10. Juli 2011

Schuljubiläum in Sächsisch-Regen

Unter dem Motto „Bildung ist Zukunft“ fand vom 17.-19. September 2010 das 20. Sachsentreffen in Bistritz statt. Bei dieser Gelegenheit wurde immer wieder auf den hohen Stellenwert, den Schule und Bildung bei den Siebenbürger Sachsen hatten, hingewiesen. Auch wurde das 100-jährige Jubiläum des Umzuges des Evangelischen Obergymnasiums von Bistritz ins neue Gebäude gefeiert. Unspektakulär, aber von nicht geringerer Bedeutung ging etwas früher, am 29. Mai 2010, eine andere Jubiläumsfeier in Sächsisch-Regen über die Bühne: das 550-jährige Jubiläum der siebenbürgisch-sächsischen Schule in dieser Stadt.
Im Archiv der Stadt Bistritz befindet sich eine Urkunde in lateinischer Sprache. Das Archiv wurde nach Klausenburg überführt und war längere Zeit nicht zugänglich, da der Bestand (mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg) digitalisiert wurde. Jetzt liegt die Urkunde als Kopie vor. Entziffert und in Reinschrift findet man sie im „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“, Band 6, Seite 59. Hier heißt es: „Nos Georgius Ayben iudex ceterique iurati consules civitatis Bystriciensis memoriae commendamus significantes quibus expedit universis et signante vobis circumspectis viris iudici et iuratis in oppido Reghen commorantibus vicinis et fratibus nobis dilectis,quod in nostram venies praesentiam discretus magister Petrus rector scolarum de eadem nobis debita cum instantia suplipicare curvit, ut copiam sententiae nostrae pro parte Valentini Pellificis contra Jacobum Literatom concivium vestrorum ...“

In deutscher Übersetzung: „Wir Georgius Ayben und die anderen Geschworenen der Stadt Bistritz geben allen und euch gewissenhaften Männern des Richters und Geschworenen in der Stadt Regen verbliebenen, unseren geliebten Nachbarn und Brüdern kund, dass der ernannte Schulrektor Magister Petrus zu uns gekommen ist und mit Beharrlichkeit die Bitte an uns gerichtet hat, dass der Einfluss – das Gewicht unseres Richterspruches – in der Schuldfrage (debita) auf der Seite – zu Gunsten – von Valentinus Pellifex gegen Jacobus Literatus euer Mitbürger sein solle ...“

Der letzte Satz der Urkunde bezieht sich auf das Ausstellungsdatum: „Datum Bystriciae ipso die circumcisionis domini, anno eiusdem millesimo quadringentesimo sexagesimo.“ Also: „Bistritz am ersten Tag der Beschneidung unseres Herrn Christus im Jahre Tausendvierhundertsechzig – 1. Januar 1460“. Es ist anzunehmen, dass die Schule älteren Datums ist, da in Tekendorf – ein kleinerer und wirtschaftlich nicht so starker Ort im Reener Ländchen – schon 1402 ein „teca scholarium rector“ beurkundet ist.
Urkunde aus dem Archiv in Klausenburg belegt 550 ...
Urkunde aus dem Archiv in Klausenburg belegt 550 Jahre Schulgeschichte in Reen.
Die historische Entwicklung der deutschen Schule aus Sächsisch-Regen erstellte und ließ drucken Hans Ganesch, bis zu seinem Berufsverbot 1981 lange Jahre Kunstpädagoge an der 1964 gegründeten Allgemeinen Schule Nr. 5 – auch mit deutscher Abteilung. Diese Dokumentation wurde in rumänischer Sprache verfasst, um allen Einwohnern von Sächsisch-Regen und anderswo den Zugang zu den enthaltenen Daten zu ermöglichen. Die Schrift dient auch dazu, einige rumänisch-national-kommunistische „Interpretationen“ richtig zu stellen. Eine deutsche Fassung ist in Arbeit. 1994 erhielt die Schule den Namen Gimnaziul de stat „Augustin Maior“. Der Namenspatron wurde in Sächsisch-Regen als Sohn eines rumänischen Lehrers geboren, besuchte hier den deutschen Kindergarten und anschließend die deutschen Schulen. Augustin Maior war es, der als Professor an der Universität Klausenburg die Tragweite der Diplomarbeit „Die Raketen zu den Planetenräumen“ des späteren „Vaters der Raumfahrt“ Hermann Oberth erkannt und angenommen hat. Die Universität Heidelberg hatte diese bekanntlich zurückgewiesen. Das Diplom von Professor Hermann Oberth trägt die Unterschrift dieses Mannes. Im Unterschied zum Bistritzer „Liviu Rebreanu“-Kolleg (im Gebäude des ehemaligen Evangelischen Obergymnasiums untergebracht), das sich zu seiner jungen Geschichte bekennt (siehe „Wir Nösner“, Sonderausgabe 2010), wird in Sächsisch-Regen versucht, eine Kontinuität der rumänischen Schule zu der Jahrhunderte alten deutschen Schule herzustellen. Man vermeidet tunlichst, sie als ehemalige deutsche Schule zu bezeichnen, spricht nur von „unserer Schule mit langer Tradition“.

Die Gebäude der Schule und das des ehemaligen deutschen Kindergartens wurden der Evangelischen Kirche 2004 rückerstattet. Um den Unterricht im Stadtzentrum zu gewährleisten, hat die Stadtverwaltung die Gebäude angemietet. Am Schulgebäude in der Bierhausgasse (heute Str. Călărașilor) wurde am 29. Mai 2010 eine dreisprachige (rumänisch, deutsch, ungarisch) Gedenktafel angebracht. Im Südosten der Ringmauer, ungefähr am Zugang zum Schulhof, befand sich ein Turm, in dem die erste Schule untergebracht war. Die Gedenktafel wurde aber an der Straßenfront neben dem Eingang zum Schulgebäude befestigt. Bei der Enthüllung waren der gerade frisch gewählte Stadtpfarrer Johann Zey, Vertreter des Presbyteriums, des Deutschen Forums, das Kollegium der deutschen Abteilung und die Schulleiterin Maria Bogdan anwesend. Anschließend wurde die Dokumentationsschrift verteilt. In etwas gekürzter Form wurde diese in der elektronischen Zeitschrift „NapocaNews“ Nr. 10/2010 (Klausenburg) und der Zeitschrift „Vatra veche“(Neumarkt a. M.) Nr. 11 und 12/2010 – Nr. 1 und 2/2011 unter dem Titel „550 de ani de învățământ german la Reghin 1460-2010“ veröffentlicht und ist im Internet zugänglich. Zurzeit besucht kein einziges Kind mit Deutsch als Muttersprache diese Schule, dafür aber türkische Kinder – der Nachwuchs von Mitarbeitern türkischer Firmen, die sich in Sächsisch-Regen angesiedelt haben.

Hans Ganesch

Schlagwörter: Schule, Jubiläum, Geschichte, Sächsich-Regen

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