1. September 2006

Ines Wenzel

Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) wird die Siebenbürger Sachsen beim diesjährigen Trachten- und Schützenumzug des Münchner Oktoberfestes unter der Zugnummer 36 B vertreten. Der Oktoberfestumzug wird am 17. September, von 10.00 bis 12.00 Uhr, live im Ersten (ARD) und in Wiederholung im Bayerischen Fernsehen von 19.00 bis 21.15 Uhr übertragen. Ihr Gemeinschafts- und Traditionsbewusstsein werden die Jugendlichen - nach 2002 - nun schon zum zweiten Mal zur Schau stellen. Zusammen mit Christine Göltsch ist sie zudem Gruppenleiterin der Siebenbürgischen Jugendtanzgruppe Heilbronn. Es bereitet ihr viel Freude, mit den Jugendlichen zusammen Volkstänze und moderne Tänze einzustudieren und vorzuführen. Ines Wenzel nimmt ehrenamtliche Aufgaben auch als Kulturreferentin und stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Heilbronn, als Beisitzerin im Vorstand des BdV-Kreisverbandes Heilbronn, als stellvertretende Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg der DJO - Deutsche Jugend in Europa und als Beisitzerin im Vorstand der Landesgruppe Baden-Württemberg der siebenbürgischen Landsmannschaft wahr. Geboren wurde Ines, geborene Grempels, am 21. Mai 1973 in Heldsdorf. Im Dezember 1984 siedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland über. Sie ist ausgebildete Kauffrau im Groß- und Außenhandel und arbeitet seit 1995 als Verwaltungsangestellte im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg. Über die siebenbürgische Jugendarbeit und die Vorbereitungen zum Oktoberfestumzug sprach Simone Fleischer mit Ines Wenzel, stellvertretende Bundesjugendleiterin der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD).
Was motiviert Sie, sich so vielseitig und intensiv in der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend und Landsmannschaft zu engagieren?

Als in Kronstadt aufgewachsene Heldsdorferin habe ich die siebenbürgisch-sächsische Dorfgemeinschaft immer sehr bewundert und fühlte mich hierzu nie richtig zugehörig. Diese Erfahrung aus meiner Kindheit sehe ich als einen der Gründe an, die mich dazu bewogen haben, mich hier in Deutschland diesen Organisationen anzuschließen und nach meinen Möglichkeiten zu versuchen, den Gemeinschaftssinn der siebenbürgisch-sächsischen Jugend zu fördern und zu erhalten. Das kulturelle Interesse kam durch die Jugendarbeit nach und nach hinzu und ist mit der Zeit gewachsen. Neben dem Erhalt dieser, meiner Meinung nach, überaus interessanten und einzigartigen Kultur und Gesellschaft, empfinde ich natürlich die Bereitschaft und das immer noch sehr rege Interesse unserer Jugendlichen als besonders motivierend. Sie leben zum Teil schon in der zweiten Generation hier in Deutschland und sind eigentlich vollkommen integriert, sowohl in dieser Art von Gemeinschaft, die wir ihnen heute im Rahmen unserer Landsmannschaft und deren Zweigvereine bieten können, als auch im Siebenbürgischen im Allgemeinen.


Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland ist schon zum zweiten Mal beim Oktoberfestumzug dabei. Ist die Aufregung genauso groß wie beim ersten Umzug vor vier Jahren?


Ortrun Rhein (I)

Natürlich. Wir haben zwar aus organisatorischer Seite etwas mehr Erfahrung, dafür wissen wir aber auch genau, was alles auf uns zukommt. So verhält es sich auch mit den Teilnehmern. Für die einen ist es neu und aufregend, die anderen kennen bereits das berauschende Gefühl eines so großen Umzuges und freuen sich darauf, es noch einmal miterleben zu dürfen.


Das klingt, als wäre die Teilnahme mit viel Aufwand verbunden. Seit wann laufen die Vorbereitungen für diesen Auftritt?

Die Vorbereitungen laufen seit Anfang des Jahres, also seit wir die Zusage bekommen haben.


Und was muss als Erstes organisiert werden, was beinhalten die Vorbereitungen?

Die rein organisatorischen Elemente wie Anmeldung, Verpflegung, zugelassene Teilnehmerzahl usw. wurden von Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster und Bundesjugendleiter Rainer Lehni übernommen. Dann kam die Entscheidung über die Auswahl der Teilnehmer. Diese haben wir im Februar in der Bundesjugendleitungssitzung getroffen. Meine Aufgabe besteht darin, die Teilnehmeranmeldungen entgegenzunehmen, die Umzugsaufstellung für unsere Gruppe auszuarbeiten und den Teilnehmern beim Organisieren ihrer Tracht mit Rat und Tat zur Seite zu stehen sowie vor Ort für einen geregelten Ablauf und ein geschlossenes sauberes Trachtenbild zu sorgen.


Haben Sie etwas aus dem letzten Umzug gelernt? Ich meine, gibt es Dinge die man besonders beachten sollte bzw. die man bei diesem Umzug besser machen will?

Ich denke wir haben gelernt, dass wir bis zum Schluss konzentriert dabei sein und besser auf unsere Sachen aufpassen sollten ;-) Beim letzten Umzug sind uns nämlich unsere Trachtenlandschaftsschilder, die wir in mühevoller Gemeinschaftsarbeit geschmückt hatten, im Festzelt abhanden gekommen. Ansonsten gab es keine negativen Vorfälle. Eigentlich können wir uns nur wünschen, dass dieses Jahr alles genauso gut läuft.


Wie groß wird die siebenbürgische Gruppe sein, welche (Tanz)Gruppen werden mitmachen, und welche Trachtenlandschaften Siebenbürgens werden vertreten sein?

Unsere Gruppe wird aus rund 110 Teilnehmern bestehen, hauptsächlich Mitglieder der Bundesjugendleitung und der Landesjugendleitungen der SJD. Hinzu kommt noch die Siebenbürger Blasmusik Stuttgart mit etwa 30 Personen. Wir werden drei Trachtenlandschaften zeigen. Die Hermannstädter Gegend und das Burzenland werden von der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend repräsentiert, das Nösnerland wird hauptsächlich von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen vertreten. Für den Burzenland-Block haben wir in bewährter Weise auch auf die Tanzgruppe Tuttlingen zurückgegriffen.


Die Jugendtanzgruppe Heilbronn zählt momentan 29 Mitglieder im Alter von 15 bis 33 Jahren. Wie viele werden am Umzug teilnehmen?

Wie bereits erwähnt, gehen lediglich Mitglieder der Bundesjugendleitung und der Landesjugendleitungen sowie deren Partner mit. Ausnahmen möchte ich in dieser Hinsicht ungern machen. Aus unserer Tanzgruppe laufen außer mir noch Hans-Martin Sonntag, Astrid Kelp, Betina Zerbes und deren Partner mit.


Das Erste und das Bayerische Fernsehen übertragen den Trachten- und Schützenumzug am 17. September. Der Kommentator hat in den vergangenen Jahren immer wieder die bis ins Mittelalter zurückgehenden siebenbürgisch-sächsischen Trachten hervorgehoben. Was ist das Besondere an unserer Tracht im Vergleich zu anderen deutschen Trachten?

Wir tragen eine Tracht, die sich während der vielen hundert Jahre, die unsere Vorfahren als Minderheit in der Diaspora gelebt haben, bestimmt sehr verändert hat. Auch wenn es eine deutsche Tracht geblieben ist, so steht sie sicherlich teilweise unter dem Einfluss der Völker, die in Siebenbürgen neben uns gelebt haben. Allein dadurch hat sie sich schon zu einer Besonderheit innerhalb der deutschen Trachtenlandschaft entwickelt.

Zudem repräsentieren wir beim Oktoberfestumzug nicht einzelne Orte, sondern drei verschiedene Trachtenlandschaften. Eine Besonderheit unserer Tracht ist somit sicherlich ihre Vielfältigkeit.


Wie steht es mit den Trachten? Ist alles noch vom letzten Umzug in Takt und verfügbar, oder gibt es Engpässe?

Den Grundstock für die Tracht bringt jeder Teilnehmer selbst mit. Das stellt auch meistens kein Problem dar. Nur bei der Oberbekleidung und der Kopfbedeckung hapert es bei vielen. Mäntel, Hüte, Borten, Schleierungen usw. sind bei unseren Jugendlichen kaum noch vorhanden. Man hat sich auf das Wesentliche konzentriert, weil es für die meisten schon schwierig genug ist, eine Tracht für das Tanzen zu organisieren und auch zu bezahlen.

Wir sind als Organisatoren dankbar, wenn die Bereitschaft zur Teilnahme und zur Mitarbeit da ist, und sind dann bei der Ausstattung gerne behilflich. Die Beschaffung der Trachtenteile ist jedes Mal aufs Neue ein kleines Abenteuer. Der größte Fundus, auf den ich zurückgreifen kann, liegt in der Jugendtanzgruppe Heilbronn. Da wir bei Umzügen immer in der kompletten Kirchentracht laufen, haben die meisten unserer Mitglieder keine Kosten und Mühen gescheut und sind bestens ausgestattet. Weitere Trachtenstücke finden sich in meinen eigenen Kleiderschränken und in denen etlicher anderer Privatpersonen. Hierfür möchte ich an dieser Stelle gerne schon mal allen, die uns diesbezüglich immer helfend zur Seite stehen, ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen. Es ist mir bewusst, dass es immer auch ein Stück Überwindung und guten Willen kostet, diese alten und wertvollen Stücke vorübergehend aus der Hand zu geben.

Der letzte Umzug ist vier Jahre her und die Personen, die diesmal mitgehen werden, sind nur zum Teil die Gleichen. So muss das Ganze wieder komplett neu aufgezogen werden. Ich hoffe einfach, dass in diesem Jahr alles genauso glatt und diszipliniert ablaufen wird wie 2002.


Überwiegen bei Ihrer Gruppe die alten originalen Trachtenstücke oder eher die Neuanfertigungen?

Ich gehe davon aus, dass wir zu mindestens 90 Prozent alte Originaltrachtenstücke dabei haben.


Setzt der Festring e.V., der Organisator des Festumzuges, strenge Vorschriften für die Trachtenträger? Ist es schwierig, sie zu erfüllen?

Eine der Hauptvorschriften, bei der wir die meisten Schwierigkeiten haben, ist das Tragen von Oberbekleidung. Ich persönlich freue mich allerdings sehr darüber und bin der Meinung, dass auch diese Vorgabe mit etwas Mühe zu erfüllen ist. Bei den restlichen "Vorschriften" handelt es sich eher um Dinge, die jeder Mensch mit etwas Trachtenverständnis ganz von selbst beachten würde.


Welche Bedeutung messen Sie diesem Auftritt, der via Fernsehen in der ganzen Welt zu sehen sein wird, für die Siebenbürger Sachsen im Allgemeinen bei?

Dieser Auftritt gibt uns nicht nur die Möglichkeit Präsenz innerhalb der deutschen Trachtenlandschaft zu demonstrieren, sondern auch zu zeigen, dass es unsere Minderheit heute hier in Deutschland gibt, dass wir ein wunderschönes Kulturgut mitgebracht haben und dass unser Volk auch heute noch, obwohl es nicht mehr in seiner angestammten Heimat lebt, sein Brauchtum und seine Gemeinschaft pflegt.

Es ist uns eine Freude und eine Ehre, die Siebenbürger Sachsen in diesem Rahmen vertreten zu dürfen und gleichzeitig beweisen zu können, dass man seine Identität trotz müheloser Integration beibehalten kann.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Umzug und danken für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Jugend

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