20. Dezember 2006

Kein siebenbürgischer Brauch

Die Sonnenwende wurde im 20. Jahrhundert nur vorübergehend in Siebenbürgen gefeiert. Johannisfeuer brannten in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert am Johannistag. Gegen Unheil warf man Kräuter in die Flammen oder sprang über die Glut.
In Siebenbürgen wurde in den vierziger Jahren einige Male die Wintersonnenwende (21. Dezember) und die Sommersonnenwende (21. Juni) gefeiert. Dann kam der Krieg und wegen der Luftschutzmaßnahmen wurden Feuer während der Dunkelheit untersagt.

Ich erinnere mich an Sonnwendfeiern in Schäßburg. Auf dem Sportplatz wurde ein großer Scheiterhaufen errichtet und bei Einbruch der Dunkelheit angezündet. Wir Kinder bestaunten die lodernden Flammen und interessierten uns weniger für die Reden und völkischen Gesänge, die die Feier begleiteten. Empörung herrschte, als am 21. Juni 1941 die Feier kurzfristig verboten wurde. Man hielt das Verbot für eine Schikane der staatlichen Autoritäten. Keiner von uns wusste, dass wenige Stunden später der Krieg gegen die Sowjetunion beginnen würde und Rumänien auf deutscher Seite beteiligt, somit Siebenbürgen in das Kriegsgeschehen einbezogen sei.

Die letzte Feier der Sonnenwende fand 1944 statt – in Schäßburg am Vormittag ohne Feuer im Botanischen Gärtchen bei der Bergkirche. Die Ostfront war bereits in gefährliche Nähe gerückt. Es gab nur wenige Teilnehmer, vor allem Greise und Kinder. Man ließ uns den Rütlischwur im Chor sprechen: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr. Wir wollen frei sein, wie die Väter waren. Lieber den Tod als in der Knechtschaft leben.“ Wenige Wochen später kam die Wende vom 23. August, und von da an erloschen die Sonnwendfeuer in Siebenbürgen.

Walter Roth

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 20. Dezember 2006, Seite 5)

Schlagwörter: Brauchtum

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.