8. Mai 2007

In Dinkelsbühl: Sächsisches Radio sucht den Dialog zu Hörern

Am 1. Dezember 2006 hat Radio Transsylvania International (RTI) den Sendebetrieb aufgenommen. Betreiber des im Internet zu empfangenden Senders ist der Verein RADIO TRANSSYLVANIA INTERNATIONAL e.V. Der Sender fördert unter anderem die siebenbürgisch-sächsische Mundart und wird beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl den Dialog zu den Hörern und vor allem neue Mitarbeiter suchen. Ein Interview mit den beiden Radiomachern, Ecaterina-Luise von Simons, Vorsitzende des Vereins RTI e.V., und Jürgen Schiel, Initiator des Radioprojektes und Schriftführer des Vereins RTI e.V., führte Robert Sonnleitner.
Zunächst einige biographische Daten: Ecaterina-Luise von Simons, 55 Jahre alt, geboren in Mediasch, wohnt in Berlin, ist von Beruf Lehrerin.
Jürgen Schiel, 36 Jahre alt, geboren in Hermannstadt, wohnt in La Tour du Pin (Frankreich), ist Informationsdesigner und moderiert die Sendung "Soxesch Radio".

RTI-Radio.de ist ein Internet-Radiosender und ein Internetportal zugleich. Neben dem angebotenen Livestreams gibt es einen Dauerstream, Podcasts und ein Community-Bereich für registrierte User. Was darf man sich unter diesen Begriffen vorstellen?

Jürgen: Das sind ganz viele Fragen auf einmal... Fangen wir mal mit dem ersten Begriff an: "Livestream" ist im Prinzip ganz einfach eine Sendung, in der wir live moderieren und live Musik senden. Das heißt, es sitzt tatsächlich jemand am Mikro und spricht in Echtzeit zu den Hörern. Anders beim Dauerstream - da werden nach dem Zufallsprinzip Titel aus unserer Musiksammlung und aufgezeichnete Sendungen abgespielt. Ein Podcast ist im Prinzip eine MP3-Datei, die den Nutzern zum Download angeboten wird. Die Datei ist allerdings mit Zusatzdaten versehen und kann abonniert werden. Programme wie zum Beispiel I-Tunes können feststellen, wann eine neue Datei vorhanden ist, downloaden sie automatisiert und übertragen sie beispielsweise auf einen tragbaren MP3-Player. In unserem Podcast-Bereich gibt es Mundartgedichte, vorgetragen von Martin Hedrich, theologische Gedanken von Rolf Binder und den redaktionellen Teil der Sendung "Romania mea" von Carmen Pankau.

Laut Definition ist eine Community "eine Gruppe von Personen, die gemeinsames Wollen und Wissen entwickeln, Erfahrungen teilen und dabei eine eigene Identität aufbauen. Communities profitieren von dem Grundsatz, dass alle Teilnehmer zum Erfolg beitragen, indem sie ihr Wissen einbringen." Wir wollen gemeinsam einen guten und interessanten Internetradiosender machen.

RTI e.V. wurde als Trägerverein von RTI-Radio.de gegründet. Wer sind die Gründungsmitglieder dieses gemeinnützigen Vereins? Weshalb war dieser Schritt überhaupt notwendig?

Jürgen: Die Gründung des Vereins erschien uns sinnvoll, um dem Projekt eine breitere Basis zu geben und das Weiterführen des Projektes auch bei Ausscheiden der Gründungspersonen zu ermöglichen. Als Einzelperson ist es schlichtweg unmöglich, ein solch komplexes Projekt zu finanzieren und durchzuführen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Ecaterina Luise von Simons (Vorsitzende), René Thiel (Servertechnik und Beisitzer), Thomas Schenk (Streamservertechnik und stellv. Vorsitzender), Anna-Maria Babet-Täuber (Schatzmeisterin), Hildegard Kijek (stellv. Schatzmeisterin), Robert Sonnleitner (Beisitzer) und meine Wenigkeit als Initiator und Schriftführer.

Woher kommt die Motivation, so ein Riesenprojekt auf die Beine zu stellen? Was treibt all diese ehrenamtlichen Mitarbeiter an, sich für dieses Projekt zu engagieren?

Jürgen: Unser Projekt steht unter der großen Überschrift "Zusammen". Wir möchten zusammen mit Deutschen und Rumänen zeigen, dass es sehr gut möglich ist zusammen zu arbeiten, trotz oder vielleicht gerade wegen der Unterschiede. In den westlichen Medien und im Bewusstsein der Deutschen, werden mit Rumänien leider (immer noch) eher negative Zusammenhänge assoziiert, dem möchten wir entgegenwirken. Und nicht zuletzt möchten wir die siebenbürgisch-sächsische Mundart hörbar machen. Durch falsch verstandene Integrationsbemühungen seitens unserer Landsleute sprechen viele auch in der Familie nicht mehr sächsisch. Wir möchten mit unseren Mundartsendungen zeigen, dass es keinen Grund gibt, sich zu schämen oder gar seine Herkunft zu verleugnen.

Die Vereinsmitglieder leben hunderte Kilometer voneinander entfernt, müssen Mitgliederversammlung abhalten, Beschlüsse fassen und Sendungen moderieren. Wie funktioniert die Kommunikation im RTI-Team, wie kann man sich die Arbeitsweise des Vereins vorstellen?

Die Kommunikation im RTI-Team funktioniert weitgehend netzgestützt. Wir nutzen das Internet, um miteinander zu kommunizieren, via E-Mail, Internettelefonie und Chat. Wir setzen Online-Werkzeuge zur Projektverwaltung ein. Das hat bis jetzt alles sehr gut funktioniert, auch wenn Stimmen laut werden, dass es an der Zeit wird, dass wir uns alle mal im "Meat-Space" (im realen Leben) treffen. Beschlüsse werden im Chat und in unserem Projektmanagment-Tool gefasst.

Luise, wie bist du eigentlich zum RTI-Team dazu gestoßen?

Luise
: Da muss ich ein wenig länger ausholen. Es fing damit an, dass ich schon immer von Chatten gehört hatte. Die Leute, welche darüber berichteten, vermittelten mir, dass es große Freude bereitet. Erst seit zwei Jahren kann ich überhaupt mit dem Rechner umgehen, eingerichtet hat ihn mir mein Sohn. Von mir kannte er die Siebenbürgische Zeitung, meine Startseite verlinkte er mit ihr. Letzten Sommer registrierte ich mich bei der "rokestuf"(einem Chatraum), die mit der Siebenbürgischen Zeitung verlinkt ist und die Ende letzten Jahres ein Internetradio ankündigte. Gesucht wurden ÜbersetzerInnen und ich meldete mich. Beim Übersetzen öffnete sich mein Herz. Es hat mir großen Spaß gemacht, sächsische Bezeichnungen für deutsche Begriffe zu erfinden (Foingerzichen/Link). Irgendwann fragte mich Jürgen Schiel, der sich hinter den Nick joker "versteckt", ob ich nicht bereit wäre, den Vorsitz bei RTI zu übernehmen. Nach einer Bedenkpause sagte ich zu. Es ist immer ein gutes Gefühl, gefragt zu werden, und sich nicht selber anzubieten.

Internet-Radiosender wachsen gerade wie Pilze aus dem Boden, bedienen alle möglichen Genres. Wie schafft ihr es, Hörer zu begeistern und ihnen etwas Besonderes zu bieten?

Jürgen
: Nun, das Besondere ist unter anderem, dass unsere Website dreisprachig angelegt ist: deutsch, rumänisch und sächsisch, auch wenn sie noch nicht durchgängig in allen drei Sprachen verfügbar ist. Weitere Besonderheiten sind die Sendungen in Mundart und die Musik von unseren siebenbürgischen Coverbands wie Amazonas-Express, Index-Band und anderen siebenbürgischen Künstlern. Es gibt Sendungen in zwei Sprachen, z.B. "Radio Romania Mea" von und mit Carmen Pankau, die man "mit dem Herzen hört". Carmen Pankau macht ihre Sendung seit September 2006 bei radio sthoerfunk und wird auch bei uns "ausgestrahlt". Eine Besonderheit ist vielleicht auch, dass wir einer der ersten und wenigen Vereine sind, die über das Internet gegründet wurden. Und noch eine Besonderheit: Unser Radio kann man rund um die Uhr auch über das Telefon hören, und zwar unter der Würzburger Festnetznummer (09 31) 6 63 99 20 58.

Welche Musik wird auf RTI-Radio.de gespielt, und wie hoch ist der Wortanteil?

Jürgen
: Unser Sendekonzept legt sich nicht auf eine bestimmte Musikrichtung fest. Wir stellen es unseren Moderatoren frei, die Musik zu spielen, die ihnen gefällt und von der sie glauben, dass sie auch unseren Hörern gefallen könnte. In meinen Sendungen spiele ich deutsche, englische, französische und rumänische Musik sowie jeden zweiten Sonntag Musik von siebenbürgischen Blaskapellen. Der Wortanteil schwankt, je nach Nachrichtenlage und natürlich je nach Zeit, die verfügbar war, um die Sendung vorzubereiten.

Jürgen, du moderierst die Live-Sendung "Soxesch Radio". Wäre ein Podcast-Format nicht einfacher und die Hörerschaft viel größer?

Jürgen:
Eine Live-Sendung erfordert für mich weniger Aufwand als eine vorproduzierte Sendung. Ich reagiere während meiner Sendung sehr spontan, recherchiere manchmal sogar während der Sendung. Das macht den Live-Charakter der Sendung aus. Ob man mit dem Podcastformat eine breitere Hörerschaft erreicht, ist fraglich. Ein weiteres Problem beim Podcast: dafür müssen extra Gebühren gezahlt werden, wenn man gemapflichtige Musik spielen möchte.

Wie bereitest du dich auf deine Sendung vor? Welches sind die Inhalte deiner Sendung? Kommen auch die Zuhörer zu Wort?

Jürgen: Ich habe einige Nachrichtenquellen im Netz, die ich als RSS-Feed oder als Newsletter abonniert habe, ich besuche regelmäßig die Website von SiebenbuergeR.de, um auf dem Laufenden zu sein. Kürzlich hatten wir ein Interview mit Mircea Ioanid/Hans Joachim Acker von Radio Free Europe. Weitere Interviews sind geplant. Manchmal greife ich auch Themen auf, die die Leser der Zeitung in den Diskussionsforen ansprechen. Wir haben auf unserer Website einen "Anrufbeantworter", einen Dienst, über den man uns direkt Nachrichten ins Studio senden kann. Außerdem betreiben wir einen Chat, in dem unsere Hörer uns direkt Musikwünsche zukommen lassen können. Diese Wünsche erfüllen wir dann auch meistens recht schnell.

Welche anderen Sendungen auf RTI widmen sich siebenbürgischen Themen?

Jürgen:
Demnächst ist eine Sendung aus Berlin geplant, da wird es um das siebenbürgische Leben in der Hauptstadt gehen. Wir suchen noch Moderatoren und Mitstreiter aus anderen siebenbürgischen Organisationen (Heimatortsgemeinschaften, Landesgruppen und Kreisgruppen der Landsmannschaften), die sich einbringen und eigene Sendungen produzieren wollen. Sendeplatz haben wir im Moment noch, und falls der knapp werden sollte, wäre es technisch gesehen kein Problem, parallel ein zweites Programm zu schalten. Je mehr sich melden, desto besser kommt die sprachliche Vielfalt zum Ausdruck.

Wie hoch sind die Einschaltquoten bei "Soxesch Radio"?

Jürgen
: Die Einschaltquoten sind unterschiedlich, aber für Internetradio durchaus beachtlich. Zahlen möchte ich hier nicht nennen. Wir wissen, dass wir sogar Hörer in Kanada und den USA haben. Für diese Hörer wiederholen wir unsere Sendungen in der Nacht, um die Zeitverschiebung zu berücksichtigen.

Könnt ihr eure Zielgruppe klar umreißen?

Luise
: Ich wünschte mir, dass alle Generationen uns hören. Die Radiolandschaft hat sich in den letzten zwanzig Jahr stark verändert. Für jeden Geschmack und jedes Alter gibt es spezielle Sender/Sendungen. Das finde ich falsch. So brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn Jung und Alt einander nicht mehr verstehen! Bei RTI gibt es einen so genannten flashchat, da wird während der Sendung mit den Moderatoren gechattet. Ich bin fast immer dabei. Unsere jüngste Hörerin ist 16 und der älteste 73 Jahre alt.

Luise, wann nimmst du deinen Platz vor dem Mikrofon ein?

Luise
: Den genauen Zeitpunkt kann ich noch nicht genau sagen, aber ich bin schon fleißig am Üben. Ich möchte im Laufe des Wonnemonats Mai auf Sendung gehen.

Welche Themen liegen dir am Herzen?

Luise
: Über alles, was mit Siebenbürger Sachsen zu tun hat, möchte ich berichten, aber auch über Berlin, die Stadt, in der ich lebe. Wichtig ist mir auch die Mundartpflege, ich möchte in Siebenbürgisch-Sächsisch senden! Aber auch etwas für die Seele, Lyrik meine ich. Außerdem werde ich einiges aus Sicht einer 55-jährigen Frau berichten; es kann RTI nur zugute kommen.

Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl steht vor der Tür - seid ihr schon im Dinkelsbühl-Fieber?

Luise
: Ich freue mich schon auf Dinkelsbühl, bei der Vorbereitung für dieses Interview habe ich festgestellt, dass ich seit zehn Jahren regelmäßig zum Pfingsttreffen fahre.
Jürgen: Ja! Wir werden in Dinkelsbühl mit einem kleinen Infostand dabei sein und uns unseren Hörern und zukünftigen Hörern vorstellen und versuchen, neue Moderatoren zu rekrutieren. Auch werden wir ein paar O-Töne einfangen und Interviews führen.

Was wünscht ihr euch für RTI-Radio.de und RTI e.V.?

Jürgen
: Wir wünschen uns, auf einer finanziell sicheren Basis zu stehen und ganz viele Hörer und Mitglieder zu haben.

Luise: Ich wünsche uns viele zufriedene HörerInnen, viele UnterstützerInnen, mehr Siebenbürger Sachsen/Sächsinnen, die bereit sind mitzuarbeiten, denn zurzeit sendet nur Jürgen Schiel aka joker soxesch.

Wie soll sich der Sender in fünf Jahren anhören, und welche Inhalte sollten vermittelt werden?

Luise
: Genauso wie heute, nur 24-stunden Livesendungen!

Jürgen: Genau, dem kann ich nur zustimmen, und am besten noch Moderatoren direkt aus Hermannstadt und anderen Städten in Siebenbürgen oder anderen Ländern, in denen es noch Siebenbürger Sachsen gibt!

Viel Erfolg für die Zukunft und vielen Dank für das Gespräch.

Direktlink zum Stream: rti-radio.de:8092/listen.pls

Schlagwörter: Internet, Radio, Medien, Jugend

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