16. Mai 2021

Über 60 Jahre der Musik verbunden: Steve Schatz, langjähriger Leiter der Transylvania Hofbräu Band in Kanada, blickt zurück

Mein Name ist Steve Schatz, geboren bin ich am 30. Januar 1934 in Weilau, Nordsiebenbürgen. Im Herbst 1944 flüchteten wir Nordsiebenbürger vor der russische Armee. Mit einem Pferdegespann erreichten wir nach sechs Wochen Hainfeld, Sankt Veit an der Gölsen und Lilienfeld in Niederösterreich. Als die Russen näher rückten, flüchteten ein zweites Mal, um zu den Amerikanern zu kommen. So erreichten wir im März 1945 die oberösterreichische Gemeinde Pöndorf. Hier lebten wir in Erdhütten, bis uns die Amerikaner im Herbst nach Kammer am Attersee ins Barackenlager brachten. Da fingen alle wieder an zu leben.
Im Herbst 1949 begann ich meine Lehrzeit als Schlosser in einem Betrieb in Kammer. Eine Woche später fragte ich meinen Meister, ob er mir auch Musik beibringen könnte. Er war der Leiter der Kapelle von Schörfling und sagte gleich zu. Einige Wochen später, schenkte er mir ein Flügelhorn. Ich machte sehr gute Fortschritte. Nach einem halben Jahr verstarb mein Meister, so hörte ich auch mit der Musik auf. Nach einigen Monaten holten mich die Schörfling Blaskapelle, um mit ihnen mitzuspielen. Dort spielte ich Es-Trompete, bis ich im Jahr 1955 nach Kanada auswanderte. Anfang der 1950er Jahre fing die Rosenauer Kapelle an. Der Leiter war Georg Lingner, ein sehr guter Musiker, der mich gleich auf das erste Flügelhorn setzte. Von da an spielte ich nur erstes Flügelhorn.
Die Transylvania Hofbräu Band in Kitchener ...
Die Transylvania Hofbräu Band in Kitchener
1952 beendete ich meine Lehrzeit. In der Berufsschule Attnang-Puchheim hatten wir die Gesellenprüfung, wo ich von 38 Schülern den ersten Preiss mit Auszeichnung errang. 1955 wanderten meine Eltern und ich nach Kanada aus. Alles war für mich fremd. Die Sprache konnte ich nicht, ich fand keine Arbeit in meinem Beruf und auch keine Freunde. Die erste Zeit war sehr schwer. Nach einer Woche in Aylmer ging ich zur Aylmer Band und spielte dort mit für ein paar Monate, bis wir im Frühjahr 1956 nach Kitchener umsiedelten. Hier gab es viele deutsche Einwanderer, viel Industrie und viele Unterhaltung. Zur selben Zeit fing ich mit der Acht-Mann-Tanzkapelle, „Blue Stars“ an. Wir waren alle deutsche Jungs. Für zehn Jahre waren wir aktiv, sehr beliebt beim Publikum. Wir spielten nur deutsche Schlager. 1966 löste sich die Gruppe auf.

Die Transylvania Brass Band wurde Anfang den 1950er Jahren im Klub in Kitchener gegründet und von Professor Walter Scholtes geleitet. Am Anfang war es eine große Kapelle, über 50 Mann stark. Walter Scholtes setzte mich 1956 gleich an das erste Flügelhorn, was ich dann seither gespielt habe. Bei den Klub-Funktionen und Siebenbürger Treffen war die Band immer dabei. Im Frühjahr 1966 löste sich die Kapelle auf, zu wenig Interesse, eine zu kleine Gruppe. Diese Kapelle hatte drei Leiter: Prof. Walter Scholtes, John Benesch und Pfarrer Intscher für eine kurze Zeit.

Im Herbst 1966 überredeten mich meine Musikfreunde aus Weilau mit einigen Spielern, die in der Originalen Transylvania Brass Band mitgespielt hatten. Insgesamt waren wir acht Mann vom Klub. Dann holte ich noch sechs Mann außerhalb vom Klub. Mit 14 Musikern starteten wir als Transylvania Hofbräu Band. John Werner Sr. sagte öfters zu mir, wenn ich so viel könnte wie du, hätte ich schon längst angefangen. John Werner ist auch der Namensgründer der Transylvania Hofbräu Band. Die Kapelle besteht heute noch mit guter Besetzung im Transylvania Klub. Notenmaterial übernahmen wir von der Original-Band. Auch von Musikfreunden aus Europa erhielt ich viel Musik.

Zehn Jahre, bis 1976, waren wir 14 Musiker aktiv. Wir hatten sehr viel Spaß beim Spielen. Mit dieser Gruppe spielte ich auch das erste Flügelhorn, machte selbst alle Arrangements, Programme, Termine. Ich war „Mädchen für alles“, sorgte immer für das Wohl der Musiker mit Essen und Trinken. Geld war nicht viel da für das Spielen, aber wir waren alle zufrieden, hatten Spaß und wollten musizieren. Alle kamen gut miteinander aus.

1976 verloren wir einige Musiker. Nach einigen Monaten fingen wir wieder an, die Kapelle zu vergrößern bis auf 25 Mann. Mit dieser Band konnten wir auch größere Termine wahrnehmen. Wir spielten viele Konzerte, leichte klassische Musik, Tanz, bei Gottesdiensten, Picknicks, Siebenbürger Treffen, Gedenktagen, dem Klub-Oktoberfest, Christkindlmarkt und German Pioneers Day. Wir hatten auch ein vierstündiges TV-Programm mit Band und Transylvania Klub-Tanzgruppe. Wir spielten in Chicago, Salem, Toronto, Delhi u.a. Nun musste ich auch dirigieren, weil wir viele Konzerte spielten. Die Konzerte waren abwechslungsreich: Unterhaltungs- und klassische Musik, Vokalmusik und Solostücke mit kurzer Erklärung. Nach einigen Jahren sagte Prof. Walter Scholtes, ich könnte mich als Dirigent überall zeigen. In dieser Zeit leitete ich auch einen Posaunenchor in der Bethel Kirche in Kitchener.

Als wir 2002 in Würzburg im Rahmen des Föderationskulturaustausches auf Konzertreise in Europa waren (Musik- und Tanzgruppe), kam ein älterer Herr zu mir und bedankte sich für das schöne Programm. Er war selber Musiker und sagte: „Ich habe viele Konzerte in meinem Leben gehört, aber das, was ihr heute uns dargebracht habt, habe ich niemals in meinem Leben gehört.“ Ich war sehr stolz, so etwas zu hören. Bei diesem Kulturaustausch spielten wir acht Konzerte in Österreich und Deutschland. In diesen insgesamt 40 Jahren mit der Transylvania Hofbräu Band haben wir viel Anerkennung erhalten und haben sehr viel geleistet für die deutsche Kultur in Kanada. Neben anderen Auszeichnungen wurden mir seitens der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada die Goldene Ehrennadel sowie vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland das Goldene Ehrenwappen verliehen. 2005/2006 musste ich das Dirigieren nach drei schweren Operationen aufgeben. Mein letztes Konzert war 2011. Mit 77 Jahren hörte ich als Leiter der Kapelle auf.

Die vielen Jahre mit Musik waren, neben der Zeit mit meiner Familie und im Verwandtenkreis, die schönsten meines Lebens. Musik hat mir vieles im Leben gegeben, positive Einstellung, seelische Zufriedenheit, einen sehr großen Freundeskreis und das Talent, Menschen zu unterhalten und glücklich zu machen. Nach mir übernahm Jeremy Frim für eine kurze Zeit und nach ihm Andrea Emrich. Sie ist zugleich Musiklehrerin und hat sehr gute Kenntnisse als Leiterin. Wir sind froh, dass sie die Kapelle übernommen hat.

Jetzt genieße ich es, DVDs und CDs zu hören, und denke oft zurück an die vielen schönen Stunden, die ich mit Freunden erleben durfte. Zum Schluss bedanke ich mich bei den vielen Musikfreunden, dem großen Publikum, meiner Familie, Kameraden, die mich immer wieder bestärkt haben, weiterzumachen. Ihnen allen ein herzliches „Dankeschön“!

Steve Schatz

Schlagwörter: Kanada, Musik, Orchester, Transylvania Hofbräu Band, Kitchener, Schatz, Porträt

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