10. Juli 2009

Horst Göbbel: Thesen zur Rettung evangelischer Kirchen in Siebenbürgen

„Eine Kirche, die kontinuierlich als Gotteshaus genutzt wird, hat Zukunft.“ Diese These hat Studiendirektor Horst Göbbel (Nürnberg) in einem Vortrag am 31. Mai beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl anhand von zahlreichen Beispielen bekräftigt. Trotz massiver Aussiedlung seien nur wenige evangelische Kirchen in Nordsiebenbürgen dem Verfall preisgegeben. Die Übergabe der Gotteshäuser an örtliche, meist orthodoxe Gemeinden bedeute zugleich deren Rettung, betonte Göbbel.
Im Herbst 1944 waren rund 35 000 Sachsen aus 45 nordsiebenbürgischen Orten evakuiert worden. Vorwiegend in den 1970er Jahren waren dann rund 6000 Sachsen, die 1945 nach Siebenbürgen zurückgekehrt waren, in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt. Durch den massiven Bevölkerungsverlust wurde in Nordsiebenbürgen also sehr früh vorexerziert, was später in Südsiebenbürgen auch akut geworden ist. Ist das Ende der bedeutenden architektonischen Hinterlassenschaft der Nordsiebenbürger Sachsen im Gange? Eine Antwort auf diese Frage und realistische Alternativen zum Verfall dieser „kulturhistorischen Preziosen“ zeigte Horst Göbbel in seinem Vortrag „Aus der Not eine Tugend machen. Sächsische Kirchen in Nordsiebenbürgen mit Zukunft“ auf.
Horst Göbbel bei seinem Vortrag im Konzertsaal in ...
Horst Göbbel bei seinem Vortrag im Konzertsaal in Dinkelsbühl. Foto: Petra Reiner
In 23 Ortschaften seien die evangelischen Kirchen von orthodoxen Gemeinden übernommen und damit gerettet worden. Den stark schrumpfenden nordsiebenbürgischen Heimatortsgemeinschaften legte Göbbel nahe, in diesem Fall darauf zu achten, „alle deutschen Inschriften und sonstigen deutschen Spuren zu konservieren, den vor Ort Lebenden die deutsche Vergangenheit in Bild und Wort (auch in Übersetzungen) kund zu tun, sich um ein grundsätzlich freundschaftlich-nachbarschaftliches Verhältnis zu bemühen, den Ort zu besuchen, Gottesdienste bzw. Andachten in der Kirche zu feiern, ungeachtet der üblichen Veränderungen im Inneren der Gotteshäuser“.

In Gemeinden, in denen die evangelischen Kirchen von keiner Religionsgemeinschaft übernommen wurden, seien die Gotteshäuser entweder verschwunden (Windau) oder Ruinen (Senndorf, Jakobsdorf bei Bistritz, Wermesch u.a.). Den Heimatortsgemeinschaften empfiehlt Göbbel, die Bedeutung und Existenz der Kirchen zu dokumentieren und den jetzigen Bewohnern die deutsche Vergangenheit kund zu tun.

Dort, wo sich eine evangelische Gemeinde auf absehbare Zeit erhalten lässt, sollten die Kirchen mittelfristig als Gotteshäuser genutzt, renoviert und erhalten werden, z. B. in Bistritz, Jaad, Kuschma, Tekendorf, sagte Göbbel. Langfristig sollte in manchen Fällen auch die Übergabe an eine örtliche christliche Gemeinde zumindest angestrebt und vorbereitet werden.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Horst Göbbel, Sprecher der HOG-Regionalgruppe Nordsiebenbürgen und Vorsitzender der HOG Jaad, der evangelischen Stadtpfarrkirche in Bistritz. Der Turm und Teile des Kirchdaches waren am 11. Juni 2008 einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen. Dank zahlreicher Initiativen im In- und Ausland sind die Dacharbeiten an der Kirche schon erfreulich weit fortgeschritten, wie Dr. Hans Georg Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen e.V., berichtete. Franchy ist einer der verdienstvollsten HOG-Vorsitzenden, der die Restaurierungsarbeiten in Bistritz mit viel Energie und Verhandlungsgeschick vorantreibt. Positiv ist die Haltung der Stadt Bistritz zu vermerken, die sich öffentlich zu ihrem deutschen Ursprung und dem Kulturerbe der Siebenbürger Sachsen bekennt.

Während sich manche Kirchengemeinden schwer tun, leer stehende Pfarrhäuser einer neuen Nutzung zuzuführen (siehe Interview mit Stefan Cosoroabă), wird in Radeln bald neues Leben einziehen. Im dortigen Pfarrhaus soll ein Ferienheim der Peter Maffay Stiftung aufgebaut und die Kirchenburg renoviert werden (diese Zeitung berichtete). Das sind Zeichen der Hoffnung, die Horst Göbbel in seinem Vortrag hervorhob.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Heimattag 2009, Denkmalpflege, Kirchen, Kirche und Heimat

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