28. Oktober 2019

Zum Tode Wilhelm Zeidners - Immerwährendes Thema: Siebenbürgen

Die Art, wie er Wilhelm Zeidner (1927-2019) kennenlernte, blieb Hans Bergel, dem Autor des folgenden Nachrufes, unvergessen. Innerhalb von Sekunden veranschaulichte sie ihm seine Persönlichkeit. Es war der Beginn einer Freundschaft, die trotz ruppiger, ja dorniger Lebensläufe vorhielt.
Unzufriedenheit, Unruhe im Land – Angst vor der Nachahmung der Herbst-1956-Revolte der Ungarn, Emigrationsdrang der Deutschen u.a. hatten die Bukarester Regierung zur Tauwettertaktik bewogen: „Besänftigungen“ kultureller Natur, aber auch das Dekret 81 betreffend die Rückgabe massenhaft enteigneter deutscher Bauernhöfe; für Siebenbürgen mit den rund 250000 Deutschen war die Gründung der Volkszeitung vorgesehen – der Vorläuferin der bis heute in Kronstadt erscheinenden Karpatenrundschau. Eduard Eisenburger, ein Redaktuer der Tageszeitung Neuer Weg, Bukarest, war mit dem Erforderlichen betraut worden. Er lud eine Handvoll Männer zu „einem ersten Gespräch“ ein, darunter auch uns beide, er: Sozial- und Gesundheitswesen, ich: Kultur. Da sah ich ihn zum ersten Mal – Wilhelm Zeidner, geboren am 5. April 1927 in Kronstadt, kurz Willi. Er war zwei Jahre jünger als ich.
Wilhelm Zeidner (1927-2019): Kirchenburg ...
Wilhelm Zeidner (1927-2019): Kirchenburg Honigberg im Burzenland/Siebenbürgen, Tusche-Feder, undatiert
Tags darauf – Mitte April 1957 – stand er vor meiner Haustür, aufgeschossen, hager, mit durchdringendem, sicherem Blick. Fast harsch, ohne Umschweife: „Mein Steckbrief – ich bin Maschinenschlosser und Schweißer, voriges Jahr Meisterprüfung. Bis 1949 fünf Jahre zwangsdeportiert. Donbas, unter Tag. Keine Ahnung, wieso ich zur Zeitung abkommandiert wurde ... Hör zu! Du bringst mir bei, wie man eine Reportage schreibt!...“

Er schrieb gute Reportagen. Wenn andere sich wegduckten, war er auch dort unumwunden, wo es im autoritären Staat wenig angezeigt erschien. Immer sachbezogen, half ihm sein Gespür für erzählerische Abläufe. Über sein Journalistikstudium 1964-1969 sagte er 30 Jahre später: „Mein Atout war, dass ich fließend russisch sprach, das verschaffte mir Respekt auch bei den Lehrern.“ Fast unerschöpflich seine „Geschichten vom Mütterchen Russland“. Als ihn der Chefredakteur – parteimächtiger Karrierist – einmal ungehalten anraunzte, hörte ich ihn vernehmlich sagen: „Genosse, nicht mit mir! Im Unterschied zu dir habe ich fünf Jahre stolze Aufbauarbeit in der UdSSR hinter mir!“ Der Genosse schwieg erschrocken – der „große Bruder“ übte auch so seine Wirkung aus.

Willi war ein durch und durch korrekter Kollege. 1953-1983 verheiratet – bis zum Tod der Gattin, Elisabeth Figuli. Die Kinder: Jutta, Ditmar, Anita. Seit 1984 Krankenrentner, konnte er erst im Mai 1989 sein Geburtsland verlassen. Eine zweite Ehe, mit Heide Haise, wurde 1994 geschieden. Willi lebte in Waiblingen. Unsere Telefonate dauerten die bekannte halbe Ewigkeit. Niemals verleugnete sich sein Hang zum Geselligen. Solange es die Augen erlaubten, schuf er Grafiken von meisterlichem Format. Immerwährendes Thema: siebenbürgische Landschaften, Architekturen. Der gelegentlich schroffe Mann offenbarte eine unvermutet starke Neigung zum Künstlerischen, Einige Passagen meines Romans „Die Wiederkehr der Wölfe“ (1. Auflage 2006) sind das Ergebnis ausgedehnter Gespräche mit ihm. Er veröffentlichte Erinnerungserzählungen. In der Geschichte der Journalistik Siebenbürgens hat er einen Platz in der kleinen Gruppe jener Männer, die nach der Zäsur 1944/45 das erste deutsche Periodikum gestalteten. Er verstarb am 5. Oktober 2019.

Hans Bergel

Schlagwörter: Kultur, Karpatenrundschau, Journalist, Kronstadt, Hans Bergel

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