24. April 2011

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“

Nach Karfreitag kommt der frohe Ostermorgen, den wir allen Lesern unserer Zeitung wünschen.
Karfreitag und Ostern liegen eng beieinander, wie Schuld und Vergebung, wie Sterben und Leben. Die Passionszeit mündet in das grausame Karfreitagsgeschehen auf Golgatha. Die Überlieferungen über die Kreuzigung in den vier Evangelien sind ähnlich. Die Worte Jesu vom Kreuz werden schwerpunktmäßig unterschiedlich erwähnt. Im Matthäusevangelium (27,46) und Markusevangelium (15,34) hören wir hervorgehoben den Schmerzensschrei Jesu: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus benützt dabei die Worte aus Psalm 22,2.

Im Lukasevangelium steht der ergreifende Gebetsruf Jesu für seine Henker: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (23,34)

Im Johannesevangelium (19, 30) kommt das Ende mit den Worten: „Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und verschied.“ Zuvor aber berichtet Johannes über die drei Frauen unter dem Kreuz: „Die Mutter Jesu, Maria, und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Kleopas, und Maria von Magdala“ sowie über den Jünger, den er lieb hatte und an Maria mit den Worten weist: „Frau, siehe das ist dein Sohn!“ Zu dem Jünger spricht er: „Siehe, das ist deine Mutter!“ Diese wenigen Worte sind wie ein Testament, nach dem die Vergebung der Schuld vollbracht worden ist und die Menschen unter dem Kreuz für das neue Leben zueinander gewiesen werden.
Sigismund Möss (?): Beweinung Christi vom Epitaph ...
Sigismund Möss (?): Beweinung Christi vom Epitaph des Hermannstädter Bürgermeisters und Sachsengrafen Georg Armbruster. Alabaster und Holz, um 1685. Evangelische Stadtpfarr­kirche Hermannstadt (Ferula). Foto: Konrad Klein
Die oben abgebildete Darstellung der „Beweinung Christi“ vom Epitaph des Hermannstädter Bürgermeisters und Sachsengrafen Georg Armbruster in der Ferula der Stadtpfarrkirche stammt vermutlich aus dem Jahr 1685, dem Todesjahr Armbrusters. Sie ist nach Meinung von Konrad Klein, der uns freundlicherweise das Foto zur Verfügung stellte, eine Arbeit des aus der Zips zugewanderten Bildhauers und Holzschnitzers Sigismund Möss.

Im Vordergrund des Bildes ist der Leichnam des gekreuzigten Christus, an dem besonders die Wunde in der Seite auffällt, wie im Johannesevangelium berichtet wird: „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, ... stieß einer der Soldaten mit dem Speer in seine Seite“ (Joh. 19, 33/34), womit auch die Verbindung zur alttestamentlichen Prophetie hergestellt wird, wie es in Sacharja 12,10 heißt: „Sie werden den sehen, den sie durchbohrt haben.“

Die Menschengruppe, die den Leichnam umgibt, besteht aus den oben erwähnten drei Frauen und in der Mitte der Jünger, „den er lieb hatte“, Johannes, der durch seine Körperhaltung hilflose Zuwendung zum Ausdruck bringt. Der Leichnam liegt mit halb erhobenem Oberkörper in den Armen der Mutter Maria. Ihr Gesicht und ihre Hände bringen beschützende Fürsorge zum Ausdruck. Die andere Maria betrachtet liebevoll die Nägelmale der rechten Hand. Maria Magdalena steht über der Gruppe mit demütig gefalteten Händen.

Die zwei Männergestalten zur rechten und zur linken Seite sind nur zu vermuten. Ob der Mann mit dem Turban auf dem Kopf, mit einem Hammer in der Hand, einer von denen war, die die Nägel in seine Hände eingeschlagen hatten, und nun zur Seite blickend ahnt, was hier wirklich geschehen ist?

Der Mann auf der linken Seite verbirgt sein Angesicht mit der Hand. Er kann den Anblick des Gekreuzigten nicht ertragen. Nach dem Johannesevangelium könnte es Joseph von Arimathäa sein, der sein Grab zur Verfügung stellen will. Es könnte aber auch Nikodemus sein, „der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war. Er brachte Myrrhe gemischt mit Aloe, etwa hundert Pfund“ (19,39).

Es ist bemerkenswert, dass ein so aussagestarkes Grabmal, mit biblischem Hintergrund, für den Sachsengrafen und Hermannstädter Bürgermeister Georg Armbruster in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angefertigt werden konnte. Wenn die Geschichtsbücher über diesen Sachsengrafen wenig Aufschluss geben, dann um so mehr über die damalige Zeit. Es war in Siebenbürgen eine Zeit großer politischer Bedrängnis, Armut und Not. Die Menschen hatten es lernen müssen, mit großen Einschränkungen, mit Epidemien, ja mit den letzten Dingen demütig zu leben.

Das Bild strahlt mit dem Kreuz im Hintergrund nicht hoffnungslose Traurigkeit aus. Das Kreuz ist das Siegeszeichen über den Tod. Nach Karfreitag folgt der Ostermorgen, an dem die ersten Zeugen, zusammen mit der Schöpfung Gottes verkünden: Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden.

Diese Botschaft will uns auch heute erreichen und uns, in einer von Natur- und selbst gemachten Katastrophen gefährdeten Welt, in dem Osterglauben stark machen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Denn nach Karfreitag kommt der frohe Ostermorgen, den ich Ihnen, allen Lesern unserer Zeitung, den Kranken und Gesunden, Alten und Jungen von Herzen wünsche. Frohe Ostern!

Hermann Schuller, Dekan i.R., Vorsitzender des Hilfskomitees

Schlagwörter: Ostern, Kirche

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