5. Juli 2018

Engagierte Fürsprecherin der Siebenbürger Sachsen: Interview mit der bayerischen Aussiedlerbeauftragten Sylvia Stierstorfer

Sylvia Stierstorfer hat seit dem 21. März 2018 das von der Bayerischen Staatsregierung neu geschaffene Amt als Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene inne. Die 1963 in Regensburg geborene CSU-Politikerin, seit 2003 Landtagsabgeordnete des Stimmkreises Regensburg-Süd, nahm als Ehrengast am diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl teil (siehe Grußwort in der SbZ Online). Ihr Büro als Aussiedlerbeauftragte bezog sie vor wenigen Tagen im Bayerischen Sozialministerium, Winzererstraße 9, in München. Im folgenden Interview mit Siegbert Bruss, Chefredakteur dieser Zeitung, sicherte sie den Siebenbürger Sachsen ideelle Hilfe, aber auch konkrete Fürsprache zu, damit ihre wertvolle Kultur- und Jugendarbeit auch in Zukunft angemessen gefördert wird.
Welche Ziele verfolgen Sie als neue Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene?

Die Heimatvertriebenen haben einen ganz wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau Bayerns geleistet und gemeinsam mit den Aussiedlern erheblich zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Sie haben unser Land kulturell bereichert. Dafür verdienen sie unseren Dank und unsere Wertschätzung. Ich möchte den Menschen in Bayern – von denen im Übrigen mehr als jeder Dritte selbst Vertriebener oder Aussiedler ist oder von ihnen abstammt – näherbringen, wie sehr die Aussiedler und Vertriebenen unser Land geprägt haben und wie wertvoll ihr Beitrag für Bayern ist. Und ich werde mich ihrer Anliegen und Sorgen annehmen, eine „Kümmerin“ sein.
Mein Ziel ist es, öffentliches Bewusstsein für Geschichte und Kultur der Vertriebenen und Aussiedler zu wecken und ihren Anliegen und Interessen Gehör zu verschaffen. Außerdem möchte ich gemeinsam mit den Aussiedlern und Vertriebenen die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den Ländern und Gebieten, aus denen Deutsche vertrieben wurden oder ausgesiedelt sind, vertiefen. Sie sind hier die geborenen Vermittler, weil sie ihre Herkunftsländer und die dort lebenden Völker und Menschen kennen und verstehen und ihre alte Heimat lieben. Gerade in einer Zeit, in der sich Nord und Süd, Ost und West innerhalb der Europäischen Union immer mehr zu entfremden drohen, ist Vertriebenenpolitik heute gelebte Europapolitik.
Bundesvorsitzende Herta Daniel, die bayerische ...
Bundesvorsitzende Herta Daniel, die bayerische Aussiedlerbeauftragte Sylvia Stierstorfer und siebenbürgisch-sächsische Trachtenträger aus Ingolstadt (von rechts nach links) beim Bayerischen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 24. Juni 2018 in München. Foto: Irina Leicht-Angermann
„Ohne die Siebenbürger Sachsen wäre Bayern weniger reich, als es heute ist“, haben Sie in Ihrem Grußwort beim Heimattag am 19. Mai in Dinkelsbühl gesagt. Welche Bedeutung messen Sie diesem Pfingsttreffen bei?

Das Pfingsttreffen war ein hervorragender Beleg dafür, wie sehr sich die Aussiedler und Vertriebenen aus Siebenbürgen als Bayern fühlen ohne ihre aus der alten Heimat überkommene Identität aufgegeben zu haben. Sie sind gleichzeitig Siebenbürger und Bayern, und in ihrer Brückenfunktion eine große Bereicherung für den Freistaat. Die Siebenbürger Sachsen haben unser Land durch ihren Mut, ihr Engagement, ihren Arbeitswillen und ihre Kreativität enorm vorangebracht und gleichzeitig sehr viel für den Erhalt und die Pflege der deutschen Kultur in Rumänien getan.
Dabei ist die siebenbürgisch-sächsische Kultur längst auch Teil der bayerischen Kultur. Das hat der Heimattag eindrucksvoll gezeigt, und es ist wichtig und unverzichtbar, immer wieder daran zu erinnern, wie reich und vielfältig die deutsche Geschichte und Kultur im Osten Europas gewesen ist – und noch immer ist. Vor allem aber gilt es, das Wissen um die alten Traditionen und Bräuche, das Kulturerbe aus der Heimat, auch an die jüngere Generation weiterzugeben. Ich bin immer wieder beeindruckt von der großartigen Jugendarbeit der Siebenbürger, und davon, wie einnehmend sie den Menschen in Bayern auf ihren Pfingsttreffen ihre Kultur präsentieren.

Sie sehen sich als „Kümmererin“ der Vertriebenen und Aussiedler. Durch welche konkreten Maßnahmen wollen Sie die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung für diese wichtigen Bevölkerungsgruppen in Bayern fördern?

Da habe ich eine ganze Reihe von Ideen. Ich beabsichtige, gemeinsame Veranstaltungen von in Bayern lebenden Deutschen aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie Einheimischen zur Förderung der Begegnung und des Kulturaustauschs durchzuführen. Außerdem werde ich in alle Regionen Bayerns gehen, um dort in Reden und Gesprächen für die Sache der Aussiedler und Vertriebenen zu werben und der alteingesessenen Bevölkerung zu schildern, welchen hervorragenden Beitrag diese Menschen für das Wohlergehen Bayerns leisten und wie sehr sie uns auch kulturell bereichert haben. Dafür möchte ich auch prominente Aussiedler und Vertriebene als Multiplikatoren und Brückenbauer gewinnen. Selbstverständlich werde ich auch in den sozialen Medien aktiv sein und plane dort eine eigene Dialogplattform.
Leider wissen unsere Kinder und die jungen Leute generell nur noch wenig über die deutsche Geschichte und das deutsche Kulturerbe im Osten. Das muss sich ändern. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass dieses Thema wieder verstärkt Eingang in unseren Schulunterricht – aber auch in die Erwachsenbildung – findet. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass wir auch Lehrstühle an unseren Hochschulen brauchen, die sich ganz konkret mit der Geschichte und Kultur der Deutschen im Osten Europas und mit ihrem Schicksal im Zuge von Vertreibung und Aussiedlung befassen.

Welches sind Ihre Vorhaben im kulturellen Bereich und in der Jugendarbeit?

Kultur- und Jugendarbeit sind zunächst einmal Sache der Landsmannschaften. Darin werden sie von der Staatsregierung unterstützt. Als Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene verfüge ich über keine eigenen Mittel zur institutionellen Förderung. Mein Auftrag ist es, die Aussiedler und Vertriebenen – und ihre Organisationen, Vereine und Verbände – ideell zu unterstützen, und mich auch politisch für ihre Interessen und Belange einzusetzen. Dabei können Sie jederzeit auf mich zählen, und ich freue mich sehr darauf, Kulturveranstaltungen der Heimatvertriebenen und Aussiedler zu besuchen. Natürlich liegt mir Ihre Jugendarbeit als Arbeit für die Zukunft, für Begegnung, Verständigung und Kulturpflege sehr am Herzen, und ich werde mich energisch dafür einsetzen, dass dieses Engagement mehr Unterstützung findet.

Am 12. Juni haben Sie ein Gespräch mit Vertretern des BdV und der Landsmannschaften in Bayern geführt. Werner Kloos, Vorsitzender des Landesverbands Bayern, hat angeregt, dass die kulturelle Breitenarbeit der Siebenbürger Sachsen künftig mit einer festen Summe gefördert wird. Wie kann diese Kulturarbeit in Zukunft noch besser als bisher unterstützt werden?

Als Aussiedler- und Vertriebenenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung setze ich mich natürlich dafür ein, dass die Förderung der Kulturarbeit der Vertriebenenverbände verstetigt wird. Da können Sie sich auf meine Fürsprache verlassen. Neben der finanziellen Förderung ist aber auch die ideelle Förderung sehr wichtig. Ich nehme sehr gerne an Kulturveranstaltungen der Siebenbürger Sachsen teil und halte es für wichtig, dass auch die Öffentlichkeit stärker als bisher darüber informiert wird. Dazu möchte ich – in Zusammenarbeit mit dem BdV – meinen Beitrag leisten.

Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Ihrer Arbeit!

Schlagwörter: Politik, Aussiedlerfragen, Bayern, Kulturförderung, Vertriebene und Aussiedler

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Neueste Kommentare

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