1. März 2011

Der letzte Prudner Sachse: Die Geschichte von Hans Lang

Hermann Baier, ehemaliger Direktor der Bergschule in Schäßburg, der selbst ein halber Prudner ist, berichtet im Folgenden über das Schicksal von Hans Lang. Es handelt sich um einen Auszug aus dem Prudner Heimatbuch.
Nach der Wende, um 1991, als ich Bezirkskirchenkurator im Schäßburger Kirchenbezirk war, erfuhr ich, dass es in Pruden einen Sachsen gab, der unter schlechten Bedingungen lebte. Wir suchten ihn umgehend auf und fanden den Armen in einem fürchterlichen Zustand: Er hauste in einem kahlen Raum mit Erdfußboden. Darin standen nur ein Bett und ein Ofen ohne Feuer. Es war fürchterlich kalt. Außerdem konnten wir nicht mit ihm kommunizieren, denn er war stumm, taub und blind. Eine Rumänin sorgte für ihn und sollte dafür als Belohnung das Weltherische Haus bekommen. Ich fand heraus, dass dieser arme Mensch jener war, der in unserer Familie nur als der „Stumme“ bezeichnet wurde. Und dieser war der Mann von der „Fikatante“, einer Cousine meiner Mutter, gewesen. Die Familie Lang war kinderlos geblieben, kümmerte sich aber um drei Kinder aus der Familie Keul, seit deren Eltern nach Russland deportiert worden waren.

Hans Lang selbst stammte aus Großalisch und war ein guter Schuster gewesen. Als Kind hatte ihn eine Lehrerin zur Strafe in einen Keller gesperrt und über Nacht dort vergessen. Man sagt, dass er dort vor Angst stumm geworden und sein ganzes Leben geblieben ist.

Die Bedingungen, unter denen er nun lebte, hätte man keinem Tier zumuten können. Ich beschaffte ihm deswegen sofort einen Platz im Altenheim von Hetzeldorf, das zum Mediascher Diakonieverein gehörte. Das Ehepaar Pitters verwaltete es vorbildlich. Als wir Hans Lang in das Auto einluden (er besaß nur das, was er auf dem Leibe trug), freute er sich sehr: Wir hatten den Eindruck, er glaubte, nach Deutschland gebracht zu werden.

In Hetzeldorf war er sehr gut aufgehoben. Wir konnten das Heim mit Spenden unterstützen und auch die Keulischen Kinder meldeten sich und schickten Geld für ihn. Hans Lang, der „Stumme“, hat noch einige Jahre gut umsorgt in Hetzeldorf gelebt und ist dort schließlich auch gestorben. Leider habe ich das erst später erfahren, so dass ich bei seiner Beerdigung nicht dabei sein konnte.

Schlagwörter: HOG, Pruden, Heimatbuch, Erinnerungen

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