23. Januar 2014

Thomas Gerlach, letzter Generalkonsul in Hermannstadt: "Unterstützung der deutschen Minderheit war Herzenssache"

Sieben Jahre als deutscher Generalkonsul in Hermannstadt haben „tiefe und bleibende Eindrücke“ bei ihm und seiner Frau hinterlassen, meint Thomas Gerlach, der sich am 5. Januar offiziell verabschiedete. Künftig wird er das deutsche Generalkonsulat in Izmir leiten. Mit seinem Weggang wird das Hermannstädter Generalkonsulat vom Auswärtigen Amt abgestuft zum Konsulat, das künftig von Judith Urban geleitet wird. Über seine Tätigkeit in Siebenbürgen sprach Gerlach mit SbZ-Korrespondent Holger Wermke (das Interview erschien in ähnlicher Form auch in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien).
Sie waren bereits zwischen 2005 und 2007 Generalkonsul in Hermannstadt. Warum haben Sie sich ein zweites Mal nach Siebenbürgen entsenden lassen?
Der erste Aufenthalt war mit zweieinhalb Jahren eigentlich etwas zu kurz. Als der Posten im Sommer 2009 neu besetzt werden musste, wurde meine Bereitschaft zu einer „zweiten Runde“ positiv aufgenommen. Im Auswärtigen Amt war man offensichtlich der Meinung, dass ich für Hermannstadt geeignet sei.

Zu Ihren konsularischen Aufgaben gehörte die Unterstützung der deutschen Minderheit in Siebenbürgen. Wie gestalteten sich Ihre Beziehungen zu den Vertretern des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien mit Hauptsitz in Hermannstadt?
Die Unterstützung der deutschen Minderheit ist eine der Hauptaufgaben der deutschen Vertretung. Dies war mir von Anfang an weniger eine dienstliche Pflicht als eine Herzenssache. Das Verhältnis zu den Vertretern des Deutschen Forums, sei es auf Landesebene oder innerhalb Siebenbürgens oder auch darüber hinaus, war von Anfang an stets und ausnahmslos vertrauensvoll und freundschaftlich. Das Gleiche gilt übrigens auch für die vielen Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammenarbeiten durfte. Kurz zusammengefasst: Die Beziehungen waren durchgehend von gegenseitigem Wohlwollen im Dienste einer gemeinsamen Sache geprägt.

Die wichtigste Auszeichnung seiner Karriere, ...
Die wichtigste Auszeichnung seiner Karriere, die Honterus-Medaille, erhielt Thomas Gerlach im Juni 2013, auf dem Bild mit Klaus Johannis (links) und Martin Bottesch (rechts). Foto: Holger Wermke

Für „besondere Verdienste um den Zusammenhalt der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaften“ erhielten Sie im März 2013 die Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums. Wie haben Sie die sächsischen Rest-Gemeinschaften in Siebenbürgen erlebt?
Ein Wort voraus: Die Honterus-Medaille ist die wertvollste Auszeichnung, die ich im Laufe meines Berufslebens erhalten habe. Die vielen Siebenbürger Sachsen, die ich kennengelernt habe, machten auf mich insgesamt den Eindruck einer voll integrierten, aber andererseits doch auf Eigenständigkeit bedachten Bevölkerungsgruppe mit gut entwickeltem Selbstwertgefühl. Dadurch, dass ihre Identität bewahrt und gepflegt wird, kann die Minderheit innerhalb des rumänischen Staatsverbandes ihre gar nicht hoch genug einzuschätzende Funktion als „Brückenbauer“ erfüllen. Ich wünsche den Siebenbürger Sachsen, wie den Deutschen in Rumänien allgemein, dass sie diese Rolle noch viele Jahrzehnte spielen werden!

Sie begleiteten zahlreiche Delegationen deutscher Politiker durch Siebenbürgen ...
Insgesamt dürften es gut 50 Delegationen und Einzelreisende gewesen sein, darunter im Jahre 2007 der damalige Bundespräsident Horst Köhler und im Jahre 2010 Bundeskanzlerin Angela Merkel in Klausenburg sowie Außenminister Guido Westerwelle und Ministerpräsident Horst Seehofer in Hermannstadt. Einige treue Freunde Siebenbürgens wie Frau Bundestagsvizepräsidentin a.D. Dr. Susanne Kastner, den hessischen Landtagspräsidenten Norbert Kartmann oder den Bundestagsabgeordneten Dr. Christoph Bergner, bis vor kurzem Beauftragter der Bundesregierung für deutsche Minderheiten im Ausland und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, habe ich immer wieder bei ihren Besuchen betreuen dürfen. Der Bundesversitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., MdB Dr. Bernd Fabritius, braucht natürlich keine Betreuung in seiner Heimat, aber ich habe immer sehr den Austausch mit ihm geschätzt, zumal einige der Delegationen auf seine Initiative hingekommen waren und von ihm persönlich begleitet wurden.

Welche Themen spielten bei diesen Besuchen eine besondere Rolle?
Die Themen waren je nach Besuchern unterschiedlich: oft waren es die Wirtschaftsbeziehungen, manchmal eher die kulturellen Beziehungen, aber immer waren die Entwicklung der Integration Rumäniens in die EU und die Lage und Rolle der deutschen Minderheit wichtige Themen.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis von ausgewanderten und noch in Siebenbürgen lebenden Sachsen?
Ich sehe dabei vor allem kein „Wir hier“ – „Sie dort“. Da praktisch alle hier lebenden Siebenbürger Sachsen Familienangehörige vor allem in Deutschland haben, besteht ein sehr enger Kontakt, der den Ausgewanderten die Verbundenheit mit der alten Heimat erleichtert. Besonders beeindruckt hat mich das große Engagement der HOGs im sozialen und kulturellen Bereich, das ich oftmals bei Begegnungen in Siebenbürgen erlebt habe. Nach meinem Eindruck nimmt das Interesse der im Ausland geborenen Siebenbürger Sachsen an ihren Wurzeln eher noch zu.

Gab es in Ihrer Amtszeit Veranstaltungen oder Ereignisse, an die Sie sich besonders gern erinnern?
Unvergesslich bleiben wird meiner Frau und mir der Jahreswechsel 2006/2007, als Oberbürgermeister Johannis in der Silvesternacht auf dem großen Ring die Aufnahme Rumäniens in die EU und den Beginn des Kulturhauptstadtjahres verkündete. Im Grunde war jeder offizielle Besuch aus Deutschland für mich ein positives Ereignis – bot doch jeder Besuch die Gelegenheit, den ganz unterschiedlichen Multiplikatoren aus Deutschland ein zutreffenderes und faireres Rumänienbild zu vermitteln.

Mit Ihrer Abberufung führt das Auswärtige Amt das Generalkonsulat nur noch Konsulat weiter. Sind Befürchtungen berechtigt, der Fortbestand der konsularischen Vertretung Deutschlands in Siebenbürgen sei auf längere Sicht gefährdet?
Der geringere Personalbestand führt logischerweise dazu, dass nicht mehr im gleichen Umfang Aktivitäten durchgeführt werden können. Das Team des Konsulats wird sich noch mehr als bisher schon auf das Wesentliche beschränken, aber auf diese Weise auch die politisch gewünschte deutsche Präsenz im wichtigen Landesteil Siebenbürgen sicherstellen. Nach meiner Einschätzung sollte dieses Modell eine ganze Weile gültig bleiben. Was in 20 Jahren sein wird, weiß natürlich heute niemand.

Ein Wort zu Judith Urban, die das künftige Konsulat leiten wird …
Mit Frau Urban hat am 6. Januar eine sehr erfahrene Kollegin die Leitung übernommen, die bereits seit eineinhalb Jahren in die Aufgabe hineingewachsen ist und aufgrund ihrer früheren Tätigkeit an der Botschaft Bukarest vor allem die deutsche Minderheit und ihre Fragestellungen sehr gut kennt. Ich bin sicher, dass Frau Urban als „deutsche Konsulin für Siebenbürgen“ die Erwartungen an Unterstützung und Visibilität glänzend erfüllen wird.

Sie und Ihre Frau haben sich auch kulturell und sozial engagiert …
Vor allem die Schulen lagen mir als „gelerntem Studienrat“ besonders am Herzen. Bei der Aushändigung eines Teils der jährlich ca. 600 Deutschen Sprachdiplome habe ich in Hermannstadt und anderen Städten Siebenbürgens viele erfrischende und optimistisch stimmende Begegnungen mit jungen Menschen gehabt. Ähnliches gilt für die Besuche an deutschsprachigen Studiengängen z.B. an Klausenburger Universitäten. Rumänien hat ein großes Potential an gut ausgebildetem deutschsprachigem Nachwuchs und so auch hier beste Grundlagen für die weitere enge Zusammenarbeit unserer beiden Länder und Völker.

Für meine Frau war das soziale Engagement zusammen mit anderen Frauen ein großes Bedürfnis und es hat natürlich allen Beteiligten Freude gemacht. Die „Besseren Hälften“ haben die Erlöse aus insgesamt acht Basaren bewusst Kindergärten der rumänischen Mehrheitsbevölkerung gewidmet, um sich so erkennbar ins Hermannstädter Gemeinschaftsleben zu implizieren. Für meine Frau wäre es die schönste Anerkennung, wenn das „Kaffeetrinken für den guten Zweck“ fortbestehen würde.

Was sagen Sie Ihren Landsleuten, denen Sie die Vorzüge der Region erklären?
Man kennt nicht Rumänien, wenn man nur Siebenbürgen erlebt, aber man kennt Rumänien nicht, wenn man sich nicht auch intensiv in Siebenbürgen umgesehen hat. Ganz allgemein ist Rumänien viel besser als sein Ruf, und dies überprüft man am besten mit einer Reise hierher. In Siebenbürgen finden Sie Natur und Kultur, Ruhe und „Action“, aber vor allem Menschen mit Ernsthaftigkeit und Tiefgang, die zu verlässlichen Freunden werden können.

Bleiben Sie Siebenbürgen auch in Zukunft verbunden?
Wir haben uns vorgenommen, unser geliebtes Hermannstadt nach Möglichkeit mindestens einmal im Jahr zu besuchen, vielleicht auch öfter. Da ich gerne mit dem Auto unterwegs bin, wird uns die Vollendung der Autobahn nach Nădlac dabei helfen. Und natürlich werde ich sehr sorgfältig alle Berichte über Rumänien und die Region verfolgen, abgesehen vom täglichen Blick auf den Großen Ring durch die Web-Cameras! Dass ich, wo immer möglich, die Werbetrommel für Siebenbürgen rühren werde, ist für mich Ehrensache!

Schlagwörter: Politik, deutsch-rumänische Beziehungen, Hermannstadt, Forum

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