3. Januar 2016

"Dem Zahn der Zeit zum Trotz" – Faszination Kirchenburgen

Die Kirchenburganlagen in Siebenbürgen sind ein besonderes Kulturerbe Europas. Ihrem Erhalt haben sich Alexander Kloos, geboren am 30. Dezember 1975 in Bukarest, und Georg Fritsch, geboren am 28. November 1967 in Vöcklabruck in Oberösterreich, verschrieben. Beide haben siebenbürgische Wurzeln und engagieren sich, neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Mediendesigner mit Bachelor of Arts bzw. als Sales Manager, für die Restauration der siebenbürgischen Kirchenburganlagen. Obwohl Fritsch in der Rosenau bei Seewalchen am Attersee/Oberösterreich und Kloos in Frankenthal/Pfalz aufgewachsen ist, fühlen sie sich den Denkmälern in Siebenbürgen geradezu liebevoll verbunden. Alexander Kloos ist Vorsitzender und Georg Fritsch stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Kulturerbe Kirchenburgen“, der auch im Internet unter www.kulturerbe-kirchenburgen.de und in sozialen Netzwerken aktiv ist. Christine Hauptkorn sprach mit Kloos und Fritsch über den Verfall der Kirchenburgen und die Projekte des 2015 gegründeten Vereins.
Mit dem Verein „Kulturerbe Kirchenburgen“ setzen Sie sich als Vorsitzender für Kirchenburganlagen, Friedhöfe und Pfarrhäuser ein. Was motiviert Sie persönlich und hat Sie zur Vereinsgründung angetrieben?
Kloos: Dadurch, dass ich schon mit vier Jahren ausgewandert bin, fehlt mir quasi jede Kindheitserinnerung an Rumänien. Als ich die sächsischen Kirchenburgen vor knapp zehn Jahren zum ersten Mal richtig wahrgenommen habe, war es Liebe auf den ersten Blick, als ob sie mich erwartet hätten, um mir ihre bewegte Geschichte mitzuteilen. Mich fasziniert auch, dass sie nach bis zu 750 Jahren, trotz aller Kriege, dem Zahn der Zeit zum Trotz, immer noch stehen. Sie wurden fast bis in die 90er Jahre in Stand gehalten. Umso schwerer trifft mich der schnelle und stetige Verfall vieler Anlagen. Nach einigen Jahren entschloss ich mich dann, auch nicht länger zuzusehen, sondern zu handeln. Ich fand Gleichgesinnte und wir gründeten den Verein.
Restaurationsarbeiten an der Kirchenburganlage in ...
Restaurationsarbeiten an der Kirchenburganlage in Felldorf. Foto: Georg Fritsch
Auf der Vereinshomepage sieht man T-Shirts mit der roten Aufschrift „Kulturerbe Kirchenburgen SOS“. Sind die Kirchenburgen in Siebenbürgen als Kulturerbe Europas gefährdet? Fritsch: Sie sind zum Teil sogar sehr stark gefährdet, wobei wir die mittelalterlichen Dorfkirchen ohne Wehrcharakter ebenso als besonders schützenswert erachten. Neben den gut erhaltenen Klassikern wie Tartlau, Honigberg, Birthälm, Deutsch-Weißkirch, Michelsberg, Meschen u.a. gibt es noch eine Reihe stärker frequentierter Objekte, die auch im Fokus der EU-Projekte stehen. Auch müssen ca. 15% der Fördersumme von der Gemeinde oder einem Verein gestellt werden, sonst gibt es keine Förderung. Das ist aber nicht unbedingt mit architektur- und kunsthistorischer Wertigkeit verbunden. Dieses Glückes erfreut sich aber nur schätzungsweise ein Viertel der Baudenkmäler. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien und die wenigen verbliebenen Sachsen können die über 200 besagten Anlagen kaum erhalten. Es gibt einige Heimatortsgemeinschaften, die sich stark für ihre Kirchen einsetzen. Aber die mehrheitliche Unterstützung der ausgewanderten Sachsen aus Deutschland und anderen Ländern fällt leider viel zu gering aus und beschränkt sich oft nur auf die Pflege der Friedhöfe. So bleibt der größte Teil dieser einzigartigen Denkmale seinem traurigen Schicksal überlassen. Durch marode Dächer und fehlende Drainagen dringt Wasser in das Mauerwerk, Decken stürzen ein und Wehranlagen verfallen.

Wie können Sie sich als Mediendesigner in die Vereinsarbeit einbringen?
Kloos: Von Berufs wegen kann ich schnell Produkte wie Homepage, Broschüren, Geschäftssachen umsetzen, aber auch Ausstellungen und Messen konzipieren, Marketingkonzepte und Vernetzungsideen mit einfließen lassen. Auch Funding ist ein wichtiges Thema. So haben haben wir jetzt unsere erste Benefizveranstaltung in Form einer Fotoausstellung mit Vortrag und musikalischer Begleitung in Zürich/Witikon erfolgreich durchgeführt, weitere Ausstellungen stehen an.
Arbeiten im Inneren der Kirche in Felldorf. ...
Arbeiten im Inneren der Kirche in Felldorf. Fotos: Georg Fritsch
Beim Projekt „Kirchenburg Dobring“ wurde das Dach repariert, es wurden Wandmalereien und Ornamente aufgedeckt. Das sind komplexe Vorgänge. Wie koordinieren Sie von Ihrem Wohnsitz aus den Einsatz der Fachkräfte und die Finanzierung? Kloos: Die Einsätze werden stets vor Ort, begleitet von Fachleuten, initialisiert und können dann zum Teil auch durch unsere Mitglieder und Freiwilligen vor Ort weitergeführt werden. Jedem Projekt geht eine Begutachtung eines Architekten, Restauratoren, Zimmermeisters etc. voraus. Somit verfügen wir über ein solides fachliches Konzept, das dann ausgeführt werden kann. Ebenfalls arbeiten wir mit einem wissenschaftlichen Beirat aus Fachleuten zusammen. Kooperationen mit dem Restauratoren Lorand Kiss vom „ARCUS Verein“ oder der Kunsthistorikerin Dr. Ileana Burnichioiu von der Universität 1 Decembrie aus Karlsburg (Alba Iulia) helfen uns dabei, das fachliche Niveau zu halten.
Fritsch: So konnten wir bereits beim „Phoenix Projekt“ in Felldorf umfangreiche Erfahrungen bei recht komplexen baulichen Vorgängen sammeln. Auch arbeiten wir stets nach den Richtlinien des Denkmalschutzes, indem wir unsere Projekte bei der „Direcția județeană pentru Cultură“ einreichen. Da wir auch Unterstützung auf freiwilliger Basis erhalten, können wir die Kosten bei kleineren Reparaturen minimieren.

Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, Fachkräfte in den bauhandwerklichen Berufen an den „lebenden Objekten“ vor Ort in Siebenbürgen zu qualifizieren. Wie passiert dies?
Kloos: Zum einen geht es um die Kooperation mit deutschen Berufsschulen, wie das „Erasmus+“ Projekt der Theodor-Frey-Schule Eberbach, geleitet von Zimmermeister Fabian Fahr. An den Kirchenburgen haben deutsche Auszubildende im Zimmererhandwerk die Möglichkeit, die traditionellen Handwerkstechniken zu erlernen und anzuwenden, und können so zu ihrem Erhalt beitragen. In der Jugendbauhütte in Pretai können rumänische Jugendliche sich innerhalb eines sechsmonatigen Kurses handwerklich ausbilden lassen und eine anerkannte Qualifikation erwerben. Diese Konzepte lassen sich ausweiten, und es ist noch viel Potential auszuschöpfen.
Fritsch: Da es in Rumänien an qualifizierten Fachkräften mangelt, scheint uns das besonders wichtig. Die Notwendigkeit erkennt man, wenn man die vielen unfachmännisch ausgeführten Reparatur- und Restaurierungsarbeiten sieht, was dem Erhalt des Bauwerks schadet und dem Vermächtnis nicht gerecht wird. Das ist auch ein Grund, weshalb wir zusammen mit dem ARCUS Verein und dem Architekten Klaus Birthler aus Sächsisch Regen planen, ein Restaurationszentrum in Felldorf aufzubauen
SOS Kulturerbe Kirchenburgen“ beim Einsatz in ...
SOS Kulturerbe Kirchenburgen“ beim Einsatz in Dobring. Foto: Alexander Kloos
Welche Objekte stehen aktuell auf der „Roten Liste“ des Vereins? Kloos: Die „Rote Liste“ befindet sich noch im Aufbau. Sie umfasst im Moment nur einen geringen Teil der stark bedrohten Kirchenburgen und mittelalterlichen Dorfkirchen. Im Fokus für kleinere Soforthilfe bzw. SOS Projekte stehen beispielsweise Anlagen wie Neudorf, Magarei, Streitfort, aber auch Fresken wie die in Bonnesdorf und Schmiegen. Mindestens kleinere Dachreparaturen sind fast überall notwendig, da das Dach eine zentrale Rolle beim Schutz der Bausubstanz spielt.

Wo sehen Sie den Verein und dessen Vorhaben in der Zukunft?
Fritsch: Wir müssen hier positiv denken und retten, was zu retten ist: Jede verlorengegangene Kirche oder Kirchenburg ist ein ebenso unwiederbringlicher wie unnötiger Verlust. Wir hoffen, uns in Zukunft auch international vernetzen zu können, um auf möglichst viel Unterstützung zurückgreifen zu können. Auch möchten wir intensiv mit den HOGs, den Bezirkskonsistorien und anderen Organisationen, wie z.B. der „Stiftung Kirchenburgen“, zusammenarbeiten, sei es aktiv in konkreten Projekten oder auch durch Beratung, konzeptionelle und administrative Unterstützung. Wir würden uns freuen, regelmäßig in dieser Zeitung über Fortschritte und neue Projekte berichten zu dürfen.

Das können Sie gerne tun. Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Schlagwörter: Kultur, Kirchenburgen, Renovierung

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  • 08.01.2016, 13:24 Uhr von SBS aus BW: Dazu möchte ich ergänzen, dass ich (und viele andere) schon seit Jahren auf die große ... [weiter]
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