15. Januar 2002

Helfried Spitra

Seit dem 1. Mai 2001 ist Helfried Spitra WDR-Kulturchef in Köln. "Spitra bringt viel Erfahrung als Filmemacher mit. Er hat beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) dem Bereich Kultur ein starkes Profil verschafft und genießt in der ARD einen exzellenten Ruf", lobte WDR-Intendant Fritz Pleitgen den Siebenbürger. Er avancierte damit zum bedeutendsten siebenbürgische Medienmacher in Deutschland.

Spitra selbst vergleicht seinen Aufstieg mit dem eines Fußballspielers in der Bundesliga, der von Eintracht Frankfurt zu Bayern München wechselt und damit die "ganz anderen Möglichkeiten mitzuspielen" nutzt. Seine neuen Spielräume als WDR-Programmbereichsleiter Kultur und Wissenschaft will Spitra nicht im Hauruckverfahren durchsetzen, sondern versteht sich eher als Teamarbeiter, erklärt er gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung.

Deshalb sucht er zunächst das Gespräch mit seiner Mannschaft von rund 80 Mitarbeitern, um die neuen Pläne gemeinsam zu entwickeln. Neu ist zum Beispiel die Kulturmatinee WestArt am Sonntag, die seit Ende Oktober sonntags um 11.00 Uhr im WDR-Fernsehen ausgestrahlt wird. Einen besonderen Schwerpunkt sieht Spitra in den Magazinen und Dokumentationen. "Wir müssen uns verstärkt Gedanken machen, welche Dokumentationen halt Sinn machen. Nicht alles, was gemacht wird, ist beim Publikum angekommen. Geschichtsdokumentationen wollen wir stärker nach vorne rücken, da sie sich bei der derzeitigen geopolitischen Lage, nach den Ereignissen in den USA, als sehr notwendig erweisen." So wird derzeit eine ältere Reihe zur Geschichte des Islam vom WDR überarbeitet und aktualisiert. Den Programmbereich "Kultur und Wissenschaft" bringt der 44-jährige Medienmacher offensiv in wichtige gesellschaftliche Debatten ein. Eine Sondersendung des WDR am 30. Januar, 22.00 Uhr, widmet sich unter dem Titel Dammbruch oder Eldorado? Aufbruch ins Biozeitalter der wissenschaftlichen und ethischen Diskussion über die Stammzellforschung. In der WDR-Kulturnacht heißt es am 25. Januar, 23.00-0.00 Uhr: Somalia, Nahost und der Irak. Die Kriege von morgen?
Der Siebenbürger scheut sich nicht vor dem Quotendruck: Die Kulturredaktion dürfe sich nicht zu fein sein für quotenträchtiges Programm. Eine Reihe wichtiger Produktionen des WDR werden erfolgreich in das Erste Deutsche Fernsehen (ARD) eingespeist, so der Kulturweltspiegel mit der Moderatorin Michaela Maxwell am Sonntagabend, Kopfball, ein modernes Bildungsformat für kleine und erwachsene Menschen, am Sonntag, 10.30 Uhr, das Wissenschaftsmagazin Globus am Mittwochabend.
Im Juni/Juli 2001 hat Spitra mit dem Aufbau effizienterer Arbeitsstrukturen begonnen: Zusammen mit seinen Redaktionsleitern gestaltete er neun Redaktionsgruppen zu vier Programmgruppen um. Der Prozess wurde inzwischen mit Erfolg abgeschlossen.

Anregung für siebenbürgische Filme

Auf das Informationsdefizit bundesdeutscher Medien bezüglich der Geschichte der Siebenbürger Sachsen angesprochen, verweist Spitra zunächst auf einige Filme des Bayerischen Fernsehens und ältere Produktionen des WDR. Er will sich nun ein Bild von aktuellen Produktionen zum Thema Siebenbürgen machen und die Anregung an seine Kollegen im WDR weitergeben. Noch größere Chancen sieht Spitra für Filme über das rege Kulturleben der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Blaskapellen, Chöre, Theatergruppen, Tanzgruppen, Künstler unter den Siebenbürger Sachsen, die zum Großteil verstreut im ganzen Bundesgebiet, aber auch konzentriert in Drabenderhöhe und anderen Orten wirken und eine beachtliche kulturelle Breitenarbeit entfalten, könnten durch TV-Sendungen besser in der bundesdeutschen Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Diese Anregung der Siebenbürgischen Zeitung will der WDR-Kulturchef aufgreifen, zumal Nordrhein-Westfalen schon immer stark geprägt gewesen sei "von unterschiedlichen Menschen, die hier integriert wurden". Angesichts der aktuellen Ereignisse werde die multikulturelle, offene Gesellschaft auch künftig eine große Rolle spielen.
Seine siebenbürgische Herkunft hat Spitra natürlich stark geprägt. Am 13. Oktober 1957 in Hermannstadt geboren, besuchte er die dortige Brukenthalschule, bis er 1974 mit Eltern und Bruder nach Deutschland aussiedelte. Er sei in Siebenbürgen in einer multikulturellen Gesellschaft aufgewachsen, mit allen dazugehörigen Problemen, und habe das Prinzip der Toleranz sehr früh mitbekommen, sagt er. Zudem habe er unterschiedliche Gesellschaftssysteme im Ostblock und später im Westen kennen gelernt und verfüge insofern über Vergleichsmöglichkeiten. Es sei ihm dabei ganz gut zupass gekommen in seinem späteren Leben, dass er immer offen und ohne Vorurteile auf die Menschen zugegangen sei. Gute Voraussetzungen für seine steile Karriere als Medienmacher erhielt Spitra durch eine profunde Ausbildung. Er komme von der Praxis her, habe immer praxisbezogen gearbeitet: "Ich war nie ein Theoretiker", sagt der 44-Jährige. Er studierte von 1979 bis 1986 an der Hochschule für Fernsehen und Film München und war seit 1983 als freier Filmemacher tätig. Zahlreiche Lehrtätigkeiten führten ihn nach Abschluss des Studiums ins In- und Ausland, so zum Beispiel 1991 an die Beijing Film Academy nach China, wo er zusammen mit Klaus Stanjek Methoden und Genres des Dokumentarfilms lehrte.
1992 kam er als Redakteur zum MDR in die Hauptabteilung Politik, Zeitgeschehen, Sport, wo er verantwortlich war für Reportagen und Dokumentationen. Seit 1996 war Spitra dann als Programmchef für den Bereich "Kultur und Wissenschaft" des MDR zuständig und realisierte dort auch ein großes multimediales Projekt, das seinesgleichen sucht: „Geschichte Mitteldeutschlands“ in 38 Folgen, ferner Das war die DDR (7 Teile), Geheimsache Katyn und Krieg der Wölfe (3 Teile). Spitra hat es dabei geschafft, Sendungen für die Menschen zu machen und den Nerv der Zuschauer zu treffen.
Im Dezember 2000 wurde Spitra mit der Leitung des Historischen Arbeitskreises der ARD beauftragt. Er versteht sich dabei als Koordinator und Moderator, das heißt, er versucht, die historischen Projekte, die in der ARD-Redaktionen entstehen, zu koordinieren, zu bündeln, Dubletten verschiedener Redaktionen zu vermeiden, aber auch Anregungen zu geben, was vielleicht ganz wichtig ist und gemacht werden sollte. Insofern sei der Historische Arbeitskreis eine „Werkstatt“ von Redakteurinnen und Redakteuren, die im Bereich Zeitgeschichte arbeiten und wo man versuche, das Niveau der Dokumentationen und Projekte weiter zu verbessern.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Porträt, Medien

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