30. April 2003

Joachim Szaunig

Am 4. April gastierte das "Euro-Studio-Ensemble", eine seit 40 Jahren bestehende "Landgraf-Theater-Tournee", mit Gerhart Hauptmanns klassischem Stück "Der Biberpelz" im Freisinger "Asam-Theater" im Rahmen einer 3-monatigen internationalen Gastspielreise durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Unter der brillanten Regie von Frank Matthus wurde Mutter Wolffen, mit welcher Gerhart Hauptmann eine der kraftvollsten Frauengestalten der deutschen Literatur geschaffen hat, hinreißend interpretiert durch Doris Kunstmann in ihrer zähen, unbändigen Vitalität. Mutter Wolffens Mann, der Schiffer Julius, durch Joachim Szaunig überzeugend dargestellt, erduldet das Los seiner Armut apathisch. Mit lang anhaltendem Applaus quittierte das begeisterte Publikum diese außergewöhnliche, bis ins kleinste Detail stimmige Gesamtleistung eines homogenen Ensembles.

Nach dem rauschenden Applaus des voll besetzten Saales erinnerte sich der Schauspieler Joachim Szaunig weitab allen Trubels in einem Zwiegespräch, dass er um ein Haar nie in der Bundesrepublik Deutschland auf den Brettern gestanden hätte. Am Scheideweg stand der heute 68-Jährige 1971. Da durfte der gebürtige Rumäniendeutsche erst nach 13 Jahren zermürbenden Ringens um sein Ausreisevisum aus seiner siebenbürgischen Heimat in das Land ausreisen, in dem bereits fast alle seine Verwandten lebten. Ausgebildet am Konservatorium für Schauspielkunst in Rumänien, verfügte Szaunig über 18 Jahre Theatererfahrung, zunächst am rumänischen Staatstheater Hermannstadt, danach als Mitbegründer einer deutschen Abteilung desselben Staatstheaters, wo er neben unzähligen Haupt- und Nebenrollen anfangs noch als Puppenspieler und Sprecher des von seiner Mutter Hedwig gegründeten deutschen Puppentheaters wirkte.

Am Stadttheater Heilbronn fiel die Entscheidung über Sein und Nichtsein des Schauspielers Szaunig ("Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich die Flinte ins Korn geworfen"). Szaunig wollte unbedingt im Westen bleiben: "Notfalls hätte ich auch die Straße gekehrt". Drei Jahre stand er auf der Bühne des Heilbronner Stadttheaters, spielte sage und schreibe 36 Rollen, klassisches zumeist. Über Mangel an Beschäftigung konnte er nicht klagen, im Gegenteil: "Ich bin auf dem Zahnfleisch nach Coburg gekommen", beschreibt Szaunig seinen Wechsel nach Oberfranken. Das war 1974. Am Coburger Landestheater, einem Dreispartenhaus, erweiterte er sein Repertoire und rutscht ins Musical ab. So gab er den Obolski in "Feuerwerk", den Petruccio in "Kiss Me Kate" und 1977 den Higgins in "My Fair Lady". Damit hatte Benno Hoffmann sein Debüt als Regisseur, und seitdem ist die Verbindung zwischen dem glatzköpfigen Tausendsassa und dem drahtigen Grauhaarigen nie abgerissen. Bei der Besetzung des Higgins für die 10. Schlossfestspiele 1988 in Ettlingen auf der Freilichtbühne im Schlosshof habe Hoffmann sofort an ihn gedacht, sagt Szaunig.

Nicht immer waren Szaunigs Erlebnisse im Theaterbetrieb erfreulich. Als freier Schauspieler zog er seit 1979 oft genug auf Tourneen durch die Lande. Zunächst innerhalb des "Berliner Tournee-Theaters" (Erich Kühnen GmbH), wo er immer häufiger auch als "Tourneeleiter" - neben seiner Rolle auf der Bühne - viele Stresssituationen bewältigen musste. Trotzdem hat Szaunig während dieser Jahre interessante Kollegen kennen gelernt: Heidi Brühl, Katja Eppstein, Dagmar Koller, Hanna Schygulla, Horst Frank, Günter Lamprecht, auch Götz George und Doris Kunstmann zählten dazu. Zudem war er im Fernsehen, zuletzt 1988 als Partner von Elke Sommer in "Nina" zu sehen, wo er herausragende Kritiken erhielt und für weitere Fernsehproduktionen vorgesehen wurde: "Marguerite und die Männer" und das amerikanische Musical "Ich liebe meine Frau" (als Partner von Harald Juhnke). Hierzu sollte es jedoch nicht mehr kommen.

Zurzeit fühlt sich der seit drei Jahren im Ruhestand weilende "Rentner" in dieser erfolgreichen "Landgraf-Tournee" pudelwohl und genießt seine "kleine Rolle" in einem überaus sympathischen Ensemble, ohne zusätzliche Verantwortungen. Noch bis Ende Mai dauert die Tournee. Auch hofft er, trotz grauer Haare und weißem Vollbart, auch in den kommenden Jahren als gefragter Greis auf der Bühne zu stehen.

Schlagwörter: Porträt, Kultur

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