20. Februar 2017

Verzeihen und Gedenken – 72 Jahre nach der Deportation

Bukarest – Wie jedes Jahr wurde im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ am 26. Januar der Deportation der deutschen Minderheit im Januar 1945 in die ehemalige UdSSR gedacht. Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Altreichforums, Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens, und Erwin Josef Țigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, erinnerten mit Fakten und Zahlen an das historische Trauma.
Vorgeblich wurden die Deutschen zum Aufbau der im Krieg zerstörten russischen Städte und Fabri­ken verschleppt, die meisten Deportierten landeten jedoch stattdessen im Bergbau, wo sie unter gefährlichsten Bedingungen schuften mussten, stellt Klaus Fabritius richtig. Die Banater Berglanddeutschen hatte man weiter verschleppt als die meisten anderen, nicht in den Donbass in der heutigen Ukraine, sondern in die Gold- und Silberminen des Ural, ergänzt Țigla. Dass auch sein Großvater nach Russland deportiert worden war, hatte er zufällig als Kind erfahren. Seit 27 Jahren setzt sich Țigla daher für Vergangenheitsbewältigung ein, stellt Denkmäler auf, gibt Bücher heraus, organisiert Ausstellungen und Konferenzen. Von Zeitzeugen weiß er: „99 Prozent der Deportierten haben ihren Peinigern vergeben – damals wie heute. Doch sie alle wollen, dass man sich erinnert, damit so etwas nie wieder geschehen kann!“ Das Ausmaß des Dramas wurde in dem Film „Am Rande des Schweigens“ von Cristian Amza (TVR2) verdeutlicht. Er ist Teil einer Reihe von fünf Dokumentationen zum Thema Deportation, die dieses Jahr nach und nach im Schillerhaus ausgestrahlt werden sollen. Zu Wort kommen darin Zeitzeugen, Historiker, Vertreter der deutschen Minderheit und betroffene Hinterbliebene, etwa der Bischofsvikar und Bukarester Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli, dessen Großvater deportiert worden war, und der Autor und rumänische Diplomat Claudiu Florian, Nachfahre einer Sächsin, die der Deportation auf abenteuerliche Weise entrinnen konnte.

Auch Fälle von heimlicher Hilfe gab es: Menschen wurden versteckt, vorgewarnt oder sogar von jenen freigelassen, die sie eigentlich verhaften sollten. In einer Repser Klinik wurden Sächsinnen als frisch operierte Patientinnen getarnt, wie Florian auch in seinem Roman „Varstele jocului“ beschreibt.

Erinnern in der Öffentlichkeit war in Rumänien erst nach der Wende ab 1990 möglich. 1995 gab es eine erste Gedenkveranstaltung in der Schwarzen Kirche in Kronstadt. Es folgten ähnliche Ereignisse alle fünf Jahre: in Temeswar, Reschitza, Sathmar; danach mehrere im ganzen Land. 68 Jahre sind seit der Rückkehr der meisten Überlebenden vergangen. In Bukarest nehmen bereits keine Zeitzeugen mehr an der Gedenkveranstaltung teil. In Reschitza fand am 18. Januar 2017 ein Gedenkgottesdienst in der katholischen Maria-Schnee-Pfarrkirche für ehemalige Deportierte und in der UdSSR Geborene statt. Eine Informationsveranstaltung für Schüler zum Thema gab es am 16. Januar im Nationalkolleg „Traian Lalescu“. Am 17. Januar wurde im Alexander-Tietz-Zentrum ebenfalls der oben genannte Film ausgestrahlt und Zeichnungen der ehemaligen Deportierten Anton Ferenschütz und Franz Binder mit Erinnerungen aus dem Lagerleben ausgestellt. Den deportierten Sathmarer Schwaben wurde gleich in mehreren Ortschaften gedacht, in Fienen, Erdeed, Großkarol, Großmaitingen, Petrifeld, Trestenburg, Kalmandi und Stanislau. Am 28. und 29. Januar gab es eine zweitägige Gedenkveranstaltung in Sathmar und Kaplau.

NM

Schlagwörter: Deportation, Gedenken

Bewerten:

18 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.