18. Februar 2007

Udo Peter Wagner, Germanist in Hermannstadt, wird 60

Rumäniens Germanistik genießt unter Kennern einen hervorragenden Ruf. Ein Vergleich mit der Arbeit anderer Germanistik-Lehrstühle in nichtdeutschen Ländern fällt immer wieder zugunsten der Leistungen und Bemühungen aus, die in Bukarest, Hermannstadt, Klausenburg u.a.O. zu beobachten sind. Das ist zum einen auf die germanistische Tradition zurückzuführen, die mit Namen wie Gustav Kisch (1869-1938), Karl Kurt Klein (1897-1971) u.a. zusammenhängt, zum anderen bis zur politischen Wende 1989/90 mit der Existenz einer kulturell starken deutschen Minderheit, deren Studierende das Deutsche als Muttersprache mitbrachten.
Neben den derzeit bekanntesten Germanisten Rumäniens, wie etwa Prof. Dr. George Guțu, Bukarest, oder Prof. Dr. Andrei Corbea-Hoișie, Jassy (zurzeit Wien), ist an den rumänischen Germanistik-Lehrstühlen eine Reihe von Assistenten und Dozenten verschiedender Spezialgebiete tätig, ohne deren Aktivität das hohe Niveau der Lehrstühle undenkbar bliebe. Einer davon ist der an der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt als Dozent tätige Dr. Udo Peter Wagner. Am 8. Februar d.J. wurde er 60 Jahre alt. In einem „aus der Lutherzeit stammenden Haus“ des alten Stadtkerns geboren, besuchte er das Brukenthal- und Gheorghe-Lazăr-Gymnasium der Vaterstadt bis zum Abitur 1964. Es folgte das fünfjährige Studium in Klausenburg, während dessen sich Wagner nach vorübergehendem Studium auch der Rumänistik ganz der deutschen und der Weltliteratur zuwandte. Nach acht Semestern kam er als Student mit der höchstmöglichen Durchschnittsnote in den Genuss eines Staatsstipendiums.

Die Studienjahre bleiben markiert durch eine ganze Reihe erwähnenswerter wissenschaftlicher Arbeiten: 1964 präsentierte Wagner das Referat „Die Tragödien des Sophokles“, 1967 „Die barocke Poetik des Martin Opitz“ („Das Buch von der teutschen Poetherey“), 1968 „Die frühen Dramen Hugo von Hofmannsthals“ u.a. Mit dem Thema „Die Erzählweise Johannes Bobrowskis“ – Teile daraus erschienen in der Klausenburger Zeitschrift Echinox – stellte sich Udo Peter Wagner 1968 erfolgreich zum Staatsexamen. Aufgrund der Note 9,55 schlugen ihn der Germanistik-Lehrstuhl und die Philologische Fakultät für den höheren Schuldienst vor. Das Angebot einer Assistentenstelle an der Universität Jassy musste Wagner familiär bedingt ablehnen.

Dem Studium in Klausenburg folgten drei Jahre mittlerer Schuldienst, 1971 die Ernennung zum Assistenten an der Philologischen und Historischen Fakultät, 1980 nach einem Bewerbungsverfahren der Aufstieg zum Universitätsdozenten – Geschichte der deutschen Literatur – in Hermannstadt. Zu einer vierjährigen Unterbrechung der akademischen Laufbahn kam es infolge der Auflösung der Fakultät 1987. Seit deren Wiedereinrichtung 1991 hält Wagner von neuem Vorlesungen. Krankheit ermöglichte erst im Jahr 2003 die Promotion. Thema: „Die Rezeption des Werkes Bert Brechts in Rumänien“ (Doktorvater: Prof. Dr. Horst Schuller-Anger).

Der Sechzigjährige blickt auf über 40 wissenschaftliche Veröffentlichungen zurück. Sein Interesse gilt dabei sowohl Bereichen und Persönlichkeiten der deutschsprachigen Literatur Rumäniens als auch Themen der gesamten deutschen Literatur – allein im Zusammenhang mit Brecht liegen 14 Arbeiten vor. Natürlich steht die deutsche Literatur Siebenbürgens im Vordergrund, so etwa eine Untersuchung der Novellistik Daniel Roths (1801-1859) oder des Werks Petrus Mederus’ (1606-1678), Emil Wittings (1880-1952), Georg Schergs (1917-2002), Emil Sigerus (1854-1947) etc. In über hundert Texten ließ sich Udo Peter Wagner überdies als Theaterkritiker, Memorialist, Literaturrezensent aus oder verfasste Schriften zur Fragen der Kultur – in deutscher wie rumänischer Sprache, in deutschen wie rumänischen Periodika.

Die Zeitungen und Zeitschriften, die ihm dabei zur Verfügung stehen, reichen von der Bukarester Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien mit ihrer Kronstädter Beilage Karpatenrundschau und der Hermannstädter Zeitung bis zur Zeitung für Dich im russischen Slawgorod, den Münchner Spiegelungen und deren Vorgängerin Südostdeutsche Vierteljahresblätter, der Zeitschrift der Germanisten Rumäniens oder dem rumänischen Kulturmagazin Saeculum. Nicht zu übersehen ist seine Mitarbeit bei der traditions- wie umfangreichen Zeitschrift Transilvania; sie erschien 1868 zum ersten Mal in Hermannstadt und hat einen deutschsprachigen Teil, für den als Mitglied des Redaktionskollegiums Wagner verantworlich zeichnet.

Udo Peter Wagners Vorlesungen an der Lucian-Blaga-Universität sind wegen der Klarheit und Logik ihres Aufbaus, der leichten inhaltlichen Fasslichkeit und der Nüchternheit des Vortrags beliebt. Nicht zuletzt aber auch wegen der Persönlichkeit des Lehrers: Wagner gehört zu jenem mit Humor auf das Sachliche bedachten Menschenschlag, der niemals in Gefahr gerät, sei es zum Dogmatiker, sei es zum Pauker oder zum akademischen Halbgott zu werden. Jede Koketterie des Geschraubten oder Extravaganten ist ihm fremd. Eine gewisse, auch im Bekanntenkreis geschätzte Nonchalance haftet ihm im beruflichen wie im privaten Umgang an. Sie gibt ihre Charakteristika in jenen Momenten preis, in denen der hochgewachsene, stattliche Hermannstädter mit ungarischer Genetik mütterlichereits zur augenzwinkernden Witzkanone wird. Unerschöpflich der Vorrat an brillant zum Besten gegebenen Wortspielen, Kalauern, Bonmots aller Bereiche von der politischen bis zur zweideutigen Pointe, vom alten DDR- und Bul?- bis zum Graf-Boby-Witz und der geistvollen Flachserei. Wenn einer den Titel „Siebenbürgischer Ritter wider den tierischen Ernst“ von der Rottweiler „Foederatio Saxonica Transsilvana“ zu Recht erhielt, dann er (1999). Freunde, die ihn während der gefährlichen Zeit der Diktatur erlebten, schätzen seine Gradlinigkeit, Redlichkeit und Zuverlässigkeit, deren sich jeder sicher sein durfte, der sich ihm anvertraute. Zum sechzigsten Geburtstag sei ihm auch von dieser Stelle aus von Herzen das Beste gewünscht!

Hans Bergel

Schlagwörter: Germanistik, Hermannstadt

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