28. Januar 2025
Bewegende Gedenkfeier in Drabenderhöhe zum 80. Jahrestag der Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion
Am 19. Januar fand in der Kapelle des Hauses Siebenbürgen in Drabenderhöhe eine bewegende Gedenkfeier zur Erinnerung an die Deportation vor 80 Jahren statt. Im Januar 1945 waren 30 000 Frauen und Männern aus Siebenbürgen unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden. Viele kehrten nie wieder zurück, und diejenigen, die überlebten, trugen oft lebenslange körperliche und seelische Narben.

Brigitte Thomke berichtete von den dramatischen Szenen in den Januartagen von 1945: „Fast jedes Haus war in Siebenbürgen von dieser Aktion betroffen. Auch meine Eltern blieben nicht verschont. Für unsere Kinder und Enkelkinder beten wir, sie mögen vor so einem Schicksalsschlag bewahrt bleiben und weiterhin in Frieden leben.“ Thomke führte als Moderatorin einfühlsam durch das Programm.
In seinem Grußwort betonte der Bürgermeister Ulrich Stücker, wie stark ihn das Schicksal der Siebenbürger Sachsen berühre, da auch sein Vater fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen war. Er dankte den Siebenbürger Sachsen in Drabenderhöhe, dass sie ihre Traditionen weiter pflegten und in Gedenkfeiern an ihre Geschichte erinnerten.
Pfarrerin Agnes Franchy hielt eine ergreifende Andacht, die die Last und den Schmerz der Vergangenheit ins Zentrum stellte, zugleich aber auch Hoffnung und Versöhnung anmahnte. Sie führte an: „Auch heute sind Klage und Schmerz die damals ausgelöst wurden noch da. Die Frage: Wie kann Gott das zulassen? Oder: Gott, wo bist du? trägt in sich den Schmerz. Andererseits ist auch viel Dank da! Gott sei Dank wir haben es überlebt! Wir sind wieder zusammen.“ Mit dem Psalm 102 spendete Pfarrerin Franchy Trost und Zuversicht. Während einer Schweigeminute läutete die Heimatglocke zum Gedenken an die Verschleppung der Betroffenen und ihrer Familien und auch zum „Vaterunser“.
Enni Janesch, die selbst zu den Betroffenen gehörte, hielt eine eindringliche Festrede. Ihr Vater blieb nach dem Krieg in Österreich, die Mutter wurde an ihrem vierten Geburtstag in die Sowjetunion deportiert. Sie kam mit einem Krankentransport nach Frankfurt Oder und machte sich auf abenteuerlichen Wegen auf, um zu ihrem Mann zu gelangen. Die Familie 1953 übersiedelte im Rahmen der „Kohleaktion“ ins Ruhrgebiet. Enni Janesch wuchs bei den Großeltern auf. Ihre Eltern und ihre in Linz/Donau geborene Schwester traf sie erst mit 17 Jahren in Oberhausen. Sie schilderte eindrucksvoll die dramatischen Ereignisse der Deportation und würdigte die Stärke und den Überlebenswillen der Verschleppten. Ihre Worte fanden tiefe Resonanz bei den Anwesenden.
In Drabenderhöhe wird durch mehrere Aktionen, Werke, Bücher und Plätze an dieses dunkelste Kapitel in der Geschichte des Siebenbürger Sachsen erinnert:
– Jedes Jahr am 13. Januar, um 17.00 Uhr, läutet die Heimatglocke.
– eine Gedenktafel am Turm der Erinnerung
– Der Kreisel am Siebenbürgerplatz erinnert sowohl an die Russlanddeportation als auch an die Evakuierung von etwa 40 000 Nordsiebenbürger Sachsen im Herbst 1944.
– zwei Bilder des Malers Friedrich von Bömches im Schaukasten auf der hinteren Bühne des Stadtteilhauses. Der aus Kronstadt stammende Künstler gehörte auch zu den Deportierten und verbrachte seinen Lebensabend mit seiner Familie in Wiehl. In seinen düsteren Bildern verarbeitete er die traumatischen Erlebnisse der Russlandjahre.
– In ihrem Buch „Schatten am Don“ (1994) schilderte Liane Weniger (1919-2006), langjährige Leiterin des Siebenbürgisch-Deutschen Heimatwerkes, ihre traumatischen Erlebnisse bei der Aushebung und in den Lagern. Zum Schluss ging Enni Janesch auf die Entschädigungen zur Wiedergutmachung durch den rumänischen Staat ein: „Wir, die damaligen Kinder, heute Seniorinnen und Senioren, von denen auch noch viele hier in Drabenderhöhe leben, freuen uns über die unerwartete Unterstützung vom rumänischen Staat. Es ist das kostbarste Geschenk unserer Mütter und Väter, die uns unverschuldet verlassen mussten. Sie haben es mit dem Schönsten bezahlt, was sie je besessen haben: mit Jahren ihres jungen Lebens, die ihnen im Januar 1945 gestohlen wurden, manche haben es sogar mit dem Tod bezahlt. Heute gedenken wir ihrer und erinnern uns mit Dankbarkeit an sie, denn ,Erinnerung ist die Dankbarkeit des Herzens‘.“
Der Heimleiter des Hauses Siebenbürgen, Marcus van Breen, verdeutlichte in bewegenden Worten, wie sehr ihm die Begegnungen mit Zeitzeugen ans Herz gewachsen seien. Er freue sich, dass das Haus Siebenbürgen vielen ehemaligen Deportierten einen würdevollen Lebensabend ermöglichen konnte. „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Schrecken von damals nicht in Vergessenheit geraten. Gedenken bedeutet, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Indem wir uns der Vergangenheit erinnern, gestalten wir eine Welt, in der solche Ungerechtigkeiten keinen Platz mehr haben. Wir haben die Verantwortung, für Frieden und Freundschaft einzutreten, damit so etwas nie wieder geschieht!“ mahnte er.
Musikalisch umrahmte der Honterus-Chor unter der Leitung von Regine Melzer die Veranstaltung mit bewegenden Liedern, die sowohl Trauer als auch Hoffnung zum Ausdruck brachten: „Herr, Deine Güte reicht so weit“, den Kanon „Dona nobis pacem“ und in siebenbürgisch-sächsischer Mundart „Santichsklok“. Die Veranstaltung endete mit dem gemeinsam gesungenen Choral „Großer Gott, wir loben dich“, begleitet von Regine Melzer am Klavier.
Anschließend traf man sich im Pavillon beim gemütlichen Beisammensein bei Kaffee, Baumstriezel und Hanklich. Die Gäste nutzten die Gelegenheit, Erinnerungen auszutauschen, Gespräche zu führen und gemeinsam der Opfer der Deportation zu gedenken. Diese Gedenkfeier war ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass das Schicksal der Siebenbürger Sachsen nicht vergessen wird. Sie verdeutlichte, wie wichtig es ist, das Andenken an die Opfer zu bewahren und die Lehren der Geschichte weiterzugeben.
Enni Janesch, Günther Melzer
Schlagwörter: Deportation, Gedenkfeier, Drabenderhöhe, Zeitzeugen
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