3. August 2014

„Eine wichtige Autorin“: Volker Ladenthin über Karin Gündisch, Siebenbürgen und sein neues Buch

„Als ich die ersten Zeilen gelesen hatte, spürte ich etwas Besonderes. Hier erzählte jemand mit einer eigenen Stimme, in einem eigenen Ton etwas Unerhörtes. (…) Ihre Sprache nimmt den Leser spielend in den Text, gibt ein Versprechen, das mich nicht bei jedem Autor ergreift. Und so wollte ich vom ersten Leseerlebnis an möglichst viele andere Leser auf diese Autorin aufmerksam machen.“ Das schreibt Volker Ladenthin im Vorwort seines vor kurzem erschienenen Buchs „Was im Gedächtnis bleiben soll. Das literarische Werk von Karin Gündisch“ über die 1948 in Heltau geborene, seit 1984 in Deutschland lebende Autorin. Der Professor für Historische und Systematische Erziehungswissenschaft lehrt an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit Karin Gündischs Werk; ihr im vergangenen Jahr erschienenes Jugendbuch „George oder Vom aufrechten Gang des Menschen“ hat er in dieser Zeitung besprochen (SbZ Online vom 18. August 2013). Diese und 19 weitere zum Teil eigens für das vom Schiller Verlag herausgegebene Buch geschriebene Betrachtungen zu allen bisher erschienenen Büchern der bekannten siebenbürgischen Autorin beinhaltet Ladenthins Veröffentlichung, was allein schon als chronologischer Überblick wertvoll ist. Wie er Karin Gündisch entdeckt hat und warum er unbedingt nach Siebenbürgen reisen möchte, erzählt Volker Ladenthin in einem Gespräch mit Doris Roth.
Prof. Ladenthin, wann und wie sind Sie auf die siebenbürgische Autorin Karin Gündisch und ihre Bücher aufmerksam geworden?
Ich suchte nach einem erzählenden Buch für unseren heranwachsenden Sohn, das aber nicht vordergründig belehrend war, sondern etwas erzählte, was er nicht kannte, eine fremde Welt erschloss. Ich blieb im Buchladen bei dem Titel „Im Land der Schokolade und Bananen“ hängen; das Thema war ungewöhnlich und bereits die ersten Sätze in einer wunderbar klaren und zugleich kindgerechten Sprache geschrieben. Ich nahm das Buch mit, habe es erst selbst gelesen, habe es sofort zum zweiten Mal gelesen, dann darüber geschrieben – und dann erst an meinen Sohn weitergereicht.

Volker Ladenthin, „Was im Gedächtnis bleiben ...
Volker Ladenthin, „Was im Gedächtnis bleiben soll. Das literarische Werk von Karin Gündisch“, Schiller Verlag, Hermannstadt/Bonn, 2014, 143 Seiten, 9,70 Euro, ISBN 978-3-944529332.
Was hat Sie dazu bewogen, gerade jetzt ein Buch über Karin Gündisch zu schreiben?
Ich hatte 1987 angefangen, Kinderbuchrezensionen zu schreiben – und war auf der Suche nach Büchern, die anders waren als das Übliche. Also keine „Phantasie“geschichten (deren Phantastik sehr vorhersehbar war), keine Spannungsgeschichten (die nur gängige Genres im Kinderformat präsentieren), keine anbiedernde Sprache (die schon nach ein paar Jahren überholt war). Dadurch entstand eine enge und lange Beziehung zu den Werken von Frau Gündisch. Schon sehr früh dachte ich daran, die Texte, die ich geschrieben hatte, zusammenzustellen. Der 65. Geburtstag von Frau Gündisch (im April 2013, Anm. d. Red.) war für mich Anlass, mich noch einmal auch mit jenen Arbeiten zu beschäftigen, die ich bisher nicht kannte. Ich wollte auf eine wichtige Autorin hinweisen, die eben nicht nur einzelne Bücher vorgelegt, sondern ein Werk geschaffen hat. Dadurch habe ich das Gesamtwerk noch einmal ganz anders gesehen. Da passte ja alles zusammen! So ein Gesamtwerk kann man nicht in einem Aufsatz darstellen, dazu braucht man mehr Platz – also ein Buch.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Schiller Verlag?
Ich wollte unbedingt in dem Verlag publizieren, in dem Frau Gündisch eine verlegerische Heimat gefunden hatte. Zudem dachte ich, dass der Verlag mit seinen beiden Standorten Bonn und Hermannstadt genau das symbolisiert, was mir wichtig war: die Einheit der europäischen Kultur. Und schließlich konnte ich so die deutschen UND die rumäniendeutschen Leser erreichen. Außerdem macht der Verlag wunderbare Bücher, die Gestaltung gefällt mir außerordentlich; in einem solchen Verlag publiziert man gerne.

Spielen Karin Gündischs Bücher eine Rolle in Ihren Vorlesungen und Seminaren? Empfehlen Sie sie Ihren Studenten? Wenn Deutschstudenten nach Kinderbüchern fragen, dann empfehle ich Gündisch, wenn das Thema passt. Allerdings lehre ich Erziehungswissenschaft – und da sind die Gelegenheiten, auf Kinder- und Jugendliteratur zu verweisen, eher gering, da ich Studierende aus allen Universitätsfächern in meinen Seminaren und Vorlesungen sitzen habe.

Was wissen Sie über Siebenbürgen? Was verbinden Sie mit diesem Land?
Ich weiß immer noch viel zu wenig – trotz einer Dissertation über die Diakonie in Siebenbürgen (von Astrid Wölfel), die bei mir geschrieben wurde. Anfangs wusste ich fast gar nichts über Siebenbürgen, nur, was man als Geschichtsstudent so lernt, aber durch die Bücher von Frau Gündisch habe ich eine ganz große ideelle Nähe zu Land und Leuten, zur Geschichte und zur Schönheit und Tragik dieses Kulturkreises erworben. Die Andersartigkeit gab die Möglichkeit, das Eigene zu überdenken – und die Nähe und Ähnlichkeit waren der Anlass, auch die deutsche Geschichte anders zu verstehen. Ich fühle mich durch das neue Wissen unglaublich bereichert, mein Weltverständnis hat sich vergrößert und ausdifferenziert. Ich warte dringend auf etwas mehr freie Zeit, damit ich endlich auch nach Siebenbürgen reisen kann.

Vielleicht berichten Sie uns dann von Ihren Eindrücken. Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Kultur, Interview, Karin Gündisch, Sachbuch

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