16. September 2006

Bergschüler feierten Wiedersehen nach 50 Jahren

Ihr 50. Maturajubiläum haben ehemalige Schäßburger Bergschüler am 19. und 20. August in der Pension „Zum Goldenen Ritter“ in Vorderbüchelberg, nahe Wüstenrot, gefeiert. Es war ein Treffen besonderer Art, denn eine widrige Schulpolitik hatte sie vor einem halben Jahrhundert in alle möglichen und unmöglichen Himmelsrichtungen und Berufe verstreut.
Angetreten waren sie 1952 im Schäßburger „Seminar“, um Lehrer an deutschen Grundschulen Siebenbürgens zu werden. Sie entstammten fast ausnahmslos ländlichen Familien, die durch die kommunistische Enteignung schwer getroffen worden waren, und hätten mit dem Einstieg in den Lehrerberuf deren Existenz mitsichern sollen. Doch bei Eintritt in ihr viertes und letztes Jahr der Ausbildung verordnete das Regime die Auflösung des Schäßburger deutschen Lehrerseminars und seine Umwandlung in ein „Lyzeum“, dessen Abschluss den direkten Weg ins Berufsleben nicht mehr sicherstellte. Zudem hatten die Schüler im Hinblick auf die „Matura“, wie das Abitur genannt wurde, innerhalb eines einzigen, letzten Schuljahrs ganze Stoffgebiete nachzuholen, um in den für die Reifeprüfung an Gymnasien festgeschriebenen Unterrichtsgegenständen bestehen zu können.

Trotzdem haben sie den erfolgreichen Schulabgang geschafft, mussten aber danach sehen, wie sie zurechtkamen. Einigen wenigen gelang über Differenzprüfungen noch der angestrebte Einstieg ins Unterrichtswesen, andere machten Zusatzausbildungen in unterschiedlichsten Berufen mit oder schafften, oft nebenberuflich, gar ein Hochschulstudium. Heute leben fast alle in Deutschland, die meisten seit Jahrzehnten, und haben trotz des einst so erschwerten Starts ihr Leben vorbildlich gemeistert. Einen „Flickenteppich“ nannte ein Kollege die Zusammenschau ihrer Schicksale im Rückblick. Dessen tragfähige Farbigkeit sei geprägt worden vom vielbeschworenen „Geist der Bergschule“, der sie alle durch die Jahre hindurch begleitet, sie in ihren Haltungen und Handlungen bestimmt habe.

In dankenswerter Weise umsichtig vorbereitet hatten das Treffen Johanna Herberth, geborene Lipp, mit ihrem Gatten Michael sowie Edda Reb, geborene Haiser. Sie hatten das gastliche und landschaftlich schön gelegene Haus in Vorderbüchelberg dafür ausgesucht, hatten in einer aufwändigen Briefaktion und zahllosen Telefonaten die Kontakte zu den Kollegen hergestellt und in großen Zügen den Ablauf des Begegnungsfestes geplant. Auf ihre Einladung hatten fast alle der einstigen Absolventen reagiert und waren, soweit es ihr Gesundheitszustand zuließ, meist samt Lebenspartnern zum Treffen erschienen. Es setzte mit einer besinnlichen Andacht ein, die Alfred Binder, pensionierter Seelsorger, zur Tageslosung „Herr, du hilfst Menschen und Tieren“ aus Psalm 36, Vers 7, hielt. Darin wurde in würdiger Weise auch der inzwischen verstorbenen Kolleginnen und Kollegen gedacht.

Im Anschluss daran, zunächst bei siebenbürgischen Striezeln und Hanklich, die Margarete Himjak, geborene Binder, für die ganze Gesellschaft gebacken hatte, nahm ein gemütliches Beisammensein seinen harmonischen Verlauf bis in die späten Abendstunden, durchzogen von Erinnerungen an die gemeinsam in Schäßburg verlebten Jahre und aufgelockert von heiteren Beiträgen mehrerer Teilnehmer. Besonders anrührend wirkten die überraschend wohlklingenden musikalischen Zwischenspiele des Bläserduetts Karl Haydl und Hans Sadler (Tenorhorn und Zugposaune) mit einst vielgespielten und -gesungenen Melodien jener Zeit, das Haydl initiiert und zu dem er nachdenklich oder spaßig verbindende Verse gereimt hatte.

Ein gemeinsamer Ausflug ins nahe gelegene Weinsberg bei Heilbronn und zur dort gelegenen Burgruine „Weibertreu“ bildete am zweiten Tag den Ausklang des überaus gelungenen Begegnungsfestes. Es belegte ein übriges Mal, dass die gemeinschaftlichen Erfahrungen der Schäßburger Lehrjahre in der Vereinzelung nicht verloren gegangen sind und heute noch tragender Grund sein können für ein lebendiges, sinnvoll ausgefülltes Miteinander.

Hannes Schuster


Schlagwörter: HOG-Treffen, Schäßburg

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