8. Oktober 2008

Heimattag in Wels: "Behalten Sie Ihr eigenes Gepräge und bringen Sie es zum Leuchten"

Die Siebenbürger Sachsen in Österreich haben durch ihren Fleiß wesentlich zum Wiederaufbau Österreichs beigetragen, sie bereichern mit ihrer Kultur das Land und sind aufgrund ihrer gelungenen Integration ein Vorbild für ganz Europa. Diese anerkennenden Gedanken brachten Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Bischof Dr. Michael Bünker, der Welser Bürgermeister Dr. Peter Koits und andere Redner beim zwölften Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Wels (Oberösterreich) zum Ausdruck. Sie ermunterten die Siebenbürger, ihre Identität und Kultur auch in ihrer neuen Heimat zu pflegen und zur Entfaltung zu bringen. Das Begegnungsfest vom 26. bis 28. September war das letzte von vier großen Sachsentreffen, die in diesem Jahr in Dinkelsbühl, Youngstown (USA), Birthälm und Wels stattgefunden haben.
Offiziell eröffnet wurde der Heimattag am Samstag, dem 27. September, mit der Ausstellung „Die Schule der Siebenbürger Sachsen“. Das Treffen selbst hatte mit einem Begegnungsabend am Freitag im Cordatusaal begonnen. Bundesfrauenreferentin Ingrid Eichstill sagte in ihrer Begrüßungsansprache im Ausstellungsraum der Stadthalle, dass die Ausstellung Einblick in einen wichtigen Aspekt unserer Geschichte biete. Sie zeige, dass die Siebenbürger Sachsen Verantwortung für die nachfolgenden Generationen übernommen und sie fürs Leben vorbereitet hätten. Die Ausstellung des Schulmuseums Nürnberg der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigt anhand zahlreicher Dokumente, Fotos und Exponate die wichtigsten Stationen der siebenbürgisch-sächsischen Schulgeschichte von der Reformation bis heute auf.
Der Intarsienkünstler Richard Gober (90) stellte ...
Der Intarsienkünstler Richard Gober (90) stellte seine Werke für eine Spendenaktion zugunsten der brandgeschädigten evangelischen Stadtpfarrkirche in Bistritz aus. Foto: Petra Reiner
Der Leitgedanke des Heimattages, „Angekommen – Angenommen“, bringe mit zwei Verben Geschichte, Gegenwart und Zukunft in unseren Blickwinkel, erklärte Mag. Pfarrer Volker Petri, Bundesobmann des Bundesverbands der Siebenbürger Sachsen in Österreich, in seiner Eröffnungsansprache. Um die Geschichte verstehen und in ihrer Bedeutung erfassen zu können, sei Bildung, eben Schule, nötig. Die Siebenbürger Sachsen hätten sehr früh als neu angekommene ethnische Minderheit in Siebenbürgen vom 12. bis 16. Jahrhundert ihre Schulen gepflegt, um den Nachwuchs für die Kirche auszubilden. Schon im Jahr 1334 wurden Schulgebäude in den kleinsten Dörfern urkundlich erwähnt. Schule war für sie „von zentraler, existenzieller Bedeutung“, wie der Schulhistoriker Walter König einmal festgestellt hat. Ein geschichtlicher Exkurs in ihr fortschrittliches Bildungswesen, das in ständigem Austausch mit dem deutschen Mutterland stand, verdeutlichte, weshalb die schulische Ausbildung, das sprachliche und fachliche Wissen und Können der Siebenbürger Sachsen nach 1944 eine problemlose Eingliederung in die neue Heimat ermöglicht hatten. Volker Petri betonte: „Wir sind ganz angekommen und ganz angenommen!“
Bischof Dr. Michael Bünker während seiner ...
Bischof Dr. Michael Bünker während seiner Festansprache in Wels. Foto: Pera Reiner
Die Evangelische Kirche in Österreich sei ohne Siebenbürger Sachsen nicht denkbar, sagte Dr. Michael Bünker in einem Festvortrag am frühen Nachmittag. Bünker ist Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, eines Zusammenschlusses von 100 evangelischen Kirchen in Europa. Gerade mit ihrer eigenen Tradition und Prägung seien die Siebenbürger Sachsen „unverzichtbare Glieder am Leib Christi“. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr eigenes Gepräge behalten und immer wieder zum Leuchten bringen“, rief er ihnen zu und bedankte sich bei allen, „dass sie sich dafür eingesetzt haben, den Verlust der Heimat und den Aufbau, das Finden, sich Hineinfinden in eine neue Heimat immer in diesem Geist des Gebens und Empfanges gestaltet haben ... Sie sind die lebenden Beispiele gelungener Integration. Ich möchte sie bitten, diese positiven Erfahrungen bei uns einzubringen, wenn es rund um die Integration von Zuwandernden heiße Diskussionen gibt.“ Er definierte Integration als wechselseitigen Prozess, bei dem alle Beteiligten aufeinander zugehen und Anstrengungen unternehmen. Integration sei möglich, und gelungene Integration ist für alle Beteiligten ein Gewinn.

Des Weiteren ging Bischof Dr. Bünker auf die Geschichte der evangelischen Kirchen in Siebenbürgen und Österreich ein, die ungleich verliefen. Jene in Siebenbürgen wurde zu einer blühenden Volkskirche aufgebaut, während die Evangelischen in Österreich jahrhundertelang unterdrückt und verfolgt wurden. Im 18. Jahrhundert sei es zur Transmigration besonders aus Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark nach Siebenbürgen gekommen, die „Landler“ bildeten bald einen eigenen Anteil an der siebenbürgischen Gemeinschaft. Der Bischof wies auf das widersprüchliche Verhalten der Kaiserin Maria Theresia hin, die die Transmigrationen zielstrebig und brutal betreiben ließ und zugleich den hochangesehenen Protestanten Samuel von Brukenthal zum Gubernator des Großfürstentums Siebenbürgen ernannte. Vertreter der Siebenbürger Sachsen hatten nach dem Toleranzedikt von 1781 am Aufbau der Theologischen Anstalt und vor allem im Oberkirchenrat in Wien aktiv mitgewirkt. Während und nach dem zweiten Weltkrieg sind Tausende Siebenbürger nach Österreich zugezogen, etwa ein Viertel der evangelischen Pfarrer in der Alpenrepublik stammen aus Siebenbürgen, darunter der ehemalige Bischof Dieter Knall (1983-1995).
Die Volkstanzgruppe Nürnberg begeisterte mit ...
Die Volkstanzgruppe Nürnberg begeisterte mit ihrer Darbietung, oben im Bild das Logo des 12. Heimattages, entworfen von Daniel Sack. Foto: Petra Reiner
Dr. Peter Wassertheurer führte anschließend die im Auftrag des Bundesverbands der Siebenbürger Sachsen erstellte DVD „Österreich – Deine Siebenbürger Sachsen“ vor. Der Film enthält einen fundierten historischen Abriss der Siebenbürger Sachsen, ihrer Evakuierung aus Nordsiebenbürgen und der ersten Integrationsphase in Österreich. Der letzte Teil des 45 Minuten langen Films beschränkt sich auf einige Aussagen von Landesobmännern und -obfrauen über das heutige Vereinsleben.

Im Rahmen des Heimattages wurde das Internationale Bundesjugend- und Volkstanztreffen unter der Regie von Bundesjugendreferent Manfred Schuller abgehalten. Am Samstagvormittag stellten zehn siebenbürgische Tanzgruppen ihr Können in der Welser Altstadt unter Beweis. Die Aufführungen fanden großen Anklang nicht nur unter den Zuschauern in der Innenstadt, sondern auch am Nachmittag unter den Heimattagsbesuchern in der Stadthalle. Es wirkten mit: Hermannstädter Jugendtanzgruppe, Jugendtanzgruppe Nürnberg, Tanzgruppe Landshut, Jugendtanzgruppe Ingolstadt, Tanzgruppe und Chor aus Schwäbisch Gmünd sowie die Tanzgruppen Vöcklabruck, Munderfing, Jugend Traun, Alte Jugend Traun und Wels. Starke Delegationen waren aus Landshut unter dem Kreisgruppenvorsitzenden Werner Kloos und aus Schwäbisch Gmünd unter Matthias Penteker angereist und trugen maßgeblich zum Gelingen des Programms bei.
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (Mitte) wurde ...
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (Mitte) wurde mit einem siebenbürgischen Zierteller beschenkt, auf dem Bild mit Bundesobmann Volker Petri (links) und Landesobmann Hans Waretzi. Foto: Petra Reiner
Festredner des Abends zum Leitgedanken „Angekommen – Angenommen“ war Dr. Josef Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich, der seit 1987 Mitglied der Landesregierung ist und seither bei allen Heimattagen dabei war. Das Staatsoberhaupt des Bundeslandes erinnerte an die bewegte 90-jährige Geschichte von Oberösterreich. Er bezeichnete es als „grobe Geschichtsfälschung“, dass die Vertreibungen lange nicht in Geschichtsbüchern erwähnt worden seien. Wie wichtig Heimat sei, könnten nur jene ermessen, die sie einmal verloren haben. Man könne jemandem den Boden nehmen, aber nicht die Heimat aus dem Herzen. Die Siebenbürger Sachsen hätten durch ihre prächtigen Trachten, die Volkstänze und Musikkapellen Österreich im wahrsten Sinne des Wortes bereichert. „Sie sind gute Siebenbürger Sachsen geblieben, aber gute Österreicher geworden“, lobte der Landeshauptmann, der ein langjähriger Freund und Förderer der Siebenbürger Sachsen und Ehrenmitglied der Nachbarschaft Traun ist. „Durch ihre gut funktionierende Jugendarbeit tragen Sie Ihre Kultur in die Zukunft, Sie haben eine lebendige kulturelle Gemeinschaft, die nicht ausgrenzt.“ Er dankte ihnen für ihre vielfältigen Leistungen in Österreich, ihr Bekenntnis zu Europa und ihre humanitären Projekte, die auch in Siebenbürgen sehr geschätzt werden.

Neben dem Landeshauptmannn konnte Konsulent Hans Waretzi, Obmann des Landesverbandes Oberösterreich der Siebenbürger Sachsen, zahlreiche Gäste beim Festabend begrüßen: den Bürgermeister der Patenstadt Wels Peter Koits, die Welser Altbürgermeister Leopold Spitzer und Karl Bregartner, den Heimatvertriebenensprecher der ÖVP, Nationalrat Norbert Kapeller, die Landtagsabgeordnete Helga Moser, Hofrat Bruno Wuppinger, ehemaliger Bürgermeister von Elixhausen bei Salzburg, die Pfarrer Gerhard Grager und Georg Zimmermann, die Gesandte der Rumänischen Botschaft in Wien, Adriana Stănescu, den Bundes- und Föderationsvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius, den Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, Rainer Lehni, Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff, Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS), Peter Karsti vom Zentralverband der Siebenbürger Sachsen in den USA (ATS), zahlreiche Amtsträger des Bundesverbands der Siebenbürger Sachsen in Österreich an der Spitze mit Bundesobmann Volker Petri und Ehrenobmann Dr. Fritz Frank sowie Vertreter der befreundeten Landsmannschaften und Trachtenvereine.

Bürgermeister Peter Koits hieß die Gäste in der Patenstadt Wels herzlich willkommen. Wels, die Patenstadt der Heimatvertriebenen, sei vielen eine neue Heimat geworden. Sie kamen aus einem blühenden Land in ein Land, das in Trümmern lag. Die Siebenbürger Sachsen seien gut angenommen worden, weil sie viel mitgebracht hätten: einen humanitären Geist und die Bereitschaft, sich voll zu integrieren. Damit seien die Siebenbürger Sachsen ein Vorbild für die heutigen Zuwanderer. Nationalrat Ing. Norbert Kapeller, Vertriebenensprecher der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), würdigte die Siebenbürger für ihre integrative Kraft, die auf deutschen Tugenden fußt: Treue, Fleiß, Verlässlichkeit. Für diese Werte werden sie sowohl in Rumänien als auch in Österreich geschätzt. Aufgrund ihrer Mentalität und Ideale wurden sie in ihrer neuen Heimat angenommen. Und es gelingt ihnen, diese Werte an die junge Generation weiterzugeben.

Gesandte Adriana Stănescu, Geschäftsträgerin der Botschaft von Rumänien in Wien, bekundete ihre Genugtuung über die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Botschaft und dem siebenbürgischen Verband, die sich über die Jahre entwickelt hätten, und über den konstruktiven Dialog, der dank Persönlichkeiten wie Ehrenobmann Konsulent Dr. Fritz Frank möglich sei. Stănescu würdigte die Siebenbürger Sachsen für ihren Beitrag zur Völkerverständigung und lobte ihre vorbildliche Solidarität und Energie, mit der sie sich in ihre neue Heimat einbringen.

Bundes- und Föderationsvorsitzender Dr. Bernd Fabritius überbrachte Grüße seitens des Bundesvorstandes des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen. Am Vorabend der Nationalratswahlen in Österreich und der Landtagswahlen in Bayern rief Fabritius die Anwesenden auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen: „Wer nicht wählt, lässt anderen die Wahl.“ Fabritius dankte Landeshauptmann Pühringer und Bürgermeister Koits für die offenherzige Aufnahme der Siebenbürger Sachsen in Österreich und lud die beiden Politiker zum Heimattag nach Dinkelsbühl ein. Schließlich dankte der Föderationsvorsitzende allen, die unsere Kultur und unser Brauchtum nach mehr als 60 Jahren in Österreich pflegten. Als aktuelle Aufgabe der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft bezeichnete Bernd Fabritius den Brückenbau zu Rumänien und hin zur neuen Heimat.

Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, bezog sich auf das Motto des Sachsentreffens, das eine Woche zuvor in Birthälm stattgefunden hatte. Das Leitwort „Lebendige Gemeinschaft“ sei zutreffend, obwohl die Sachsen in Siebenbürgen zahlenmäßig geschrumpft seien: Es seien keine deutschsprachigen Schulen geschlossen worden, sie verfügten über eine deutsche Tageszeitung, seien kulturell lebendig, gestalteten das Programm der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 und in Hermannstadt seien sie politisch präsent wie seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr. Ein Zeichen der Stärke seien auch die Spenden in Höhe von rund 10 000 Euro, die das Siebenbürgenforum gesammelt und für die brandgeschädigte evangelische Stadtpfarrkirche in Bistritz zur Verfügung gestellt habe, sagte Porr.

Peter Karsti übermittelte Grüße von Thomas J. Manning, dem Präsidenten des Zentralverbandes der Siebenbürger Sachsen (Alliance of Transylvanian Saxons), und richtete Glückwünsche zum Heimattag aus. Bei diesem auch für die Siebenbürger Sachsen in Übersee wichtigen Ereignis werden Bräuche gepflegt und an die junge Generation weitergegeben.

Durch das Programm führte Landesobmann Hans Wartezi. Den Festabend gestalteten die Trachtenkapelle Traun unter Wolfgang Krebelder und die „Vöcklabrucker Spielleut“ unter Dr. Wolfgang Juchum musikalisch mit. Anschließend spielten die Trauner zum Tanz und gemütlichen Beisammensein auf. Der bekannte Intarsien­künstler Richard Gober (90) stellte seine Werke für eine Spendenaktion zugunsten der brandgeschädigten Bistritzer Stadtpfarrkirche aus. Zum Gelingen des Heimattages trug auch eine Begegnungsecke bei, die Bundes- und Landesfrauenreferentin Ingrid Eichstill mit ihren Helferinnen im Ausstellungsraum der Stadthalle eingerichtet hatte.

Siegbert Bruss

Lesen Sie in der morgigen Siebenbürgischen Zeitung Online einen Bericht von Dr. Fritz Frank über den zweiten Tag des Heimattages 2008 in Wels

Online-Bildergalerie: XII. Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Wels, 27.09.2008

Schlagwörter: Heimattag, Föderation, Österreich, Verbandspolitik

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