25. Juni 2003

Elisabeth Breckner

Die Franz-Josef-Straße im Salzburger Andräviertel verströmt „en miniature“ das Flair eines Pariser Boulevards. Am 3. Mai, einem Samstag, kurz vor acht Uhr abends, sind hier viele Leute unterwegs, willens, sich gut zu unterhalten. Auch im Foyer des Toihaus, Theater am Mirabellplatz wird entspannt geplaudert. Auf dem Spielplan steht „Die Tanzstunde“ von und mit Elisabeth Breckner. Das erste autobiographische Stück der gebürtigen Mediascherin.

Der Drehstuhl auf der Bühne eine Drehbühne. Ungelenk wirbelt sie darauf um ihre Achse, flügelschlagend, fällt hin, wieder und wieder. Szene der heranwachsenden Elisabeth, die sich entdeckt, physisch erlebt, auslebt. Breckner (im dekolletierten, blauen Abendkleid) spielt sich selbst. Fragt: „Wie sagt man richtig: ‚Ich liebe dich’?“ Zunehmend koordinierter, rhythmischer werden die Bewegungen der jugendlich-attraktiven Darstellerin. Virtuos unterlegt Mari Honda am Vibraphon das Identitätsspiel mit einem Klangmosaik. Schnitt.

Eine Stunde später beim Premierenbüfett im Foyer. Die Schauspielerin eilt herbei: noch nicht abgeschminkt, mit glänzender Stirn. Aus ihren Gesichtszügen ist die Anspannung nicht gewichen. Sie ist sofort zum Gespräch bereit. Ihre Stimme klingt minder männlich-tief als noch in der Vorwoche am Telefon. Erste Glückwünsche und Umarmungen wollen ihr bestätigen: „Du warst großartig!“ - „Wie sagt man richtig: ‚Ich liebe dich’?“ - Vor Ort auch Breckners Verwandtschaft, Mutter Hannelore und Vater Helmut, Bruder Till und Tante Inge, ebenso ihr Lebensgefährte (Ronald Kuste, selbst Schauspieler). Sie haben die Inszenierung gemeinsam verfolgt. Die Stimmung ist gelöst, familiär.

Interview nebenan im schummrigen Theatersaal. Kaum hebt die 32-Jährige an Auskunft zu geben, wie „Die Tanzstunde“ als künstlerische Idee geboren und realisiert worden ist, über ihre Theaterarbeit mit Salzburger Jugendlichen und kommende Engagements, tritt auch schon ein junger „Verehrer“ hinzu, indes auf der Bühne Umbauarbeiten im Gange sind. Gleich wird die vielseitige Bühnenkünstlerin mit ihrer Band „Country Kitchen“ („mein Hobby“) auftreten: sie singt, spielt Gitarre und moderiert obendrein. Das Publikum geht mit, ist begeistert von der Country-Musik des Trios, den kleinen Geschichten, die auf derselben Bühne verklingen, wo die Schauspielerin zuvor sich und ihr Leben in Szene gesetzt hatte.

„Am Anfang steht ein kleines Mädchen. Das Mädchen mit dem Eimerchen“, erinnert sich Elisabeth Breckner („Die Tanzstunde“). Sie war eben fünf Jahre alt, als sie ihren Eltern im Urlaub am Schwarzen Meer einmal verloren gegangen ist. Die Kleine zog es ans Meer. Ihre Eltern, die in Ruhe frühstücken wollten, drückten dem ungeduldigen Töchterchen einen Eimer in die Hand und sagten, es könne schon mal zum Hotelausgang vorausgehen. Das Hotel hatte aber zwei Ausgänge. - Es scheint, als habe die (Arbeits-)Biographie der heute in Wien lebenden Künstlerin einen linearen Verlauf. Die einzelnen Etappen von der Schultheatergruppe des Feodor-Lynen-Gymnasiums in Planegg bei München über ihr Schauspielstudium bis hin zu Engagements in Essen, Münster, Koblenz, am Theater in der Josefstadt/Wien und nun am Toihaus in Salzburg stützen diese Vermutung. Glücklich, wer aus seinem Beruf so reich zu schöpfen versteht. Mehr als nur zum Broterwerb nutzt sie die Theaterarbeit auch zur Selbstreflexion: „Je abstrakter ich mein Leben betrachten kann, desto besser bin ich imstande, die Elemente existierender Geschichten und Themen darin wiederzuerkennen.“ „Die Tanzstunde“ birgt eine Fülle solcher Motive, so wenn sie in Mediascher Dialekt unbekümmert darauf lossingt: Ech bän e kli wäld Vijeltchen, und nemest ka mich zwänjen (aus der Weise Et saß e kli wäld Vijeltchen). Breckner mutet ihrem Publikum freilich etwas zu, erteilt sogar einen kleinen Sächsisch-Sprachkursus. Lustvoll rollt sie plötzlich wieder das „R“, was ihr die Sprechlehrerin schon mühevoll abtrainiert hatte.

1978 siedelte ihre Familie in die Bundesrepublik aus. Zu der Zeit besuchte sie gerade die erste Klasse der Volksschule. Aus dem Rumänischen sind ihr noch die Worte apa (Wasser) und lapte (Milch) erinnerlich. In Bayern, wohin es ihre Familie verschlug, überwand sie „erste Schwierigkeiten mit dem neuen Schulsystem und meiner befremdlichen Aussprache des Deutschen“. Die Salzburger Premiere handelt auch davon. Von Mediasch nach München, dann Essen, Münster und drei Jahre Koblenz, seit 1999 in Wien – ein nomadenhaftes Leben, das Elisabeth Breckner führt: „Den Begriff ‚Heimat’ definiere ich, solange ich denken kann, nicht durch bestimmte Orte, an denen ich mich aufhalten will, sondern durch Menschen, mit denen ich zusammenlebe“. Seit ihrer Ausreise hat die Wahlwienerin Siebenbürgen nicht wieder besucht. Sie wartet auf den richtigen Zeitpunkt für eine Reise „zurück“. Mit ihrer Familie spricht sie konsequent sächsisch. Das frühe Verlassen ihrer „Heimat“ mit sieben Jahren habe dazu beigetragen, dass sie sich leicht an neue Orte gewöhne. Ein Vorteil, denn: „Mein Beruf erfordert größte Flexibilität.“ Dem Theater gilt ihre ganze Leidenschaft. Ausflüge ins Fernsehen blieben Episode: 1997 als junge Anette von Droste-Hülshoff („… und darf nur heimlich lösen mein Haar“/ARD) und 2001 als Kandidatin in der SAT 1-Quiz-Show mit Jörg Pilawa (immerhin 59 000 Mark heimste sie ein).

Theater müsse in erster Linie unterhalten, hat noch der Dramatiker Brecht gefordert. Vor allem aber, insistiert Breckner, soll es „die Menschen berühren“ als ein faszinierendes Erlebnis. Dies könne das Theater viel direkter noch als ein Film bewirken. „Berührend“, fand eine Theaterbesucherin denn auch „Die Tanzstunde“ bei der anschließenden Premierenfeier. Das knapp einstündige Stück war in der Tat ein Publikumserfolg. Breckners Versuch, ihre Geschichte(n) mit den Ausdrucksmitteln der Sprache, Musik, Pantomime, auch der Komik und ganz besonders des Tanzes bühnengerecht zu erzählen im (verabredeten) Dialog mit dem Publikum, war von Erfolg gekrönt. „Die Tanzstunde“ ist eines von fünf Stücken, mit denen sich das Toihaus-Ensemble im Rahmen der Aufführungsreihe artist vom 29. April bis 24. Mai präsentierte. Erfreut registrierte die Verantwortliche für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Sabine Jenichl: „Das Publikum hat das künstlerische Konzept positiv angenommen.“ Nach diesem Soloprojekt (musikalisch unterstützt von der Japanerin Mari Honda, die am Mozarteum in Salzburg unterrichtet) soll in der kommenden Spielzeit eine Neuinszenierung am Toihaus folgen. Parallel dazu arbeitet Elisabeth Breckner weiterhin gerne mit Jugendlichen, auch unter pädagogischem Aspekt eine Herausforderung für die stets neugierige Theaterfrau. Wenn sich Regiearbeiten ergeben, werde sie diese bestimmt übernehmen. Breckner sagt einschränkend aber: „Zur großen Welterklärerin fehlt mir der Ehrgeiz“. So offen der künstlerische Weg der Siebenbürgerin bleibt, so gewiss scheint es, dass ihre Theaterarbeit mit Herzblut ein wachsendes Publikum erreichen wird.

BioGrafie

1971 geboren in Mediasch – siedelt 1978 in die Bundesrepublik aus – Abitur - studiert 3 Semester Germanistik und Anglistik in München – Schauspielstudium an der Folkwang-Hochschule Essen (Diplom 1996) – Solopreis der internationalen Jury beim VI. Bundeswettbewerb deutschsprachiger Schauspielstudenten, Stuttgart (1995) – ist engagiert am Aalto-Theater Essen (1995), Stadttheater Münster (1996), Theater der Stadt Koblenz (1997-99), Theater in der Josefstadt/Wien (1999/2000), Theater m.b.H./Wien (2000), Toihaus, Theater am Mirabellplatz/Salzburg (seit 2000) - nimmt an den Festivals steirischer herbst, Ruhrfestspiele Recklinghausen, Arena-Festival Erlangen teil – Gastspiele u. a. in Italien und Finnland – führt Regie in „Solome“ (2000, Salzburg) – Lehrtätigkeit: diverse Workshops (österreichischer Beitrag zum internationalen Theatertreffen Magic-Net, Frankfurt/O., 2002) – Rollenauswahl: Rosaura in „Das Leben ein Traum“ (Calderón); Pam in „Gerettet“ (Edward Bond); Carol in „Oleanna“ (David Mahmet); spielt sich selbst in „Die Tanzstunde“ (Idee: Breckner); Recha in „Nathan der Weise“ (Lessing); Regine in „Gespenster“ (Ibsen); die Hure in „Musicbox oder der Geruch der Nacht“; Jenny in „Die Dreigroschenoper“ (Brecht/Weil).

Christian Schoger

Schlagwörter: Porträt, Kultur

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