3. Mai 2005

Wilhelm Spielhaupter

Am 31. Dezember 2004 wurde die Heimatauskunftsstelle Rumänien als letzte der 34 Heimatauskunftsstellen in Deutschland geschlossen. Eine Bilanz dieser Behörde, die die Eingliederung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland maßgeblich ermöglicht und begleitet hat, zieht Wilhelm Spielhaupter, der letzte Leiter der Heimatauskunftsstelle in München.

Die frühe Nachkriegszeit war gekennzeichnet durch die verheerenden Folgen des von Deutschland ausgelösten und verlorenen Krieges. Zu beklagen waren Millionen von Kriegsopfern, große Teile der Bevölkerung hatten ihre Existenzgrundlage veloren. Ein besonders hartes Schicksal hatten jene zu tragen, die während und nach dem Ende des Krieges aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Bis 1950 kamen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, dem Sudetenland und den deutschen Siedlungsgebieten in Südosteuropa rund acht Millionen Menschen nach Westdeutschland. Weitere acht Millionen Übersiedler, Aussiedler und Spätaussiedler sowie deren Angehörige wurden von 1950 bis 2004 im Bundesgebiet aufgenommen, davon rund 430 000 Personen aus Rumänien.
Aufgrund des Soforthilfegesetzes von 1949 wurden bis 1952 für besonders in Not geratene Menschen Leistungen in Höhe von 6,2 Milliarden DM erbracht. Am 1. September trat das Lastenausgleichsgesetz (LAG) in Kraft, das sich im Laufe der Jahre durch ergänzende gesetzliche Regelungen zu einem umfassenden Eingliederungs- und Entschädigungsprogramm entwickelte. Zur Finanzierung dieser gewaltigen Aufgabe wurden neben dem Bund und den Ländern durch spezielle Lastenausgleichsabgaben auch diejenigen Bürger herangezogen, deren Vermögen nicht oder nur geringfügig durch den Zweiten Weltkrieg beeinträchtigt worden war. Zum Verwalter des Ausgleichsfonds wurde der Präsident des Bundesausgleichsamtes bestimmt. Nach dessen aktueller Mitteilung belaufen sich die Zahlungen auf inzwischen rund 74,8 Milliarden Euro. Allein die darin enthaltenen Leistungen für Hauptentschädigung, Renten, Darlehen, Hausratentschädigung, Altsparerentschädigung, Währungsausgleich u.a. betragen rund 65,3 Milliarden Euro. Dies bedeutet eine in der Welt einmalige Solidarleistung und eine der größten Vermögensumverteilungen in Deutschland.
Die Grundzüge des Lastenausgleichs werden in der Präambel zum LAG wie folgt formuliert: „In Anerkennung des Anspruchs der durch Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Bevölkerungsteile auf einen die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigenden Ausgleich von Lasten und auf die zur Eingliederung der Geschädigten notwendigen Hilfe.“ Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Leistungen keinen Verzicht auf Ansprüche und die Rückgabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens bedeutet. Voraussetzung für einen Anspruch war, dass der Schaden einer natürlichen Person entstanden war, die im Zeitpunkt des Schadenseintritts deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger in einem Staat war, auf dessen Gebiet Entziehungs- oder Vertreibungsmaßnahmen gegen Deutsche getroffen wurden.
Die Vertriebeneneigenschaft wurde von den nach dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz zuständigen Flüchtlingsämtern - ursprünglich bestanden 598 Ämter - festgestellt und durch Erteilung eines Vertriebenenausweises „A“ dokumentiert
Das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) trat am 5. Juni 1953 in Kraft und schuf die notwendigen Voraussetzungen für deren Integration in das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in der Bundesrepublik.
Es war von Anfang an klar, dass die wenigsten der Geschädigten ihre Ansprüche mit Grundbuch- und Kontoauszügen, mit Einheitswert- oder Steuerbescheiden belegen würden können. Hinzu kam noch, dass die Vertreiberstaaten aus nahe liegenden Gründen alles daran setzten, jeden Nachweis über das ihnen zugefallene gewaltige deutsche Vermögen unmöglich zu machen. Der Beweisnot der Geschädigten wurde durch die Einrichtung von 34 Heimatauskunftsstellen für sämtliche Vertreibungsgebiete zumindest teilweise Rechnung getragen. Die Einrichtungen hatten die Aufgabe, auf Anforderung der Feststellungsbehörden die Anträge der Vertriebenen auf Schadensfeststellung zu begutachten, Auskünfte zu erteilen sowie Zeugen und Sachverständige zu benennen, deren Aussage für die Entscheidung über die Feststellungsanträge der Vertriebenen wesentlich sein konnte. Diese neuen Dienststellen wurden in enger Verbindung mit den betroffenen Landsmannschaften und Vertriebenenverbänden durch qualifizierte Sachkenner besetzt. Sie wurden in jenen Bundesländern stationiert, wo die meisten Vertriebenen aus den jeweiligen Vertreibungsgebieten ihre neue Heimat gefunden hatten.
Die Heimatauskunfstelle Rumänien (HASt III) wurde zusammen mit der HAST I für den Regierungsbezirk Aussig (der größten im Bundesgebiet) und der HAST II für Böhmen und Mähren gemäß Gesetz 1953 beim Landesausgleichsamt Bayern in München eingerichtet. In den Zuständigkeitsbereich der Heimatauskunfstelle Rumänien fielen das Banat, Siebenbürgen, das Sathmarer Gebiet, das nördliche und südliche Buchenland sowie das rumänische Altreich (Moldau, Muntenien und Oltenien). Als Leiter und deren Vertreter wurden Vertriebene bzw. Aussiedler aus dem Heimatgebiet bestellt.
Im Laufe der Jahre leiteten in verantwortungsvoller Weise die Heimatauskunftsstelle Rumänien: Dr. Peter Blass (1953-1957), Erhard Plesch (1957-1975), Dr. Franz Noll (1976-1979), Fritz Krauss (1980-2000) und Wilhelm Spielhaupter (2001-2004). Stellvertretende Leiter waren: Peter Blickling (1953-1974), Hans Huniar (1975-1982), Konrad Brekner (1982-1989), Wilhelm Spielhaupter (1991-2001) und Anneliese Philipp (2001-2004).
In der Dienststelle waren zeitweise bis zu 35 Mitarbeiter in vier bis fünf Sachgebieten beschäftigt. Das Personal setzte sich aus qualifizierten Fachkräften (Lehrern, Juristen, Diplomlandwirten und anderen Hochschulabsolventen sowie Technikern, Buchhaltern und Abiturienten) zusammen und leistete lobenswerte Arbeit. Die meisten Führungskräfte waren zudem ehrenamtlich in den jeweiligen Landsmannschaften engagiert. Das führte zu einer erfreulichen gegenseitigen Befruchtung von beruflicher Erfahrung und Ehrenamt zum Wohle unserer Landsleute. Blass war Vorsitzender der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen, Plesch war Bundesvorsitzender der siebenbürgischen Landsmannschaft, Huniar zugleich Bundesgeschäftsführer und Fachreferent der Banater Schwaben. In der siebenbürgischen Landsmannschaft wirkte zudem Krauss als Vorsitzender des Schlichtungsausschusses, Brekner als Fachreferent für Lastenausgleich und Spielhaupter war im Landesvorstand Bayern zuständig für die Anerkennung von Schulen, Studien und Zeugnissen der Aussiedler und einige Jahre stellvertretender Landesvorsitzender.
Erhard Plesch gab sein Bestes nicht nur für die möglichst reibungslose Eingliederung, sondern machte sich auch aktiv für Aussiedleraufnahme aus Rumänien stark. Hans Huniar war der Experte in Sachen LAG und Fremdrentengesetz und beriet in kompetenter Weise tausende Landsleute.
Die Heimatauskunftsstelle war in ihrer Gutachtertätigkeit auf viele ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen. So wurden im Laufe der Jahre über 700 Gemeindearbeitskreise eingerichtet, in den ortskundige Wissensträger mitarbeiteten. Über 3 000 Ehrenamtliche stellten in rund 5 000 Sitzungen (in der Regel dauerten diese acht Stunden) ihr Wissen und ihre Mitarbeit in den Dienst der Sache, wofür ihnen an dieser Stelle gedankt sei.
Die Heimatauskunftsstelle hat der überwältigenden Zahl der Antragsteller in ihrer Beweisnot geholfen, konnte aber auch dank ihrer besonderen Kenntnisse manche übertriebenen Forderungen auf das richtige Maß zurückführen, manchem „Möchtegerndeutschen“ einen Riegel vorschieben und sogar gefälschte Unterlagen erkennen.
Ihr Hab und Gut hatten im Herbst 1944 tausende deutsche Volkszugehörige in Rumänien verloren, die vor der Roten Armee in den Westen geflohen waren. Die härteste Enteignungsmaßnahme erfolgte durch die Agrarreform von 1945. Enteignet wurden in Siebenbürgen, im Banat und im Raum Sathmar 708 358 Hektar Grund, 120 000 Bauernhäuser nebst Stallungen, Scheunen und Nebenbauten, ca. 200 000 Stück Hornvieh, 60 000 Pferde und eine große Menge landwirtschaftlicher Maschinen und Arbeitsgeräte von 135 538 Besitzern. Bald danach wurden auch die Weingärten enteignet.
Infolge des Dekret-Gesetzes Nr. 119/1948 wurde auch das Betriebsvermögen (Industrie, Gewerbe, Handwerk, Handel, Banken usw.) nationalisiert. Im Jahre 1950 folgte die Enteignung des gesamten bürgerlichen Immobilienbesitzes (Dekret-Gesetz Nr. 92/1950), die Kollektivierung und gemäß Dekret 223/1974 die entschädigungslose Enteignung bzw. Zahlung eines minimalen Zwangskaufpreises für Immobilien ausgesiedelter bzw. aussiedlungswilliger Personen aus Rumänien.
Die Väter des Lastenausgleichsgesetzes waren weitsichtig und hatten in § 349 dieses Gesetzes vorgesehen, dass im Falle eines nachträglichen Schadensausgleichs die Empfänger von Leistungen einen Teil des Lastenausgleichs in den Entschädigungsfonds zurückzahlen müssen. Nach der Wende flossen bis Ende 2004 rund 770 Millionen Euro von unmittelbar Geschädigten oder deren Erben (nicht nur aus Rumänien) in den erwähnten Fonds zurück.
Die Geschäftsstatistik der Heimatauskunftsstelle Rumänien widerspiegelt nicht nur die enorme Leistung dieser Dienststelle, sondern auch einen Großteil des riesigen Vermögensverlustes deutscher Volkszugehöriger aus Rumänien. So gingen 117 237 gutachtliche Stellungnahmen der Heimatauskunftsstelle an Feststellungs- und Finanzbehörden, Gerichte, Entschädigungsbehörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Geschädigtenverbände. Rund 300 000 erledigte Geschäftsvorgänge sind eine beeindruckende Leistungsbilanz.
Am 31. Dezember 2004 wurde die Heimatauskunftsstelle Rumänien als letzte der 34 Heimatauskunftsstellen geschlossen. Das äußerst umfangreiche und wertvolle Archiv von rund 300 laufenden Metern und 500 000 Karteikarten dokumentiert in hervorragender Weise neben den Vermögensverlusten in den Siedlungsgebieten auch das Vertreibungs- und Aussiedlerschicksal, die gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in den Jahrzehnten bis zum Beginn der Vertreibungsmaßnahmen, die Lebensumstände der Deutschen in den Aussiedlungsgebieten zwischen Kriegsende und Aussiedlung und die umfangreiche Tätigkeit der Heimatauskunftsstelle Rumänien. Das Archivgut besteht aus Schriftwechsel, Gutachten bezüglich Schadensfeststellung in über 1 450 Ortschaften, Zeitzeugenaussagen, rumänischen Gesetzblättern, Gemeindeverzeichnissen, demographischen Statistiken, Heimatbüchern und anderen Schriften in deutscher und rumänischer Sprache, die sich auf Rumänien und die Deutschen in Rumänien beziehen, sowie Kartenmaterial und Periodika.
Das Archiv der Heimatauskunftsstelle ist somit ein wahrer Fundus für die Zeitgeschichte und steht auf Anfrage Interessierten zur Verfügung. Es befindet sich beim Bundesarchiv –Lastenausgleichsarchiv, Dr.-Franz-Straße 1, 95445 Bayreuth, Telefon: (09 21) 4 60 10.
Wilhelm Spielhaupter

Schlagwörter: Porträt, Politik

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