27. August 2007

Leserecho: Brücke zum Siebenbürgisch-Ungarischen

Zu Ute Rills Besprechung von Gudrun Schus­ters Essayband „Leben mit und gegen Ideo­logien“ (Aldus-Verlag, Kronstadt 2006, 398 Seit­en, Preis: 14,60 Euro. ISBN: 978-973-7822-18-5), veröffentlicht in Siebenbürgischen Zeitung vom 30. April 2007.
Heute gehört Gudrun Schuster zu den leider nur noch wenigen rumäniendeutschen Autorin­nen und Autoren, die alle drei Sprachen Sieben­bürgens, Rumänisch, Ungarisch, Deutsch, fließend sprechen. Von den rumäniendeutschen Au­torinnen sprechen und schreiben in der alten Heimat Ungarisch zurzeit nur noch Erika Scharf (geboren 1929) und Carmen Elisabeth Puchianu (geboren 1956), die gelegentlich etwas aus dem Ungarischen übersetzen.

Gudrun Schuster hat hingegen von ihrer akademischen Bildung her die innigste Beziehung zum Ungarischen, da sie, wie sie in ihrem autobiographischen Essay „Schule und Ideologie im sozialistischen Rumä­nien im Lichte eigener Sozialisierungserfah­run­gen“ beschreibt, es der rumänienungarischen kultu­rellen Großzügigkeit zu verdanken hat, dass sie eine akademische Laufbahn einschlagen konnte. Nachdem sie bei der Aufnahme­prüfung 1957 in der Fakultät für Germanistik-Rumänistik trotz blendender Ergebnisse im Spezial­fach Deutsch als Muttersprache nicht angenommen wurde wegen ihrer Rumänisch- und Geschichtsnoten, versuchte Gudrun Schuster ihr Glück bei der „Nachprüfungsaufnahme“ in der Fakultät für Germanistik-Ugristik (Unga­risch) an der ungarischen Abteilung der Klau­sen­burger Universität. Für die übriggebliebenen drei Plätze bewarben sich fünf Kandi­daten, und obwohl Gudrun Schuster kein Ungarisch sprach, beschlossen die rumänienungarischen Germanisten ihr einen der drei Plätze zuzuteilen, wegen ihrer hervorragenden Deutsch­kennt­nisse. Allerdings unter dem Ver­sprechen, dass sie in den fünf Studienjahren Ungarisch lerne.

Beeindruckt von der Großzügigkeit der ungarischen Examinatoren und dem unglaublich kameradschaftlich-kollegialen Verhalten ihrer ungarischen Kommilitonen schaffte es Gudrun Schus­ter in fünf Jahren, ein befriedigendes ungarisches Examen neben ihrem blendenden deutschen abzulegen.

Gudrun Schuster ist nicht nur eine Freundin der Ungarn und ihrer Kultur zeitlebens geblieben, sondern auch eine Übersetzerin und Rezen­sentin der ungarischen Literatur. So gab sie 1996 Gedeon Borsa: „Alte siebenbürgische Drucke (16. Jahrhundert)“ im Böhlau Verlag Köln/Weimar/Wien heraus und schrieb wiederholt über ungarische, besonders rumänienungarische Themen. Eine Brücke zum Siebenbür­gisch-Ungarischen sind auch Gudrun Schusters Überlegungen zu den Büchern Adam Bodors: „Schutzgebiet Sinistra“. Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki. Zürich 1994 und „Der Be­such des Erzbischofs“ von Hans Skirecki. Zürich 1999, denen sie gleich zwei Rezensionen widmet. Gudrun Schuster bittet auch in dieser Rezen­sion um mehr Ernsthaftigkeit der bundesdeutschen Literaturkritik bezüglich Südost­europa, die einfach Fakten übergeht. In diesem Fall behauptet die renommierte Frankfurter Allge­­meine Zeitung (4. Oktober 1994), der Roman „Sinistra“ (deutsch erschienen 1994 bei Ammann in Zürich) sei die erste Übersetzung eines Werkes von Adam Bodor ins Deutsche. Dabei sind schon 1970 zwei Erzählungen von Bodor in der Kron­städter Wochenzeitschrift „Karpatenrund­schau“ in der Übersetzung von Gudrun Schuster erschienen.

Ingmar Brantsch, Köln

Schlagwörter: Leserecho, Schulgeschichte, Kommunismus

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