebene Leihgabevertrag vom 6. Juni 1952 durch einen neuen Vertrag ersetzt und für das GNM von seinem damaligen Generaldirektor Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, seitens der Evangelischen Landeskirche in Rumänien von Bischof Reinhart Guib und Hauptanwalt Friedrich Gunesch sowie seitens der Nachfolgegesellschaft vom Vorsitzenden Kurt Franchy und mir, Horst Göbbel, als Geschäftsführer unterschrieben. Dieser neue Vertrag sorgt für umfangreiche Rechtssicherheit im Umgang mit dem auch für uns, die nordsiebenbürgischen Nachkommen, nach wie vor sehr wertvollen Kirchengut der Bistritzer Kirchengemeinde und ermöglicht erstmals nach Jahrzehnten das Anwerben von öffentlichen Mitteln für Projekte, um Restaurierung und Forschung zu betreiben.Das Projekt „Frühneuzeitlicher Orienthandel und siebenbürgisch-sächsische Identitätsbildung – Die osmanischen Teppiche der evangelischen Stadtkirche A.B. in Bistritz/Bistriţa (Rumänien) im Germanischen Nationalmuseum“ ist ein erstes gewichtiges Ergebnis auf diesem neuen Weg. Als Ergebnis liegt derzeit im Internet die Arbeit unter dem Titel: „Anatolische Teppiche aus Bistritz/Bistriţa“ vor. Im Sinne des unterzeichneten Dreiervertrages steht der weiteren notwendigen sachgemäßen Konservierung, der wissenschaftlichen Erforschung, Restaurierung und Ausstellung von Teilen des Kulturgutes von universaler Bedeutung nichts mehr im Wege. Die notwendigen Mittel in siebenstelliger Höhe können durch das GNM eingesetzt werden und schließlich ein Zeugnis siebenbürgisch-sächsischer Kunst und Kultur einem breiten internationalen Publikum publik gemacht werden machen. Im Frühjahr und Sommer 2023 stellte das Germanische Nationalmuseum Nürnberg im Rahmen der Sonderausstellung HORIZONTE zum Jahresthema Migration auch Teile des Bistritzer Kirchenschatzes aus. Einige der Objekte befinden sich in der Dauerausstellung (Vasa Sacra, Töpfereiprodukte, Holzschränke, Trachtenteile), andere (Osmanische Teppiche) wurden erstmals nach mehr als 60 Jahren dem Publikum gezeigt. Wir sind insgesamt sehr froh, dass unsere langjährigen Bemühungen, den Bistritzer Kirchenschatz und insbesondere die anatolischen Teppiche im Germanischen Nationalmuseum der großen Öffentlichkeit präsentieren zu können und damit auf Bistritz, auf Siebenbürgen, auf Siebenbürger Sachsen, auf Kulturleistungen der Siebenbürger Sachsen an prominenter Stelle aufmerksam zu machen, auf besondere Art und Weise gelungen ist. Wir danken neben dem Germanischen Nationalmuseum ebenso der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, namentlich Bischof Reinhart Guib für die sehr gelungene Umsetzung unseres jahrzehntelangen Anliegens. Wir haben Anlass, sehr dankbar zu sein.
Historische Aufarbeitung
Wie ist das Geschehen vor 80 Jahren, das Menschen und Kulturgüter auf eine lange Reise führte, heute einzuordnen? Diese Evakuierung bzw. Flucht der Deutschen aus Nordsiebenbürgen im Herbst 1944 hat eigentlich – und das möchte ich hier klarstellen – mindestens fünf Jahre vorher am 1. September 1939 – mit dem verbrecherischen Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen begonnen. Es gibt Kausalitäten, die nicht übersehen werden dürfen, es gibt deutsche Schuld, es gibt grauenhafte Verbrechen, die Deutsche anderen zufügten, die nicht totgeschwiegen werden dürfen. Ebenso rechtfertigen von Deutschen begangene Untaten nicht die an ihnen verübten Verbrechen der Sieger.Vergangenheit muss akzeptiert werden, jedoch sind wir auch aufgerufen, uns mit ihr auseinanderzusetzen. Man muss sich auch über eigene Fehler klar werden. „Krieg und mehrjährige Kriegsgefangenschaft oder mehrjährige Zwangsarbeit haben vielen die Augen geöffnet über das dunkle, in das man hineingeraten war, als man als Jugendlicher Anhänger der NS-Ideologie in einen Vernichtungskrieg gezogen war.“ (Tilman Spreckelsen, Versöhnung in Nordböhmen, F.A.Z., 17.05.2024, S. 11) Die unmittelbare biografische Nachwirksamkeit des Geschehenen – Evakuierung 1944 und Deportation 1945 – hat uns betroffen und nachdenklich gemacht. Diese vielen Formen subjektiver Ehrlichkeit, die allgegenwärtige Unkenntnis historisch politischer Zusammenhänge, die immer mitspielenden gefestigten Vorurteile, die existenzielle Betroffenheit und die konkrete Leiderfahrung gilt sowohl für den Einzelfall als auch im Blick auf das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen als ethnische Gruppe. Ich selbst, geboren während der Evakuierung in einem Viehwaggon in Ungarn, bin dem Dunstkreis der Evakuierung ein Leben lang nicht entkommen und habe im Laufe der Jahre dieses Ereignis immer wieder neu kennengelernt und neu bewertet und neue Kraft aus dem Geschehen und seinen Folgen schöpfen können. Für mich und sicherlich für viele andere war die Evakuierung von 1944 auch ein identitätsstiftendes Phänomen mit beträchtlichen Nachwirkungen.
Forschungen und Literatur
Das Thema Evakuierung aus Nordsiebenbürgen stand während der letzten 80 Jahre nur vereinzelt auf der Forschungsagenda. Es gehört de facto zum großen Komplex Flucht und Vertreibung der Deutschen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. An die vierzehn Millionen Deutsche wurden zum Kriegsende aus Osteuropa evakuiert, flohen in Trecks, wurden deportiert oder ausgewiesen. Etwa zwei Millionen überlebten diese Zeit nicht.Berichte über die furchtbaren Geschehnisse bei Flucht und Vertreibung wurden früh von den Betroffenen erzählt; sie litten vielfach unter den traumatischen Erlebnissen. Sie fanden auch in der Literatur ihren Niederschlag. Im Auftrag des 1949 in Deutschland eingerichteten Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte wurde ab 1954 eine vielbändige „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“ von zahlreichen Wissenschaftlern – auf der Basis von Dokumenten und Zeugenaussagen – erarbeitet und herausgegeben. 1984 brachte der Deutsche Taschenbuch Verlag München einen unveränderten Nachdruck der Ausgaben ab 1954 heraus, darunter auch Band 3 „Das Schicksal der Deutschen in Rumänien“ von 1957. Nach einer sehr soliden wissenschaftlichen Einführung und Einordnung werden hier in Kap. II. „Kapitulation. Evakuierung und Flucht vor der Roten Armee aus dem Gebiet Nordsiebenbürgen“ neun Erlebnisberichte abgedruckt. Diese werden im Bundesarchiv, Zweigstelle Bayreuth, aufbewahrt. Hier sind die Bestände des Lastenausgleichsarchivs gelagert. Akten der Ausgleichsverwaltung, Heimatortskarteien sowie die Ost-Dokumentation stehen für Forschungen zu den Ostgebieten des Deutschen Reiches sowie den deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa bereit. Außer den neun veröffentlichten Berichten sind im Archiv eine große Anzahl weiterer Berichte einsehbar. In Rumänien war die Evakuierung bis 1990 ein Tabuthema, wie auch die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion. Im marxistisch-leninistischen Unterricht bzw. in den Staatsmedien hatte die realitätsgetreue Darstellung der Geschichte der Siebenbürger Sachsen oder Banater Schwaben keinen Platz. Dafür jedoch in den Erzählungen der Betroffenen, die 1945 nach Siebenbürgen zurückkehren mussten.
Dokumentationen
Recherchieren in rumänischen Archiven war de facto erst nach dem Ende der Ceauşescu-Diktatur möglich, so auch im Staatsarchiv Bistritz, wo während der letzten Jahre große Aufgeschlossenheit diesbezüglich herrscht. Ehemalige Evakuierte selbst und ihre Angehörigen haben in Tagebüchern, in Briefen, in Berichten, in Gedichten und Bildern das Thema Evakuierung relativ breit behandelt. Dies wird in den einzelnen, für alle nordsiebenbürgischen sächsischen Orte speziell dank der Arbeit von Dr. Jost Linkner vorliegenden Heimatbücher der sächsischen Orte Nordsiebenbürgens sehr breit erwähnt, jedoch nicht systematisch im Überblick angegangen. Betroffene standen zunehmend ab den 1980er Jahren auch für Interviews und für Gespräche, auch zum Beispiel für den Film von Günter Czernetzky „Die Russen kommen“ von 2006 zur Verfügung. Bei der Sonderausgabe von WIR NÖSNER 2014 1944-2014 Die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 und ihre Folgen, Wiehl-Drabenderhöhe 2014, herausgegeben von der HOG Bistritz-Nösen in deutscher und rumänischer Sprache, habe ich auf 554 Seiten versucht, umfassend die Thematik auch auf der Grundlage weitreichender Dokumente, Briefe, Fotos aus dem Bistritzer Staatsarchiv, dem Bundesarchiv in Bayreuth, dem Landesarchiv Linz und der Siebenbürgisch-Sächsischen Bibliothek in Gundelsheim, sowie von einschlägiger Literatur und mehrerer Interviews zu behandeln. Der jeweilige persönliche und insbesondere der generelle Wissensstand bezüglich der sozial-politischen Verhältnisse, sowie in Bezug auf die Tatsachen der Evakuierung hat großen Einfluss auf jeweils neue, sicherere Bewertungen dieses Ereignisses ergeben.Geläuterte Erinnerung und Versöhnung
Geläuterte Erinnerung, die bekanntlich befreien und zur Grundlage von Versöhnung beider Seiten werden kann, hat im Falle der Nordsiebenbürger Sachsen zu zahlreichen positiven Ergebnissen geführt. Zunächst war man nach dem Krieg in Nordsiebenbürgen als Deutscher extrem abgelehnt, hatte keine Rechte, war kirchenmausarm, ungeschützt, und und und …Dennoch ist ein Zusammenleben mit unseren vorwiegend rumänischen Nachbarn schon früh zustande gekommen, weil wir im Alltag aufeinander angewiesen waren. Die neuen Realitäten produzierten erheblich mehr Verständnis füreinander. All dies erleichterte auch komplexe Lösungen, wie etwa die Tatsache, dass beispielsweise in den meisten nordsiebenbürgischen sächsischen Gemeinden vor der Übersiedlung nach Deutschland oder nach Österreich die evangelischen Kirchen hauptsächlich den orthodoxen Gläubigen geschenkt oder zu einem geringen Preis verkauft wurden. Somit sind diese Kirchen als Gotteshäuser bis auf den heutigen Tag gerettet. Die umfassenden Aktivitäten der HOG Bistritz-Nösen während der letzten 20 Jahre unter der Leitung von Dr. Hans Georg Franchy haben dieses positive Grundverhältnis zwischen Siebenbürger Sachsen, mehrheitlich längst nach Deutschland oder Österreich ausgewandert, mit den rumänischen Behörden und orthodoxen Kirchengemeinden zu beiderseitigen Vorteil wachsen lassen. 2014 weihten wir die Evakuierungsdenkmale in Bistritz und in Drabenderhöhe feierlich ein, als deutliche sichtbare Zeichen dieser gegenseitigen Anerkennung der Geschichte und Gegenwart. Unsere reichen Aktivitäten der letzten Jahre, Beteiligung und Förderung der Renovierung der evangelischen Kirche, des früheren evangelischen Gymnasiums, des Gewerbevereinshauses, des ev. Pfarrhauses in Bistritz oder in Jaad, haben in einer Zeit stattgefunden, in der in Europa leider wieder Krieg herrscht. Nicht weit östlich und nördlich von den Grenzen Rumäniens. Trotz mancher resignierenden Beobachtungen bezüglich aktueller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen in Europa und in der Welt haben wir den Glauben an die Humanität nicht verloren. In so wichtigen Fragen wie Evakuierung oder Deportation sollen wir kritisch in die Vergangenheit schauen, ohne der Trauer großen Raum zu geben, dafür jedoch der Hoffnung auf Versöhnung umso mehr. Wir haben inzwischen eine bessere Basis für das gegenseitige Verständnis in Rumänien geschaffen. Wenn uns das gelungen ist, dann waren unsere Bemühungen, mit denen wir uns bei diesem Problem befasst haben, nicht vergebens. Naturgemäß war das Thema der Evakuierung von Nordsiebenbürger Sachsen 1944 in Zeiten des sozialistischen Regimes stalinistisch-sowjetischer Prägung in Rumänien öffentlich, wie schon gesagt, kein Thema. Eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und der folgenden Evakuierung war im sozialistischen Rumänen ganz und gar unmöglich. Somit gab es im sozialistischen Rumänien auch keinerlei wissenschaftliche oder sonstige Auseinandersetzung über die Evakuierung, die Rückkehr und den Neubeginn der etwa 6.000 Nordsiebenbürger Sachsen nach 1945 in Nordsiebenbürgen.
Differenziertere Beobachtungen
Während es in Rumänien nicht möglich war, sich mit dem Thema Evakuierung auch wissenschaftlich zu beschäftigen (zumindest bis 1990), so blieb dieses Thema in allen Heimatbüchern der nordsiebenbürgischen Gemeinden eines der wichtigen Themen. Jedoch ist auch hier im Westen lange Zeit eine angemessene Auseinandersetzung mit der eigenen leidvollen Geschichte nicht wirklich vollzogen worden, denn man hätte zwangsläufig die eigenen Verstrickungen in die Katastrophe in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch bzw. erheblicher in das Blickfeld rücken müssen. Man hat sich lange Zeit mit alten, ethnischen Vorurteilen gegen die rumänische Mehrheit beschäftigt und war nicht in der Lage, das Schicksal der Evakuierten und Deportierten im Horizont des historischen Kontextes zu beobachten, zu werten (Georg Weber, „Die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945-1949“, Köln Weimar Wien 1995, Band I S. 3.) Ein differenziertes Bild des Geschehens war lange Zeit nicht möglich. Ähnlich wie beim großen Thema in Deutschland: Was war der 8. Mai 1945? War es der Zusammenbruch oder die Befreiung? Erst die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker 1995 hat die Bewertung/Beurteilung dieses Tiefpunktes deutscher Geschichte in der Öffentlichkeit zu verändern begonnen. Selbstverständlich war es beides: Zusammenbruch und Befreiung. Georg Weber (3 ff.) sagt mit Recht, es müsse genauer hingesehen werden, „wer was warum erinnert und wer was warum nicht erinnert.“ Dabei ist klar, dass die verschiedenen Formen der Erinnerung manchmal doch versagen, differenziertere Beobachtungen sind immer wieder notwendig und möglich. Viel zu lange hat die politische Kultur Nachkriegsdeutschlands das in Ost- und Südosteuropa Deutschen widerfahrene Leid ausgeblendet oder aber dieses Leid nicht als unmittelbare Kriegsfolge angesehen und so die Verbrechen des Kriegs- und Vernichtungszuges Nazideutschlands zum Teil unbeachtet gelassen. Zum Teil wurden wir mit dem Begriff Deutschtümelei abgespeist. Jede Thematisierung jener Kriegsfolgen für die Deutschen aus Ost- und Südosteuropa setzt sich zwangsläufig der Gefahr des Vorwurfs aus, sie leiste einer Aufrechnung des einen gegen das andere Land Vorschub.Historische und politische Einordnung
Längst ist es möglich, das Erleben und Erleiden der von der Deportation und der Evakuierung Betroffenen und deren Nachkommen deutlich darzustellen, ohne dabei den historischen Kontext und die Verstrickungen aller Beteiligten – etwa von Robert Gassner – aus dem Blick zu verlieren. Es ist nachvollziehbar und verständlich, dass aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen das persönliche Leid und das Einzelschicksal in den Vordergrund treten, eine im zeitlichen Abstand angefertigte Untersuchung des Evakuierungsgeschehens muss sich jedoch auch darum bemühen, strukturell die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe, der angesprochenen geschichtlichen Ereignisse deutlich zu berücksichtigen. Jede Beschäftigung mit der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen, die Anspruch auf Seriosität erhebt, muss die Ereignisse der Evakuierung und ihrer unmittelbaren Folgen in ihren historischen Kontext einordnen. Das Schicksal der Evakuierten und deren Nachkommen in Siebenbürgen, in Österreich, in Deutschland, in Amerika lässt sich nicht in umfassender Weise aufklären, wenn nicht zugleich auch auf den deutschen Anteil an den verhängnisvollen Ereignissen verwiesen wird. Denn Ursprünge und Ursachen der Evakuierung reichen natürlich zurück in die nationalsozialistische Zeit. Relativ deutlich und plakativ gesagt: Die Vertreibung und Verschleppung und Evakuierung von Deutschen aus Ost- und Südosteuropa hat ihren Ursprung nicht im 8. Mai 1945, sondern bereits im 30. Januar 1933, was Deutschen widerfahrenes Unrecht übrigens keineswegs legitimiert, aber eine historische und politische Einordnung ermöglicht. Wer über die Evakuierung sprechen will, muss sich notwendigerweise einer Beobachtung des Nationalsozialismus stellen. Diese Gruppe von Deutschen, die evakuiert wurden, sind eindeutig Opfer einer historischen Entwicklung, nämlich der nationalsozialistischen Kriegs- und Vernichtungspolitik.Katastrophen als Geburtshelfer für Neues
Im Herbst 1944 waren die Nordsiebenbürger Sachsen unterwegs. Unterwegs aus der vertrauten Heimat in eine höchst ungewisse Zukunft, aus der althergebrachten Geborgenheit einer in jeder Hinsicht festgefügten, klar definierten, jahrhundertelang erprobten recht sicheren Welt in die große Ungewissheit einer Zeit und Welt ohne fest umrissene Koordinaten, aus dem beschaulichen, fast idyllischen, in besonderem Maße geliebten Siebenbürgen ins damalige für den einzelnen völlig unbekannte, mit ungeheurer Wucht in die totale Katastrophe eines selbstverschuldeten Krieges sich bewegende Deutsche Reich, unterwegs aus dem Stand des selbstbewussten Eigentümers und selbstständigen Produzenten notwendiger Lebensgüter – insbesondere Lebensmittel – in den Stand des auf fremde Hilfe, genauer auf Überlebenshilfe angewiesenen entrechteten Obdachlosen, unterwegs aus selbsterarbeitetem Wohlstand in oft bittere Armut, unterwegs aus einer idealisierten Heimat, die unweigerlich zusammenbrach, in eine neue, unbekannte, im Werden begriffene, bedrohliche Welt, in eine Situation für den einzelnen nie dagewesener Herausforderungen.Dass Katastrophen Geburtshelfer für Neues sein können, hat die Geschichte häufiger gezeigt. In größter Not besinnen sich Menschen, hier die Siebenbürger Sachsen, auf ihre Kardinaltugend: ihren Überlebenswillen, ihren ungebrochenen Wiederaufbauwillen. Leidensfähigkeit, Hartnäckigkeit, Fleiß, Sparsamkeit, Geradlinigkeit, Zuverlässigkeit, Loyalität gegenüber staatlichen und kirchlichen Behörden, Festhalten am christlichen Glauben, Toleranz, Durchsetzungsvermögen auch unter widrigsten Bedingungen, Mut und Bereitschaft zum Neuanfang waren ihre ständigen Begleiter. Dies geschah nach Wandervölker- und Türkeneinfällen sowie Kriegen in früheren Jahrhunderten, nach der Katastrophe von 1944/45 in Siebenbürgen, nach der Evakuierung, nach der Kriegsgefangenschaft, nach der Deportation 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, nach dem sehr schwierigen Neuanfang in Österreich, nach der Aussiedlung nach Deutschland.
Folgen der Evakuierung
Wir schreiben das Jahr 2024. 80 Jahre danach sind Klagen und Jammern nicht angebracht. Wir wollen keineswegs die großen Bürden, die einschneidenden, unauslöschbaren Erlebnisse der Beteiligten, überlagert von grundlegenden Erkenntnissen und Lebenserfahrungen, wir wollen den großen Schmerz, das Leid, die Entbehrungen der Evakuierten nicht verschweigen. Wir wollen keineswegs aus dem Blick verlieren, dass die Evakuierung 1944 (ebenso wie die unmittelbar darauffolgende Deportation in die Sowjetunion 1945 und die auch für uns in Siebenbürgen abzulehnende kommunistische Nachkriegsentwicklung) unsere Gemeinschaft existenziell so tief getroffen hat, dass an eine Fortführung der davor herrschenden geordneten Verhältnisse vor Ort nicht mehr zu denken war. Aber: Wir dürfen auch andere wesentliche Aspekte nicht beiseiteschieben und uns einfach in den Chor der Jammernden und Klagenden einreihen. Wir wollen realistisch untersuchen und sauber differenzieren.Im Sinne der treffenden Aussagen des Generaldirektors des GNM Dr. Daniel Hess zur Einführung in die Ausstellung HORIZONTE im März 2023: „Der Blick zurück lässt uns nicht nur die Gegenwart besser verstehen, sondern auch Geschichten, Schicksale und Überlebensstrategien wach werden, die uns Mut machen und die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen unter neuen Perspektiven annehmen lassen“ können wir die Folgen der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen untersuchen und weitreichende Feststellungen treffen.
Kraft zum Neubeginn
Auch die Nordsiebenbürger Sachsen wurden – wie viele andere Gemeinschaften schwer von diesem zweiten mächtigen Donner der Weltgeschichte im 20. Jahrhundert getroffen und auch für sie galt, sich mit dem Ungewöhnlichen auseinanderzusetzen. Zunächst herrschte absolute Perspektivlosigkeit. Die existenzielle Bedrohung war riesig. Sie übertrifft sicherlich unsere Vorstellungskraft. Die Versorgung war katastrophal, lebensnotwendige Einrichtungen funktionierten nicht, die alltägliche Mühsal des Flüchtlingslebens war niederschmetternd – in Österreich ebenso wie in Siebenbürgen. Unsere Väter und Großväter wurden 1944 ihrem Zuhause entrissen. Jedoch hatten sie ein Mindestmaß an Zuversicht, sie hatten den angeborenen Realitätssinn. Nicht lähmendes Entsetzen und ohnmächtige Hektik bestimmte ihr Tun im Angesicht dieses historischen Einschnitts mit wechselnden Lebensumständen, mit weniger Sicherheit, mit weniger Planbarkeit, mit weniger Behaglichkeit und Ruhe, mit vielen Brüchen und Unwägbarkeiten, sondern – wie gesagt – ein Mindestmaß an Zuversicht. Manchmal muss etwas auch ertragen und bewältigt werden. Dabei ist Anpassungsfähigkeit gefragt, Erfahrungen der Vorfahren sind willkommen, Identitätsbewusstsein, das Wissen und Wollen, einer Gemeinschaft anzugehören, der Lebenswille, die Kraft zum Neubeginn, das waren letztlich die Trümpfe, die unsere Evakuierten nicht verloren hatten. Die Bedrohungen der Flucht wurden als Herausforderungen akzeptiert. Die Evakuierung von 1944 hat uns nicht umgeworfen. Die Evakuierung von 1944 hat uns im Ergebnis gestärkt, hat uns – salopp gesagt – zukunftskompatibel gemacht – und, in unserem konkreten Zusammenhang, wertvolle Menschenleben und wertvolle Kulturgüter gerettet.Wille zur zupackenden Gestaltung
Ähnlich klar äußern sich Oliver Klöck und Norbert Wallet in ihrem beeindruckenden Buch „Vergessene Fährten. Der große Treck der Siebenbürger Sachsen“, Gummersbach 1993, S. 102f: „In diesen Tagen zeigt sich, dass die Siebenbürger Sachsen eine Tugend besitzen, die stärker ist als die Liebe zum heimatlichen Boden, als die Verbundenheit mit der vertrauten und geliebten Landschaft des Karpatenbogens. Boden, Landschaft und die Städte ihres Landes haben sie verlassen. Aber sie haben sich selbst nicht verloren. … Die Siebenbürger überlassen sich nie einer mitleidigen, Weinerlichkeit. Ja, sie haben viel verloren. Aber Häuser und Städte, Boden und Landschaft sind Güter, die zwar nicht ersetzt, jedoch neu erworben werden können. Noch höher als die Heimatliebe stellen sie die ganz unmittelbare Nächstenliebe. ...Die Gemeinschaft stärkt. Und in dieser Gemeinschaft wächst jedem eine Aufgabe zu. Das nämlich ist das ganz und gar Verblüffende dieses siebenbürgischen Kriegsschicksals: der Wille zur zupackenden Gestaltung, der ausgeprägte Wunsch, sich dem blinden Kräftespiel der kriegerischen Gewalt durch das kreative Gestalten eines neuen Zuhauses entgegenzustellen, ist mächtiger als die Trauer. In diesen Tagen der Erschütterungen hilft den heimatlosen Siebenbürgern ein Wesenszug, der ihnen fast allen eigen ist: Ein unerschütterlicher Optimismus, der aus der christlichen Überzeugung kommt, dass nicht Boden und nicht heimatliche Landschaft letztes Fundament eines glücklichen Lebens sind.“
Kulturerbe wachhalten
1989/90 befreite sich Rumänien von seiner roten Ceaușescu-Diktatur und befindet sich seither in einem schwierigen Demokratisierungsprozess. Seit 2007 ist auch Rumänien Mitglied der Europäischen Union. Der Verlust seiner deutschen Bevölkerung wird im heutigen Rumänien vermehrt beklagt. Dass seit 2014 in Bistritz ein Denkmal der Evakuierung von 1944 steht, wirkt ebenso wie die 2017 vor dem ehemals Evangelischen Gymnasium feierlich aufgestellte Büste des früheren namhaften Direktors Georg Fischer wie ein kleines Wunder nach der bleiernen Zeit der kommunistischen Diktatur. Zusammen mit der Renovierung der Evangelischen Kirche und des Bistritzer früheren Ev. Gymnasiums, heute Nationalkolleg Liviu Rebreanu, der Herausgabe zahlreicher Schriften und der Präsentation von Kunstausstellungen geschieht in den beiden letzten Jahrzehnten in Nordsiebenbürgen viel Bewundernswertes. Die Heimatortsgemeinschaft Bistritz-Nösen (Vorsitzender Dr. Hans Georg Franchy) als Freund, Partner und Initiator, die rumänische Stadtverwaltung besonders unter Bürgermeister Ovidiu Crețu (2008-2020) sowie die Evangelische Kirchengemeinde zeigen auch damit ihre feste Entschlossenheit, sinnvoll zusammenzuarbeiten, das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen auch in Nordsiebenbürgen wachzuhalten und künftigen Generationen bekannt zu machen. Dazu gehört auch der gerettete Kirchenschatz der Bistritzer Evangelischen Kirche, nach langer Reise glücklicherweise bestens angekommen und aufgehoben in einem der renommiertesten Museen der Welt, im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Daran anknüpfend, soll hier auch betont werden, wie sehr unser geistiges, unser kulturelles und politisches Leben seit den Zweiten Weltkrieg sich vielfältig und insgesamt eindeutig positiv, zukunftsfördernd entwickelt hat. Zahlreiche große Leistungen in Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik entspringen nach wie vor auch unserem siebenbürgisch-sächsischen Selbstverständnis. Die Evangelische Kirche in Rumänien, schon in den ersten schwierigen Nachkriegsjahren wesentlicher Anker für unsere hart geprüften und verunsicherten Landsleute in Siebenbürgen, das Siebenbürgisch-Sächsische Kulturzentrum auf Schloss Horneck in Gundelsheim, das fruchtbare Wirken zahlreicher Wissenschaftler, Historiker, Literaten an Universitäten und Kultureinrichtungen in Deutschland, in Rumänien oder in Österreich sowie in Nordamerika, der durchgehend hohe Lebensstandard unserer Landsleute während der letzten Jahrzehnte, ihr traditionsgebundenes Gemeinschaftsleben (Dinkelsbühl, Hermannstadt …) haben aus meiner Sicht ihren Ursprung in den genannten Qualitäten. In diesem Zusammenhang kommt der Siebenbürgischen Zeitung als Flaggschiff siebenbürgisch-sächsischer Kommunikation seit 75 Jahren eine entscheidende Rolle zu. In der Diaspora leben und dennoch eng verbunden bleiben – den Kitt dafür bietet die Siebenbürgische Zeitung, zunehmend und zukunftsoffen auch digital. Sie erreicht uns seit Jahrzehnten kontinuierlich, informiert breitgefächert und kundig, achtet auf Niveau, deckt eine breite geistige und kulturelle, soziale und politische Ebene ausgewogen ab, wirkt identitätsstiftend, lässt uns jubeln, gedenken oder Trauer erfahren. Sie prägt unser historisches Bewusstsein, auch wenn es um die Evakuierung oder die Deportation 1944/45 geht, in besonderem Maße mit.Gedenken und Zusammenhalt
Achtzig Jahre nach der Evakuierung gedenken wir mit Würde der damaligen Ereignisse und deren Folgen, bewerten und ordnen sie historisch ein. Im Januar auf einer großen Tagung in Bad Kissingen, am 20. April 2024 in Nürnberg im Haus der Heimat, zu Pfingsten am Heimattag in Dinkelsbühl, vom 13.-15. September in Bistritz beim großen Gedenken vor Ort, eine Woche später, am 21.-22. September in Wels in Österreich, am 9. Oktober in Düsseldorf, am 29. November 2024 in Drabenderhöhe.Auf die Frage „Wie beurteilen Sie die Folgen dieser Evakuierung für die Siebenbürger Sachsen?“ antwortete Bischof Reinhart Guib 2014: „Man kann sagen, die Evakuierung war der erste große Schnitt, der die Siebenbürger Sachsen getrennt hat. …Es war zum ersten Mal, dass einem bewusst wurde, dass unser Volk zerrissen wird mit ungewissem Ausgang. Es war eine Herausforderung damals, aber wir können es heute auch als eine Möglichkeit sehen, dass wir hier, die Hiesigen, Brüder und Schwestern in Europa, im westlichen Europa haben, die uns helfen, heute mit diesem Problem hier fertig zu werden und umgekehrt die damals mit dem Treck Weggezogenen wissen, sie haben hier die Heimat, die Heimat ist noch hier, sie haben Verbindung zu den Menschen hier, sie können die Verbindung wachhalten und fördern. Das heißt, wir sind im gemeinsamen Europa zu Hause.“
Horst Göbbel
Schlagwörter: Nordsiebenbürgen, Evakuierung, Flucht und Vertreibung, Geschichte, Nordsiebenbürgen, Bistritz, Horst Göbbel
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- 25.08.2024, 21:52 Uhr von Gotland: Es sollte also ein Großaufsatz über die EVAKUIERUNG und FLUCHT der Nordsiebenbürger Sachsen werden, ... [weiter]
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