29. August 2008

Das kleine Abtsdorf – ganz groß

Marschmusik erklingt inmitten blühender Blu­menpracht im Bad Rappenauer Kurpark. Die Passanten blicken erwartungsvoll in die Rich­tung, aus der die Blasmusik ertönt. Die Musi­kan­ten der Blaskapelle kommen näher. Sie bilden aber nur die Spitze der Prozession, die sich den Weg bahnt quer über das Gelände der Landes­gartenschau. Die mehr als 120 Teilnehmer in ihren farbenfrohen und reich verzierten siebenbürgisch-sächsischen Trachten geben ein prächtiges Bild ab.
Die Besucher der Landesgartenschau zücken ih­re Kameras, um den ungewöhnlichen Anblick in einem Foto festzu­halten. Woher die Trachten­träger wohl kommen? Um das Rätsel zu lüften: Es sind Abts­dorfer und deren Freunde, die aus ganz Deutschland und Holland angereist waren. Sie sind auf dem Weg zur großen Festbühne im Salinenpark des Landesgartenschaugeländes. Zum Siebenbürgen-Nachmittag, den die Heimat­ortsgemeinschaft des kleinen Abts­dorf bei Agne­theln auf die Beine gestellt hat.

Im großen Festzelt angelangt, formieren sich die Trachtenträger auf der Bühne. Das erste, was die Besucher zu hören bekommen, sind Lieder aus und über Siebenbürgen. Zu diesem Zweck haben sich die Trachtenträger zu einem stattlichen Chor zusammengefunden unter der Leitung des Dirigenten Mathias Untch. Das Lied „Willst du Gottes Werke schauen, komm ins Siebenbürgerland“ (Satz: Mathias Untch) – eine musikalische Liebeserklärung an Siebenbürgen, ist der Auftakt zu einem vier Stunden dauernden unterhaltsamen und niveauvollen Programm. Doch bevor die Abtsdorfer weiterfahren mit ihrer Vorstellung, ist Bad Rappenaus Oberbür­germeister Hans Heribert Blättgen an der Reihe. Er ist gut informiert über die Abtsdorfer – in seinem Büro steht das gewichtige Abtsdorfer Heimatbuch von Michael Konnerth, das 1998 mit dem baden-württembergischen Landespreis für Heimatfor­schung ausgezeichnet wurde.
Der von Trachtenträgern eingerahmte Abtsdorfer ...
Der von Trachtenträgern eingerahmte Abtsdorfer Chor unter der Leitung von Mathias Untch auf der Hauptbühne der Bad Rappenauer Landesgartenschau. Foto: Thomas Albrich
An diesem Nachmittag schlüpft der Ober­bür­germeister am Rednerpult in die Rolle von Mi­chael Konnerth, dem Vorsitzenden der Abtsdor­fer Nachbarschaft, der krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte – was besonders tragisch ist, da er der Initiator und Organisator des Sieben­bürgen-Nachmittags auf der Landesgartenschau war. Blättgen kennt Michael Konnerth, der bis zur Pensionierung 2004 Stadt- und Kurhistoriker in Bad Rappenau war, und es fällt ihm leicht, die Rede des Nachbarvaters vorzutragen – und den Besuchern Wissenswertes und Anekdoten über Siebenbürgen und das kleine Abtsdorf zu erzählen. Der Oberbürgermeister lobt das Enga­gement der Trachtenträger, die das Programm der Landesgartenschau bereichern. Er lobt Mi­chael Konnerths ehrenamtliches Engagement im Bad Rappenauer Heimatverein, dem der Ge­meinde­rat „für seine unvergleichlich hohen Ver-­dienste um die Erforschung, Vermittlung und Darstel­lung der Rappenauer Geschichte“ im ver­gangenen Februar die Verdienstmedaille der Gro­ßen Kreisstadt Bad Rappenau verliehen hat.

Kerstin Arz und Anita Jäger führen souverän durch das Programm und erklären den rund 700 Zuschau­ern im voll besetzten Festzelt die Vielfalt der Abtsdorfer Tracht: Kinder, junge Frauen und Männer, gebockelte Frauen, ein Hochzeitspaar und gestandene Männer im Kir­chenmantel präsentieren sich und ihre Tracht bei einer Modenschau auf der Bühne. Aus Süd­baden mit dabei ist die Siebenbürgische Volks­tanzgruppe Lörrach. Unter der Leitung von Hel­mut Untch führen die acht Paare neun Volks­tän­ze auf – darunter den Bändertanz, den die Abts­dorfer traditionell beim Kronenfest tanzen. Zur musikalischen Unterhaltung des Publikums treten auf das Abtsdorfer Trio Ingol­stadt unter der Leitung von Regine Müller und die 25-köpfige Siebenbürgische Blaskapelle Lands­hut mit ih­rem Leiter Erwin Arz. Neben „Genüssen für Aug’ und Ohr, Herz und Gemüt“ gibt es für die Besucher beim Sieben­bürgen-Nachmittag auch eine Köstlichkeit für den Gaumen. Vor dem Festzelt backen die fleißi­gen Helferinnen und Helfer aus Landshut Baum­striezel – die gehen weg wie warme Semmeln. Für die Sachsen ergeben sich viele Gelegenhei­ten, mit Besuchern der Landesgar­tenschau ins Gespräch zu kommen. In ihrer Tracht ziehen sie so manch neugierige Blicke der Passanten auf sich. „Wo kommt ihr denn her?“, fragen die Leu­te. Die wenigsten wissen von Siebenbürgen. So bietet der Siebenbür­gen-Nach­mittag die Gele­genheit, den vielen Besuchern der Landesgar­tenschau etwas von der Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen nahe zu bringen.

Gelungenes Abtsdorfer Treffen

Nach der Gestaltung des Siebenbürgen-Nach­mittags auf der Hauptbühne der Landesgarten­schau kamen rund 300 Abtsdorfer und deren Freunde im Festsaal des Kurhauses Bad Rap­penau zu ihrem 13. Nachbarschaftstreffen zu­sammen. Die Eröffnung und Begrüßung erfolgte durch Vorstandsmitglied Mathilde Melzer. Hochkarätige Ehrengäste waren zugegen: Doris Hutter, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sach­sen, Michael Konnerth, Vorsitzender des Verbandes siebenbürgisch-sächsischer Heimat­orts­gemeinschaf­ten, und Hans Heribert Blätt­gen, Oberbürger­meis­ter von Bad Rappenau. Letzterer überbrachte die Grüße der Stadt und würdigte die In­tegra­tions­leistung der Aussiedler, darunter zahlreicher Siebenbürger Sachsen, die in Bad Rappenau ei­ne neue Heimat gefunden haben und wesentlich zu ihrem Auf­stieg beitrügen.

Es ist eine gute Tradition, dass zu Beginn des Abtsdorfer Treffens eine kurze Andacht gehalten wird – dieses Jahr vom 29-jährigen Andreas Gross. Er hat am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission in Bad Liebenzell Theologie studiert und ist seit einem Jahr Gemeinschafts­prediger in Wassertrüdingen in Mittelfranken. In seiner Andacht sprach Gross über Heimat und Heimatlosigkeit. Musikalisch umrahmt wur­de die Andacht vom Gemischten Chor unter der Leitung von Mathias Untch. Die darauf folgende Totenehrung (insgesamt 19 Abtsdorfer sind in den letzten zwei Jahren verstorben) ließ manches Auge feucht werden.

Im Anschluss an die Andacht überbrachte Doris Hutter die Grüße von Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verban­des der Sieben­bürger Sachsen in Deutschland, und von Alfred Mrass, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg. Hutter war voll des Lobes „über das, was das kleine-große Abtsdorf auf der Fest­bühne der Landesgarten­schau gezeigt“ habe. Dem scheidenden Vorsitzenden Michael Kon­nerth wurde eine doppelte Ehrung zuteil – ob­gleich er krankheitsbedingt am Treffen nicht teil­nehmen konnte. Dafür war ein anderer Mi­chael Konnerth anwesend: der Vorsitzende des Verbandes siebenbürgisch-sächsischer Heimat­ortsgemeinden (HOG). Er verlieh seinem Na­mensvetter die Ehrennadel in Gold des HOG-Ver­bandes für jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement im Dienste der Abtsdorfer Nach­barschaft. Die zweite Ehrung erhielt Michael Konnerth von der Nachbarschaft. Auf Antrag von Erwin Arz, Vorstandsmitglied, wurde Konnerth „als Aner­kennung und Dank für außergewöhnliche Leistungen“ einstimmig zum Ehren-Nach­barvater auf Lebenszeit gewählt. Konnerth habe die hiesige Abtsdorfer Nachbarschaft seit ihrer Grün­dung 1984 bis heute in seiner Eigenschaft als Nachbarvater wesentlich geprägt und zu einer festen Größe unter den rund 200 siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland gemacht. Den Dankesworten schloss sich die Nach­bar­schaft mit einem schönen Blumenstrauß an, den seine Gattin Rosi entgegennahm. Geehrt wurde außerdem Johanna Schuster, die Kassiererin der Nachbarschaft, für ebenfalls 24 Jahre engagierten Dienstes für die Nachbarschaft. Johan­na Schuster und ihr Mann Michael waren – wie bei den vorigen Treffen – die fleißigen Or­ga­ni­satoren des Abtsdorfer Treffens, die mit unermüdlichem Einsatz für das Gelingen des Pro­gramms am Nachmittag wie am Abend sorgten.

Beim Treffen traf auch das neue Abtsdorfer Ortsfamilienbuch druckfrisch ein. Michael Kon­nerth hat in den vergangenen Jahren unter Mit­arbeit von Johanna Schuster über die vielen Generationen von Abtsdorfern geforscht. In dem 724 Seiten umfassenden Werk ist die Bevölke­rung von Abtsdorf detailliert aufgeführt, die Da­ten reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Das Ortsfamilienbuch kann bei Johanna Schus­ter, Dr.-Eisenreiter-Weg 1, 84359 Simbach/Inn, Te­le­fon: (0 85 71) 34 74, für 75 Euro, zuzüglich 7 Euro Versandspesen, bestellt werden.

Anschließend hatten die Abtsdorfer Zeit und Muße, beim gemütlichen Beisammensein Er­in­nerungen und Neuigkeiten auszutauschen, wäh­rend das Tanzorchester „Duo Strings“ bis spät nach Mitternacht für Un­terhaltung sorgte.

Es war ein anstrengender, aber sehr schöner Tag in Bad Rappenau, an den die Abtsdorfer noch lange und gerne zurückdenken werden. Dank allen, die zu seinem Gelingen beigetragen haben.

Michael Gross und Johanna Schuster

Schlagwörter: HOG-Treffen, Öffentlichkeitsarbeit

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