9. August 2006

Honterus-Gymnasiasten feierten 50-jähriges Jubiläum

Aus den Vereinigten Staaten, aus England, Frankreich, Deutschland, Österreich und nicht zuletzt aus Siebenbürgen waren sie nach Kronstadt angereist, um sich am 16. Juni auf dem Kirchhof der Schwarzen Kirche einzufinden: 74 der einst 126 und heute noch 117 lebenden Absolventinnen und Absolventen des „Honterus“-Gymnasiums, Jahrgang 1956.
Nach zögerlichem Wiedererkennen und fröhlichem Begrüßen strömte die „grau-weißhaarige Hundertschaft“ (mehrere Ehepartner waren auch dabei) in die Kirche. Unübersehbar erneuert empfing das Wahrzeichen Kronstadts die Schülerinnen und Schüler von einst. Stadtpfarrer und Dechant Christian Player begrüßte die Gäste und leitete über zu Jahrgangskollege und Pfarrer Bernddieter Schobel, der in seiner Predigt tiefschürfende Betrachtungen über den menschlichen Lebensweg an sich und über das gemeinsame Schicksal des Jahrgangs 1956 anstellte. Nach einem Gruppenbild vor dem Altar ließen sich die einstigen Schülerinnen und Schüler der Klassen A, B und C zu Füßen der Statue von Johannes Honterus fotografieren, bevor sie dem wenige Schritte entfernten Gemeindesaal der Schwarzen Kirche zustrebten, wo die festliche Klassenstunde anberaumt war.

Gudrun Tellmann (geborene Zimmermann), Initiatorin und treibende Kraft beim Zustandekommen dieses Jubiläums, übernahm die Moderation des weiteren Geschehens. Nach der Einstimmung durch das „Gaudeamus igitur“ aus betagten Kehlen dankte Gudrun (Zimma) allen Kolleginnen und Kollegen für die hervorragende Mitwirkung an der 398 Seiten starken „Festschrift zum 50. Jubiläum unseres Abiturs am Honterusgymnasium zu Kronstadt 1956-2006“.

Im Namen aller Absolventen und Absolventinnen lobte Harald Lindner im Gegenzug Zimmas kompromisslose Hartnäckigkeit, mit der sie alle Hindernisse zu überwinden wusste. Nun übernahm Prof. Marianne Wolf (geborene Rudolph) die Leitung der Klassenstunde. Unterstützt durch Dr. Dipl.-Ing. Wilhelm Copony und den Kollegen Günther Schuller, las Frau Wolf die Kataloge klassenweise vor. Zu den 28 fröhlichen „Hier!“-Rufen der Klasse A gesellten sich 23 aus der „B“ und 23 aus der „C“. Von 34 der abwesenden 43 Schülerinnen und Schülern verlas Günther Schuller Grußbotschaften oder erschütternde Berichte über schwere Erkrankungen. Für neun Kolleginnen und Kollegen und für 18 Professorinnen und Professoren musste eine Schweigeminute des stillen Gedenkens eingelegt werden. Mit seinen Wortspielen über „Heruntergekommene“ und „Zurückgebliebene“ lockerte Dr. Copony die Stimmung wieder auf. Auch der von Eckart Schlandt geschriebene und komponierte und von allen gesungene Kanon machte die Köpfe wieder frei für Joachim Wittstocks anschließendes Grußwort. Im Namen der 18 in der alten Heimat gebliebenen Kolleginnen und Kollegen beschrieb er den Begriff Heimat nach Siegfried Lenz’ Roman „Heimatmuseum“ als den Ort, wo man wiedererkannt und aufgenommen wird. Um das in westlichen Köpfen leider immer noch vorherrschende, negative Rumänien-Bild berichtigen zu helfen, erinnerte Joachim Wittstock an die stillen Helden der Schulleitung und des Lehrerkollegiums, die, meist am Rande der persönlichen Sicherheit, in den fünfziger Jahren bestrebt waren, normale Zustände im Rahmen des Möglichen herzustellen, um den Unterricht mit pädagogischem Takt sinnvoll zu gestalten.

Er schloss mit der stark beklatschten Feststellung: „Trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Hemmungen, die das Schülerdasein behinderten, herrschte in unserem Lyzeum ein überaus lebendiger Geist. Dieser Geist hat uns geprägt und wirkt nach bis heute“. Versüßt durch Baumstriezel und Kaffee, ging die feierliche Klassenstunde zu Ende.

Absolventen des Jahrgangs 1956 des Honterus-Gymnasiums vor dem Altar der Schwarzen Kirche in Kronstadt.
Absolventen des Jahrgangs 1956 des Honterus-Gymnasiums vor dem Altar der Schwarzen Kirche in Kronstadt.

Zwei Busse brachten die Teilnehmer nach kurzer Fahrt zum Gebäude des rumänischen „Schaguna“-Lyzeums, wo der Jahrgang 1956 vor gut einem halben Jahrhundert den Schulbetrieb im Wechsel mit der rumänischen Abteilung (Vormittag/Nachmittag) erlebt hatte. Erfreut stellten die Besucher fest, dass die neue Zeit auch in den Klassenzimmern und im Festsaal dieser traditionsreichen Lehranstalt Einzug gehalten hat: Die schwarz-weißen, einschüchternd wirkenden Konterfeis der politischen Machthaber von einst haben samt ihren menschenverachtenden Parolen die einst lieblos getünchten Räume längst verlassen müssen. Gediegene jahrhundertealte, farbenprächtige Tradition und Moderne lachen jetzt den Schülern und Lehrern von den Wänden und Decken entgegen – heute ein optisches Vergnügen, die Schulbank hier drücken zu dürfen.

Dann fuhr die „Hundertschaft der Schulnostalgiker“ mit Bussen nach Moeciu de Sus, in das Hotel „Crăiasa Munților“. Nach den ersten zwei Gängen des schmackhaften Festmenüs sorgte Harald Lindner seitens der Ausgewanderten mit seinem Redebeitrag für einige Minuten der Nachdenklichkeit. Kollege Günther Barthmes spielte dann als Ein-Mann-Unterhalter mit Stereoanlage und auf der Klarinette meisterhaft flotte Schlager aus der Jugendzeit. Er hat dieses Instrument erst ab dem 60. Lebensjahr erlernt. Das Tanzbein kam zu seinem Recht. Traute Paulinis (Tomescu) und Ediths Schlandts Überraschungstorte aus Löffelbiskuit in Form einer tischgroßen „Fünfzig“ wurde genüsslich verzehrt. Der Abend klang erst spät nach der „Geisterstunde“ fröhlich aus.

Tags darauf wurde das Königsschloss „Pelesch“ besichtigt – wie vor fünfzig Jahren. Die Nobelherberge zeigte sich, kurz vor ihrer Übergabe an die königliche Familie, in aufgefrischter Pracht. Zurück in Moeciu, ging das fröhliche Beisammensein am Abend bei Musik und Tanz weiter. Dann griff ein internationales Schwergewicht zum Mikrofon: Dragoș Cismașu, mehrfacher Weltumsegler, langjähriger BBC-Korrespondent, Organisator von internationalen Segelregatten und in Seglerkreisen als Buchautor Jimmy Cornell weltweit bekannt. Mit bewegten Worten bedankte er sich in einwandfreiem Deutsch für die genossene Erziehung und das erworbene Wissen im „Honterus“-Gymnasium.

Am Sonntag erlebten die Jubilare einen Abschieds-Gottesdienst in der Schwarzen Kirche. Vor einer zahlreichen Kirchengemeinde leitete Pfarrer Christian Player das Amt, von Eckart und Steffen Schlandt sowie dem „Bach-Chor“ eindrucksvoll unterstützt. Die Sonntagspredigt blieb dem Jahrgangskollegen und Pfarrer Wieland Graef vorbehalten. Draußen auf dem Kirchhof begann das große Abschiednehmen. 38 Jubilare waren jedoch nicht gewillt, die neu erlebte Gemeinschaft so schnell wieder zu verlassen: Sie hatten eine Busrundreise durch Siebenbürgen unter der Leitung von Reinhold Schneider beim Nürnberger Busunternehmen gebucht und sollten für ihre Entscheidung belohnt werden. Frau Roswitha, die sympathische und meisterhafte Busfahrerin, kurvte mit ihren Fahrgästen u. a. durch das Burzenland, nach Schäßburg, Birthälm, Mediasch und Hermannstadt. Beim Gottesdienst mit Pfarrer Wagner in Karlsburg (Alba Iulia) wurde das Abendmahl gereicht. In „Lutsch 2000“ erreichte die Stimmung einen Höhepunkt: Lieder in sächsischer Mundart, in deutscher und rumänischer Sprache erklangen, Kolleginnen und Kollegen trugen Gedichte vor. Die in Amerika lebende Künstlerin und Kollegin Smaranda Cretoiu brachte ihren Gesamteindruck vom Jahrgangstreffen auf den Punkt: „Wir, die ‚Honterus’-Absolventen des Jahrgangs 1956 fühlen uns weiterhin einander stark verbunden, selbst nach fünfzig Jahren!“

Harald Lindner


Schlagwörter: Kronstadt

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