16. November 2007

Rechtswidrige Rentenpraxis: Fiktivabzug weiter anfechten!

Der Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union hat im Rentenrecht weitreichende Folgen. Bei Versicherungszeiten in Deutschland und Rumänien führt dieses zu einer Antragsgleichstellung, nach welcher ein in Deutschland gestellter Rentenantrag gleichzeitig auch als Antrag auf Leistungen aus Rumänien gilt. Der dortige Leistungsbeginn kann jedoch durch schriftliche Erklärung gegenüber der Rentenbehörde aufgeschoben werden. Darüber wurde in dieser Zeitung bereits mehrfach ausführlich berichtet.
Rentenbehörden versuchen nach wie vor, Betroffene von der Nutzung dieser gesetzlich eingeräumten Dispositionsmöglichkeit abzubringen und drohen mit fiktiven Rentenkürzungen. Diese sind jedoch nach geltendem Recht unzulässig: Alle juristischen Kommentierungen halten fest, dass nur eine tatsächlich auch gezahlte Rente zu einem Abzug führen darf (u. a. Jantz/Zweng/Eicher; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen zu § 31 FRG).

In laufenden Gerichtsverfahren wehren sich Rentenbehörden mit unterschiedlichen Argu­menten gegen die Anfechtung des Fiktivabzuges. Oft wird nach Gründen für die Aufschiebung des Leistungsbeginns in Rumänien gefragt. Das geltende Recht macht aber die Aufschiebung des Leistungsbeginns nicht von bestimmten Gründen abhängig, so dass dafür keine bestimmten Gründe vorgebracht werden müssen. Auch wird oft behauptet, wenn die Verschiebung des Leis­tungsbeginns nicht mehr geltend gemacht würde, erfolge eine Zahlung der Rente aus Rumänien auf das Konto in Deutschland; es gäbe keine Nachteile. In Formularen wird daher auch eine Angabe des deutschen Bankkontos abgefragt.

Diese Information der Rentenbehörden stellt sich in letzter Zeit als falsch dar. Nach einer aktuellen Mitteilung der rumänischen Rentenbe­hörde, die von der deutschen Rentenversiche­rung Bund in einigen Verfahren sogar bestätigt wurde, ist eine Rentenzahlung nach Deutsch­land derzeit nicht vorgesehen. Betroffene werden nach Einleitung des Verfahrens in Rumä­nien von der deutschen Rentenbehörde gebeten, in Rumänien über einen Bevollmächtigten auch ein Bankkonto zu eröffnen, damit dort eine Aus­zahlung in Lei erfolgen kann. Bei einem Abzug der in Rumänien festgestellten Rente bleibe es trotzdem und unabhängig von einer Auszahlung in Rumänien: Wenn Betroffene eine Zahlung in Lei auf ein Konto in Rumänien nicht wünschen oder solche Zah­lungen dort überhaupt nicht nutzen können, bleibt ihnen nur die Möglichkeit der Aufschie­bung des Leistungs­beginnes gem. Art 44 der VO (EWG) 1408/71 sowie eine Anfechtung des rechtswidrigen Fiktivabzuges. Wenn ein Verfahren einmal eingeleitet wurde, kann nachträglich nicht auf die Rente aus Rumänien verzichtet werden. Dies ist nach einer Entschei­dung des Landessozialgerichtes Baden- Würt­temberg (AZ. L 10 RA 4929/00) rentenschädlich und führt zu einem Renten­abzug gem. § 46 SGB I. Diese für den Verzicht geltende Rechtsfolge ist aber auf den Fall einer gesetzlich eingeräumten Dispositionsmöglichkeit gerade nicht anwendbar (LSG Berlin, AZ. L 12 An 65/75; Rohwer-Kahlmann/Ströer, Rdz. 2 zu § 46; Casselmann in Koch-Hartmann, Abschn. VII zu § 46 SGB I). Eine entsprechende Erklärung zur Einleitung des Verfahrens in Rumänien könnte daher nachträglich allenfalls aufgrund falscher Informationen durch die Rentenbehör­de bezüglich einer angeblichen Zahlung der Rente nach Deutschland angefochten werden.

Diese nun offenbarte Verfahrensweise ist grob rechtswidrig. Betroffenen wird empfohlen, rechtlichen Rat einzuholen und die Mit­teilungen der Rentenbehörden anzugreifen. Die Rentenzah­lungen nach den Vorschriften des Fremdrenten­gesetzes sind eine Folge des Vertrei­bungs­schicksals, vom Gesetzgeber mit guten Gründen so gewollt, und dürfen nicht durch willkürliche Rechtsauslegung der Behör­den gegen den Wort­laut des Gesetzes und mit unzutreffenden Infor­ma­tionen umgangen werden. Hilfe erteilen Rechtsanwälte mit besonderen Erfah­rungen im Fremdrentenrecht und euro­päischen Sozial­recht.

Dr. Bernd Fabritius

40-Prozent-Kürzung: Geduld ist notwendig

Rentenbehörden setzen seit einigen Wochen die Übergangsvorschriften zur 40-Prozent-Kürzung um und versenden Nach­zah­lungs­bescheide. Wegen des Verfah­rens­staus seit 1996 dauert es jedoch noch mehrere Wochen, bis alle Fälle bearbeitet werden können und jeder seinen Bescheid bekommt. Betroffene werden gebeten, zur Vermeidung von unnötigem Zusatzaufwand, bis Jahresende zu warten und von Erinne­rungen Abstand zu nehmen.

Schlagwörter: Rente, Rechtsfragen

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