19. Juli 2006

Deutsch-Rumänisches Sozialversicherungsabkommen in Kraft

Am 1. Juni 2006 ist das „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit“ in Kraft getreten. Neben einigen Verbesserungen bringt es auch neue Verfahrensweisen mit sich, die derzeit zu starker Verunsicherung bei Betroffenen führen. Die häufigsten Fragen werden daher im Folgenden erläutert.
Dieses „offene Abkommen“ gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit immer dann, wenn Tatbestände nach dem Abkommen erfüllt sind (z. B. wenn Versicherungszeiten in dem anderen Vertragsstaat zurückgelegt wurden). Damit gilt es also auch für alle aus Siebenbürgen zugezogenen Landsleute, die noch Zeiten dort zurückgelegt haben. Das Abkommen regelt den Grundsatz, dass jeder Staat die Leistung für die in diesem Staat zurückgelegten Zeiten zu erbringen hat. Lediglich für die Frage der Mindestversicherungszeit sind Anwartschaften in beiden Ländern zusammenzuzählen.

Diese Regelung führt zu den häufigsten Missverständnissen. Betroffenen wurde sogar gesagt, aufgrund des Abkommens sei nun für die Rentenzeiten aus Rumänien nur noch der rumänische Rententräger verantwortlich. Diese Auskunft ist falsch. Da das Fremdrentengesetz neben dem Abkommen selbstverständlich weiter gilt, werden die nach diesem Gesetz anerkannten Zeiten aus Rumänien wie bisher weiter bei der deutschen Rente berücksichtigt. Zu beachten ist die auch vorher schon geltende Anrechnungsvorschrift (§ 31 FRG), nach welcher Leistungen des rumänischen Rententrägers von der deutschen Rente abzuziehen sind, soweit diese rumänische Rente auf Zeiten beruht, die auch in der deutschen Rente (als FRG-Zeiten) berücksichtigt worden sind.

Deswegen versenden Rententräger in letzter Zeit Fragebögen in deutscher und rumänischer Sprache an Betroffene und fordern auf, diese unter Beifügung von Unterlagen zurückzusenden, damit sie nach Rumänien weitergeleitet werden. Das Abkommen regelt nämlich in Artikel 22 eine „Antragsgleichstellung“, wonach seit dem 1. Juni 2006 ein Rentenantrag bei der deutschen Rentenbehörde automatisch auch als Antrag auf eine (rumänische) Rente aus Rumänien gilt. Werden diese Unterlagen ausgefüllt zurückgeschickt, dann berechnet der rumänische Rententräger die nach rumänischem Recht zustehende Rente (in Lei). Diese Rente wird dann nach dem Tageskurs zum Zeitpunkt der Übermittlung der Leistung in Euro umgerechnet und insoweit von der deutschen Rente abgezogen, als sie auf gleichen Zeiten beruht. Für den Betroffenen bedeutet dieses theoretisch, dass er nur Aufwand hat, jedoch nicht weniger und nur selten mehr Rente bekommt („Nullsummenspiel“).

Beispiel: Herr Schneider bekommt aus Deutschland 1000 Euro Altersrente, wobei 20 Jahre nach dem FRG anerkannt wurden. Der rumänische Träger berechnet nach Rücksendung der Formulare aus den gleichen 20 Jahren in Rumänien eine Rente in Höhe von z. B. umgerechnet 40 Euro monatlich. Genau diese 40 Euro werden dann gemäß Paragraph 31 FRG von der deutschen Rente wieder abgezogen, so dass Herr Schneider 960 Euro deutsche und 40 Euro rumänische Rente – zusammen also wieder 1000 Euro - bekommen würde.
Etwas anders endet das Rechenbeispiel, wenn für Herrn Schneider in Deutschland von den 20 Jahren aus Rumänien nur 15 Jahre anerkannt wurden. Hier rechnet die deutsche Rentenbehörde von den 40 Euro rumänischer Rente nur den Anteil auf die deutsche Rente an, der auf den auch 15 in Deutschland anerkannten FRG-Jahren beruht (etwa 30 Euro). Die rumänische Rente für die anderen fünf Jahre, die in der deutschen Rente nach dem FRG nicht anerkannt wurden, darf Herr Schneider ohne Abzug behalten, hätte damit also 1 010,00 Euro zur Verfügung.


Für viele Betroffene ist es jedoch mühselig, die vielen neuen Fragebögen auszufüllen und alle Unterlagen erneut einzusenden. Deswegen sei auf folgende Fallvarianten hingewiesen, in denen die Formulare nicht ausgefüllt werden müssen:
1) Wenn der Rentenbeginn vor dem 1. Juni 2006 liegt, müssen die Formulare nicht ausgefüllt werden, weil die Antragsgleichstellung des Art. 22 des Abkommens vor diesem Zeitpunkt keine Wirkung hat. Wenn also einige Rententräger auch bei Rentenfällen vor dem 1. Juni 2006 diese Formulare (sogar nachträglich) versenden, können Betroffene der Rentenbehörde einfach (schriftlich) mitteilen, dass sie keine rumänische Rente wünschen und deswegen die Formulare nicht ausfüllen.
2) Wenn jemand erst ab dem 1. Juni 2006 (also mit Geltung des Abkommens) in Rente geht, wird danach unterschieden, um welche Art der Rente es sich handelt:
a) Für eine Altersrente regelt Art. 22 Abs. 3 des Abkommens, dass die Antragsgleichstellung dann nicht gilt, wenn der Betroffene dieses ausdrücklich beantragt. Hier kann auf das Ausfüllen und Rücksenden der Formulare verzichtet werden, wenn der Rentenbehörde schriftlich mitgeteilt wird, dass eine Altersrente aus Rumänien derzeit nicht gewünscht wird.
b) Für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit („Krankenrenten“) oder Hinterbliebenenrenten gibt es diese Möglichkeit laut dem Abkommen nicht. Rentenbehörden werden hier darauf bestehen, die entsprechenden Formulare auszufüllen. Verweigern Betroffene dieses, wird die Rentenbehörde vermutlich anhand der Aktenlage die Daten an die rumänische Behörde weiterleiten und die wird danach eine Rente feststellen, die dann zu der vorher beschriebenen Anrechnung führt. Wenn nach rumänischem Recht ein Verzicht auf diese Renten möglich sein sollte und tatsächlich keine Rente aus Rumänien gezahlt wird, dann dürfte auch eine Anrechnung ausbleiben, weil ein fiktiver Rentenabzug nicht vorgesehen ist. Praktische Erfahrungen zu diesem Komplex gibt es allerdings noch nicht.

Besondere Bedeutung hat das Abkommen für Landsleute, die nicht als Spätaussiedler anerkannt wurden und daher für die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten keine FRG-Anwartschaften anerkannt bekommen. Bei diesen Personen können sich die in Rumänien erworbenen Anwartschaften in Deutschland rentensteigernd auswirken, wenn dadurch Mindestwartezeiten erreicht werden, die bei der Rentenberechnung von Bedeutung sind (z. B. als Voraussetzung für die Berechnung von Mindestentgeltpunkten).

Hinzuweisen ist auf eine weitere Besonderheit: Auch wenn in Art. 5 des Abkommens eine „Gleichstellung des gewöhnlichen Aufenthaltes“ geregelt ist, führt dieses nach Meinung der Rentenbehörden nicht dazu, dass bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes aus Deutschland nach Rumänien auch die Teile der deutschen Rente, die auf FRG-Zeiten beruhen, weiter gezahlt werden. Hier wird nach wie vor lediglich die Rente nach den Auslandszahlvorschriften geleistet, in der Regel also nur die Rente, die auf in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten beruht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtslage hier weiter entwickelt.

Weil die Regelungen im Rentenrecht immer komplizierter werden, ist Betroffenen zu empfehlen, Bescheide auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen. Hilfestellung erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung im Fremdrentenrecht.

RA Dr. Bernd B. Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender


Schlagwörter: Rumänien und Siebenbürgen, deutsch-rumänische Beziehungen, Rente

Bewerten:

115 Bewertungen: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.